Gamechanger CSRD: Kommunikationsabteilungen im Wandel

CSR-Kommunikation

Noch vor rund einem Jahr antworteten viele Journalist*innen großer Medien auf Fragen nach der CSRD häufig mit: „CSRD? Nie gehört“. Heute ist die Situation eine andere. Und in zwölf Monaten dürfte sie erneut anders aussehen.

CSRD steht für Corporate Sustainability Reporting Directive. Die vier Buchstaben umfassen neue Vorgaben der EU hinsichtlich dessen, was Unternehmen künftig in ihren Geschäftsbericht aufnehmen müssen. Denn ab diesem Jahr müssen Unternehmen erstmals nicht nur offenlegen, wie Umsatz und Gewinn sich entwickelt haben, sondern auch, wie nachhaltig ihre Geschäftstätigkeiten sind. Damit schafft die EU etwas grundsätzlich Neues. Klaus Schwab, Wirtschaftswissenschaftler und Gründer des Weltwirtschaftsforums, formulierte es 2020 in einem Interview so: „Wir arbeiten gerade an einem System, in dem jedes Unternehmen verpflichtet wird, über seine Umweltleistung und seine soziale Leistung genauso zu berichten wie jetzt schon über seine finanzielle Bilanz.“

Die CSRD ist ein wichtiges Puzzlestück im Green Deal der EU, der die Vision für ein klimaneutrales Europa bis 2050 darlegt. Mit der CSRD sollen Nachhaltigkeitskennzahlen für Unternehmen künftig genauso wichtig werden, wie finanzielle Kennzahlen das heute bereits sind.

Mehr Transparenz und Vergleichbarkeit

Zwar gelten mit der Non Financial Reporting Directive (NFRD) bereits erste Nachhaltigkeits-Reportingpflichten für Unternehmen, aber die NFRD ist im Vergleich ein recht zahnloser Tiger. In Deutschland fallen schätzungsweise etwa 500 Unternehmen unter die NFRD. Sie beinhaltet keine klaren Vorgaben, wie und was berichtet werden muss, wodurch kaum Vergleichbarkeit und nur eingeschränkte Verlässlichkeit entsteht.

Das soll mit der CSRD anders werden. Sie gilt schrittweise ab 2024, die ersten Berichte müssen ab 2025 vorgelegt werden. Die CSRD weitet die Berichterstattungspflicht sowohl in der Breite als auch in der Tiefe massiv aus. In Deutschland werden künftig circa 15.000 Unternehmen berichten müssen, Inhalt und Struktur der Berichte sind vorgeschrieben und sie müssen Teil des Lageberichtes sein. Zusätzlich muss der Nachhaltigkeitsbericht extern geprüft werden.

Die CSRD schafft somit neue Parameter. Sie soll für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen und ist damit ein wichtiger Hebel im Vorhaben der EU, es Unternehmen schwer zu machen, die sich einer nachhaltigen Transformation verweigern. Denn klar ist: Die Finanzierung von Unternehmen wird künftig stark davon abhängen, wie die Nachhaltigkeitsbilanz aussieht.

Die Haltung der Wirtschaft zu den neuen Regulierungen ist zwiespältig. Manche sprechen von einem „Bürokratie-Monster” und sehen in den Regeln ein teures Arbeitsbeschaffungsprogramm für Berater*innen und Wirtschaftsprüfer*innen. Gleichzeitig aber begrüßen viele Unternehmen klare Regeln – denn sie schützen die eigenen Investitionen und machen es  Wettbewerbern schwerer, sich Veränderungen zu entziehen.

Vor diesem Hintergrund ist auch das Ergebnis der jüngsten Umfrage des Zentrum Nachhaltige Transformation zu interpretieren. Mehr als 250 CEOs und Manager*innen in Führungspositionen wurden zu den neuen Regeln der CSRD befragt. Ergebnis: Eine klare Mehrheit der Teilnehmer*innen von 78 Prozent bewertet die Corporate Sustainability Reporting Directive als Innovationstreiber. Ziel und Richtung der Regulierung werden deutlich befürwortet.

