Zu ProSiebenSat.1 Media gehören – wenig überraschend – die Fernsehsender ProSieben und Sat.1. Beide Programme dürfte in Deutschland fast jeder kennen. Was auf den Sendern läuft und wie deren Formate ankommen, beeinflusst deshalb, wie der Medienkonzern öffentlich wahrgenommen wird. ProSiebenSat.1 ist aber deutlich mehr: Sender wie Kabel Eins und Sixx, Marken wie die Dating-Plattform Elite-Partner, das Vergleichsportal Verivox* und E-Commerce-Anbieter wie Flaconi* sind ebenfalls Teil des Unternehmens.
Stefanie Rupp-Menedetter, Executive Vice President Group Communications und Konzernsprecherin, antwortet auf die Frage nach dem wichtigsten Geschäftsbereich allerdings nicht mit einem der bekannten TV-Sender: „Im Entertainment-Segment ganz klar Joyn. Das ist die Zukunft! Gleich danach kommt Sat.1 und als drittes ProSieben“, sagt sie. Der Öffentlichkeit zu erklären, was Joyn ist, wird eine der zentralen Aufgaben für die Unternehmenskommunikation in den kommenden Jahren sein.
Bei Joyn handelt es sich nicht nur um die Streaming-Plattform und die Mediathek der Sendergruppe, sondern auch um ein Live-TV-Angebot, über das sich zusätzlich öffentlich-rechtliche Programme wie ARD, ZDF und Arte, aber auch CNBC und Bloomberg empfangen lassen. Die Entwicklung im TV-Markt geht seit Jahren dahin, dass Zuschauer Inhalte häufiger online und on Demand konsumieren wollen. Auch ARD und ZDF investieren deshalb in ihre Mediatheken und Online-Auftritte.
ProSiebenSat.1 will nun beim Publikum Joyn stärker in den Fokus rücken. „Unsere Zuschauer sind im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Sendern im Schnitt deutlich jünger. Sie wollen immer und überall fernsehen können, dafür aber nicht verschiedene Apps nutzen, sondern eine App für alle Sender haben, mit der sie alles perfekt schauen können“, erklärt Rupp-Menedetter. Der komplette Content müsse im TV funktionieren, aber auch auf Joyn und damit im Internet. In Pressemitteilungen weisen die Sender inzwischen gleichrangig darauf hin, dass etwas im Fernsehen und auf Joyn läuft.
Sparkurs und Stellenabbau
Das schwierige Werbeumfeld im TV-Markt ging an ProSiebenSat.1 nicht spurlos vorüber. Umsatz und Ergebnis entwickelten sich negativ. Das Unternehmen mit aktuell etwa 7.300 Mitarbeitern hat bis Herbst vergangenen Jahres fast 400 Stellen abgebaut, was auch die Kommunikationsabteilung betraf. Es gab ein Abfindungsprogramm. Freie Positionen wurden nicht nachbesetzt. Aktuell arbeiten im Bereich Kommunikation rund 65 Personen in Vollzeit und damit rund 20 Prozent weniger als vor dem Sparkurs.
Die strategischen Veränderungen im Unternehmen zwangen Rupp-Menedetter, die Struktur ihrer Abteilung zu überdenken, Prozesse zu hinterfragen und an die neuen Konzern-Prioritäten anzupassen. Es ging um Grundsätzliches.
Rupp-Menedetter: „Was sind die Dinge, die wir aktiv nach vorne treiben wollen? Was sind Themen, um die wir nicht drumherum kommen? Was sind Stop Doings, die wir nicht mehr machen müssen?“ Komplett zufrieden war die Kommunikationschefin, die vor ihrem Wechsel zu ProSiebenSat.1 sieben Jahre lang bei der Allianz tätig war, mit der Aufstellung sowieso nicht mehr. Die Abstimmung sei nicht mehr optimal gewesen. In der neuen Struktur entschied sich die Österreicherin deshalb, eine komplette Führungsebene rauszunehmen, so dass der Kontakt zwischen ihr und dem Team wieder enger wird. Inhaltlich liegt der Fokus jetzt verstärkt auf Entertainment und dem Entertainment-Business. „Das ist unser Kerngeschäft“, betont Rupp-Menedetter. Die Kommunikation soll darauf einzahlen, dass ProSiebenSat.1 ein Unterhaltungskonzern ist. „Schnell, direkt, klar“ soll die Öffentlichkeitsarbeit sein.
Stefanie Rupp-Menedetter arbeitet seit 2017 für ProSiebenSat.1. Vorher war sie unter anderem für die Allianz tätig. © Seven.One / Benjamin Kis
Neue Struktur
Die externe Kommunikation hat Rupp-Menedetter in zwei Bereiche aufgeteilt. Neu ist die Abteilung Corporate & Business Communications, die die weltweiten PR-Maßnahmen der verschiedenen Geschäftsbereiche, die Strategie- und Finanzkommunikation, das Influencer-Geschäft, die Kommunikation von drei Vorständen sowie die Business-Themen rund um Joyn steuern soll. Seit dem 1. Februar ist hierfür Martin Kunze verantwortlich. Er kam vom Gesundheitskonzern Fresenius.
