Ein bisschen Unternehmer sein

Wechsel auf Agenturseite

In den vergangenen Monaten gab es diverse Personalmeldungen, dass bekannte Kommunikationsverantwortliche in strategische Kommunikationsberatungen wechseln. Besonders intensiv kommuniziert Finsbury Glover Hering (FGH) solche Nachrichten. Dort ist zum Beispiel der ehemalige Zalando-Kommunikationschef René Gribnitz als Partner eingestiegen. Zu Kekst CNC wechselt Thomas Möller, der die Kommunikation bei Merck verantwortet. Brunswick holte Stefan Schmidt als Director. Er war vorher Leiter Media Relations bei Siemens Healthineers. Journalisten und Journalistinnen wie Ex-„Bloomberg“-Deutschlandchef Daniel Schäfer (zu FGH) oder die frühere Chefredakteurin der „Bild am Sonntag“, Marion Horn, vollzogen ebenfalls einen Seitenwechsel. Sie arbeitet als Partnerin bei Kekst CNC.

Sind solche Wechsel häufiger geworden? Spricht man mit Personaldienstleistern, dann gibt es von Seiten der Beratungen zumindest eine große Nachfrage nach Kommunikator*innen aus Unternehmen. Hinzu kommt, dass die drei erwähnten Player, die wie der Wettbewerber FTI Consulting über ihre Kunden aus den Bereichen Krise, Change, Public Affairs und Mergers & Acquisitions selten sprechen, Personalmeldungen intensiver für Eigen-PR nutzen. Das Signal: Wir wachsen und holen uns Top-Leute! Auch Gauly Advisors und Teneo kann man in das Segment der strategischen Beratungen einordnen. Teneo gilt als ambitioniert, in Deutschland künftig mitzumischen.

Klammert man die üblichen Floskeln aus, die Kommunikator*innen bei Jobwechseln verbreiten, gibt es handfeste Gründe, warum strategische Beratungen interessant sind. Sie betreuen komplexe Mandate, die häufig im Top-Management der Unternehmen aufgehängt sind. Die Beratungen wollen zwar nicht mehr als Agenturen bezeichnet werden, versuchen aber mit einem lockeren Arbeitsklima, Entscheidungsfreiheit und flachen Hierarchien zu punkten. Hinzu kommen Vergütungsmodelle, die neben Festgehalt und Bonus eine an die Geschäftsentwicklung gekoppelte Komponente enthalten. Wer als Partner einsteigt, kann die strategische Ausrichtung der Firma mitbestimmen und selbst unternehmerisch tätig werden.

René Gribnitz argumentiert in diese Richtung: „Wenn Sie ihn noch nicht hatten, dann lernen Sie bei Zalando Unternehmergeist. Nach allem, was ich gesehen habe, ist das auch ein zentraler Teil von Finsbury Glover Hering. Und nicht nur bei den Partnern.“ Gribnitz war bei dem Online-Händler dafür verantwortlich, die Kommunikation auf das Niveau eines Dax-Konzerns zu bringen. Bei FGH arbeitet er in der Tech- und Transformations-Abteilung, die Start-ups und Technologie-Unternehmen berät. Gribnitz glaubt, „mit der Zalando-Erfahrung gerade jungen Unternehmen, aber auch veränderungswilligen traditionellen Unternehmen helfen zu können, erfolgreicher zu sein“.

Worauf freut er sich im neuen Job? „Dass ich mit Menschen wie Brigitte von Haacke, Alexander Geiser, Julian Geist oder Raphael Neuner zusammenarbeiten kann“, sagt Gribnitz. „Ich hatte immer Spaß an der Vorstellung, mit ihnen irgendwann einmal in einem Team zu spielen.“ Vor allem Geiser wirkt wie ein Magnet. Für das „Manager Magazin“ ist er der „einflussreichste Vorstandsflüsterer Deutschlands“, der zum „mächtigsten Spindoktor der Welt werden will“. Ein „Starberater“. Nach der Fusion mit dem US-Beratungsunternehmen Sard Verbinnen & Co. wird Finsbury Glover Hering global noch stärker.