Eine neue Rolle für Kommunikationsabteilungen

Die CSRD wird also signifikante Auswirkungen auf Unternehmen haben. Doch was bedeutet sie für die Kommunikationsabteilung? Die kurze Antwort lautet: Herausforderungen.

Mit der CSRD werden bestehende Nachhaltigkeitsberichte Stück für Stück verschwinden. Ersetzt werden sie durch einen Geschäftsbericht 2.0. Das bedeutet weniger Storytelling, dafür mehr harte Zahlen, weniger Platz für gut erzählte Geschichten und mehr Zuständigkeiten in Händen von Finanzabteilung, Nachhaltigkeitsabteilung, Legal oder Compliance.

Zudem sollen mit der CSRD die Umweltbilanzen der Unternehmen direkt miteinander verglichen werden können. Aber noch herrscht bei vielen zu berichtenden Kennzahlen eine gewisse Unsicherheit. Es ist unklar, wie vergleichbar die Zahlen bereits in den ersten Jahren der Berichterstattung sein werden. Kommunikationsabteilungen müssen sich darauf einstellen, kritische Fragen zu Zahlen gestellt zu bekommen, die aufgrund anderer Berechnungen mit der Konkurrenz kaum vergleichbar sind.

Auch gehen mit der CSRD Veränderungen in der Unternehmensorganisation einher. Derzeit sind die Zuständigkeiten für die CSRD-Berichterstattung sehr unterschiedlich verteilt. Bei einigen Unternehmen ist die Finanzabteilung im Lead, andere haben bereits ein großes, gut aufgestelltes Nachhaltigkeitsteam, das eine immer zentralere Rolle und Funktion in der Struktur von Unternehmen einnimmt.

Chancen für die Kommunikation

Wo steht die Kommunikationsabteilung in diesem Wandel? Unklar. Klar hingegen ist, dass sich der Trend zur Professionalisierung der Nachhaltigkeitskommunikation fortsetzt. Kommunikator*innen haben die Chance, in Unternehmen mehr Verantwortung und stärkeren Einfluss zu gewinnen. Denn die CSRD bedeutet auch einen Meilenstein auf dem Weg von der Shareholder- zur Stakeholder-Economy. Mit mehr Daten, die erhoben, gesammelt und berichtet werden, geht automatisch eine stärkere und intensivere Kommunikation mit mehr Stakeholdern einher, innerhalb von Unternehmen ebenso wie außerhalb. Mehr Fachabteilungen werden erstmals oder anders einbezogen, ähnlich wie Vertreter lokaler Gemeinschaften oder Zulieferer. Hier bedeutet die CSRD mehr Kommunikation an mehr und häufig neuen Schnittstellen – aber ohne Kommunikator*innen.

Das bietet jedoch Chancen für Kommunikator*innen, ihre Kompetenzen in der Vermittlung,, im Diskurs, im Dialog einzubringen: indem sie Kolleg*innen darin unterstützen, mit neuen Stakeholdern in den Austausch zu gehen, indem sie erklären, warum die CSRD notwendig ist und indem sie Ansprechpartner*innen für all jene sind, die sprechfähiger werden wollen.

Diese neue Rolle einzunehmen und auszufüllen ist für Kommunikationsabteilungen entscheidend, wollen sie nicht an Bedeutung im Unternehmen verlieren. Voraussetzung dafür ist, dass sie ihre Rolle aus eigener Kraft weiterentwickeln. Zur Fähigkeit, komplexe Inhalte überzeugend darstellen und inszenieren zu können, sollte die Expertise treten, komplexe KPIs zu verstehen und das Unternehmen und seine Rolle im Wettbewerb zu erklären.

Für Kommunikator*innen ist es zentral, sich jetzt zu positionieren und aus dem „unklar“ ein „na klar!“ zu machen. Denn die CSRD bietet gerade für sie ganz neue Chancen, das eigene Unternehmen zu erklären – nach innen wie nach außen.


Dieser Beitrag ist der Auftakt zu einer neuen KOM-Artikelreihe, die sich mit dem Themenkomplex Nachhaltigkeitskommunikation befasst. Unsere Gastautor*innen stellen dabei Herausforderungen, Rollen und Anforderungen vor und zeigen unterschiedliche Wege auf, wie diese bewältigt werden können.

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