Content Communications nennt sich der zweite Bereich der externen Kommunikation. Geleitet wird er von Christoph Körfer, der zu inhaltlichen Themen der Senderfamilie spricht. Der Entertainment-Spezialist bleibt darüber hinaus stellvertretender Senderchef von ProSieben. In seinem Team gibt es wiederum CVDs, die Inhalte themenorientiert für Genres und Kanäle aufbereiten und nach außen und innen spielen. Da das Unternehmen vor allem seine Programminhalte besser nutzen will und versucht, über sie Medienberichterstattung zu generieren, kommt den CVDs eine entscheidende Rolle zu. Bei ihnen liegt auch der Bereich Audience Relations – der Dialog mit den Zuschauern.
Die Abteilung Group Communications ist in fünf Bereiche unterteilt: Corporate & Business, Content, Strategic Communications, Internal Communications und Live Communications. © Organigramm: ProSiebenSat.1 Media
Für Rupp-Menedetter entspricht die jetzt gefundene Struktur ihrer Idealvorstellung. Zwei Monate habe das Team daran gearbeitet. „Ich habe mich intensiv mit Personen ausgetauscht, die für mich als Sparringspartner wichtig sind“, sagt sie. „Es machte bei solchen Prozessen keinen Sinn, ein anderes Modell zu kopieren, weil unsere Organisation und die Anforderungen eines Medienkonzerns sehr speziell sind.“ Eine Agentur hat sie für die Entwicklung der neuen Struktur nicht hinzugezogen.
Sender mit eigenem Image
Für 2023 weisen die Daten der AGF Videoforschung Marktanteile von 4,6 Prozent für Sat.1, 3,2 Prozent für Kabel Eins und 3,0 Prozent für ProSieben aus. Sat.1 gilt aufgrund der breiteren Aufstellung als der intern wichtigste Sender, wenngleich ProSieben vor allem in der für Werbung entscheidenden Gruppe der 14- bis 49-Jährigen stark ist.
„We love to entertain you“ heißt der bekannte Werbe-Slogan von ProSieben. Zu dessen Erfolgsformaten gehören unter anderem Heidi Klums „Germany’s Next Topmodel“, das Mitte Februar in die 19. Runde ging. Erstmals können auch Männer an dem Model-Casting teilnehmen. Dazu kommen „Joko & Klaas“, „TV Total“ und internationale Serien wie das Game-of-Thrones-Prequel „House of the Dragon“. Rupp-Menedetter: „ProSieben steht für eine junge und moderne Zielgruppe. Die erwartet von uns, dass wir ganz klar sagen, wie wir zum Beispiel zur AfD-Diskussion stehen.“ Der Sender ist stärker in einer Nische angesiedelt als Sat.1, wo unter anderem „The Voice of Germany“, „The Biggest Loser“, das „Frühstücksfernsehen“, Serien wie „Das Küstenrevier“ und Shows zu sehen sind. Kabel Eins spricht eine etwas konservativere Zielgruppe an. Bei den journalistischen Nachrichtenformaten nimmt das Unternehmen für sich in Anspruch, ausgewogen und parteipolitisch unabhängig zu berichten.
Arbeiten mit Stars
Wer für die Sendergruppe im Content-Bereich der Kommunikation tätig ist, begleitet die Formate häufig sehr eng. Die Kommunikatorinnen und Kommunikatoren sind bei Drehs und Live-Sendungen vor Ort mit dabei. Es gibt einen intensiven Kontakt mit Stars und deren Management. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Prominente wie die Sängerin Lena Meyer-Landrut oder die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf arbeiten schon lange für die Senderfamilie. Die Chance, an der Glamourwelt zu partizipieren und an roten Teppichen zu stehen, ist für viele die Hauptmotivation, zu dem Medienunternehmen zu wechseln.
Der Austausch mit Journalistinnen und Journalisten bleibt ein wesentlicher Teil der täglichen Arbeit. Zielmedien sind unter anderem Promi-Sendungen, „Bild“, Fernsehzeitschriften, aber auch regionale Medien. Insbesondere bei Castingshows gibt es ein großes Interesse an Kandidatinnen und Kandidaten aus der Region. Für Corporate- und Business-Themen sind vor allem Tageszeitungen wie „FAZ“ und „SZ“, Mediendienste wie „DWDL“ und Marketingzeitschriften wie „Horizont“ und „W&V“ relevant. Es gebe aber fast kein Medium, mit dem die Kommunikationsabteilung nicht spreche, betont Rupp-Menedetter.
*Update, 11. April: Das „Handelsblatt“ berichtet, dass Verivox und Flaconi verkauft werden sollen.
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