Wer sich mit gendergerechter Sprache beschäftigt, landet sehr schnell in Grabenkämpfen. Das Netz ist voll von Positionen, Erklärungen, Petitionen und sogar Diffamierungen. Mitte Oktober hatte das Justizministerium einen Gesetzentwurf komplett in der weiblichen Begriffsform formuliert. Es folgte ein medialer Aufschrei. Das Innenministerium zweifelte die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfes an. Er müsse „den gängigen Regeln angepasst werden“, das heißt, im generischen Maskulinum verfasst. Wenn die zuständige Ministerin eine Diskussion zur geschlechtersensiblen Sprache in Gesetzestexten in Gang bringen wollte, dann war der Versuch ein Paukenschlag.
Positionierung durch die Wahl der Sprache
Die unterschiedlichen Meinungen lassen sich in drei Kategorien fassen: Befürwortende, Ablehnende und Hadernde. Die Hadernden sind in erster Linie diejenigen, die die deutsche Sprache schützen wollen und an der guten Lesbarkeit und Schönheit von Texten hängen. Zu dieser Gruppe gehören sicherlich auch die meisten Internen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, denn das ist bei den verschiedenen Positionen sicherlich unbenommen: Schöner werden Texte durch das Gendern nicht.
Der gemeinnützige Verein „Deutsche Sprache“ sammelt Unterschriften gegen „Gender-Unfug“, ruft „zum Widerstand“ auf und spricht von „lächerlichen Sprachgebilden“. Interessant, dass die veröffentlichte Liste der, offenbar honorigen, Unterstützenden, 476 Männer und nur 105 Frauen umfasst. Daraus abzuleiten, dass die Ablehnenden in erster Linie weiße alte Männer sind, wäre dennoch zu gewagt. Dass zu den Befürwortenden mittlerweile sogar eine Reihe von Journalistinnen und Journalisten gehört, hat eine Umfrage der Agentur „Mann beisst Hund“ gezeigt. Denn mit der gewählten Sprache positioniert sich ein Unternehmen.
Die Interne Kommunikation kann auch bei diesem Thema zur Treiberin eines Diskurses im Unternehmen werden. Sollte die Diskussion darüber noch nicht entbrannt sein, dann entfachen Sie diese doch einfach. Wie so oft, bietet sich eine interne Umfrage an, um ein Stimmungsbild zu bekommen. Dazu braucht es nur eine Frage, die über das Intranet, über die Mitarbeiter*innen-App oder auch die -zeitung gestellt werden kann: Ist es Ihnen wichtig, dass in unserem Unternehmen gendergerecht kommuniziert wird? Das Ergebnis wird die aktuell herrschende Kultur widerspiegeln, aber ganz gewiss auch zeitgemäße Strömungen sichtbar machen, auf die Sie reagieren sollten. Nicht mit einer Anordnung aus der Chefetage, sondern mit Erklärungen, mit Sensibilisierung und mit guten Argumenten.
Sprache schafft Realitäten
Sprache ist machtvoll, Sprache schafft Realitäten und Sprache formt Gedanken. Unsere Realität ist, dass unsere Gesellschaft vielfältig ist, dass Frauen in allen Berufen und Hierarchien vertreten sind und auch, dass das dritte Geschlecht im deutschen Recht einen Platz hat. Warum störe ich mich persönlich nicht daran, dass in einem Text das generische Maskulinum verwendet wird, meine (junge) Kollegin aber schon? Eine Generationenfrage? Ja, vielleicht, aber sicherlich werden noch viele Kinder mit einem tradierten Rollenverständnis sozialisiert werden.
Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass die Bewegung hin zu einem gendersensiblen Umgang mit Sprache nicht mehr aufzuhalten ist. Ich möchte in einigen Jahren nicht zu denjenigen gehören, die nicht mehr mitreden oder -schreiben können, weil sie sich der gendersensiblen Sprache komplett verschlossen haben. Natürlich ist es mühsam, natürlich braucht es Übung, bis Wort und Schrift sich dieser Entwicklung ganz selbstverständlich anpassen. Aber ist das nicht das Wesen von Veränderung?
Wenn ein Unternehmen die Jobbezeichnungen in den Stellenanzeigen mit m/w/d untertitelt (warum eigentlich nicht d/m/w, also in alphabetischer Reihung?), dann kann die Schriftsprache im Unternehmen eigentlich nicht mit dem generischen Maskulinum arbeiten. Das wäre schlicht nicht konsistent. Was würde ich als Interne Kommunikatorin Kolleginnen oder Kollegen sagen, die sich durch meine Texte nicht angesprochen fühlen? Es liest sich halt besser? Ziemlich lahm. Also: Zeigen wir Veränderungsfähigkeit und -willen, indem wir nicht nur mitmeinen, sondern mitschreiben, mitdenken, mitnehmen. Vielfalt ist eine Multiplikatorin von Möglichkeiten. Sie zu ignorieren, kann sich kein Unternehmen mehr leisten.