Raus aus der Branche

Thomas Möller, derzeit Kommunikationschef bei Merck, wechselt im März 2022 als Partner in das Frankfurter Büro von Kekst CNC. Etwa 250 Berater*innen sind der Website zufolge für das Unternehmen tätig. Möller soll sich um Gesundheitsthemen und die Positionierung von CEOs und Vorständen kümmern. Bei Merck begleitete er zuletzt den CEO-Wechsel zu Belén Garijo, der einzigen Chefin eines Dax-Konzerns.

Der 45-jährige Möller war vor Merck lange Zeit für BASF tätig. Fast 20 Jahre hat er in der Pharma- und Chemiebranche verbracht. Irgendwann stellt sich die Frage nach den nächsten Karriereschritten. Ein anderes, noch größeres Unternehmen in der Branche, die man kennt? Ein Konzern aus einem anderen Segment? Strukturen ähneln sich.

Was erhofft sich Möller von der Beraterseite? „Eine steile Lernkurve“ und „ganz viele spannende neue Themen und Impulse, von Kundenseite und aus dem globalen Kekst-CnC-Team“, sagt er. Möller sieht nach der Corona-Zeit erheblichen Beratungsbedarf. Er wolle mithelfen, „Kunden unterschiedlicher Branchen zukünftig dabei zu unterstützen, ihre kommunikativen Potenziale bestmöglich zu entfalten“. Der Wortlaut der Merck-PM zu Möllers Abschied legt nahe, dass er abgeworben wurde.

Kommunikationsberatungen, die Transformations- und Digitalisierungsexpertise besitzen, tätigen aktuell erheblichen Aufwand, um neues Personal zu rekrutieren. Journalist*innen sind eine Zielgruppe. Diese besitzen zwar Erfahrung in Medienarbeit und Storytelling und teilweise Branchen-Know-how. Allerdings fehlt ihnen der Beratungs- und Managementhintergrund. Inhouse-Kommunikatoren bringen beides mit. Sie sind Manager und Advisors, wie die Studie „European Communication Monitor 2021“ vor kurzem zeigte.

Stefan Schmidt ist seit September als Director bei Brunswick in München tätig. Er arbeitete zuletzt bei Siemens Healthineers, davor bei Osram. Wie René Gribnitz nennt Schmidt als einen Wechselgrund die Aussicht, mit bestimmten Personen zusammenzuarbeiten. „Jetzt hat alles gepasst: die Menschen, die ich schon lange kenne, wie Fiona Claire Littig, Janos Goenczoel oder Jan-Peter Schwartz, mit dem ich schon bei Osram viele Jahre sehr gut zusammengearbeitet habe. Wichtig war für mich auch die Philosophie der ‚One-Firm Firm‘, die eine nahtlose Zusammenarbeit von Europa über Amerika bis nach Asien ermöglicht.“ Brunswick beschäftigt mehr als 1.200 Mitarbeiter*innen in 27 Büros weltweit.

Wie unterscheiden sich Unternehmenskommunikation und Beratung? Schmidt: „Die Arbeit in der Beratung ist durch andere Anforderungen geprägt: Mandate in unterschiedlichen Industrien, kurze Reaktionszeiten und hohe Geschwindigkeit. Dafür bekommt man deutlich mehr Eigenverantwortung und Abwechslung.“ In seinen Antworten schwingt viel Realismus über die häufig zähen Abläufe in Konzernen mit. „Der Kommunikator im Konzern muss immer noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Der Mandant wünscht explizit Kommunikation und Beratung.“

Eine Personalberaterin hatte eine interessante Idee für ein Follow-up: „Schauen Sie doch mal in ein paar Jahren, wie lange die Leute bei ihrem neuen Arbeitgeber geblieben sind.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Technologie. Das Heft können Sie hier bestellen.