Mediale Reichweite kein Indikator für Wahlergebnis

Europawahl

Die Medienberichterstattung in den Wochen vor der Europawahl am 9. Juni war geprägt von Skandalen rund um den AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Schlagzeilen machten unter anderem Spionagevorwürfe gegen einen Mitarbeiter aus seinem Büro. Ende Mai gab Krah bekannt, den Bundesvorstand seiner Partei zu verlassen. Im Wahlkampf spielte er danach kaum noch eine Rolle.

Die medial hohe Reichweite weiche deutlich vom Wahlergebnis seiner Partei ab, schreiben Analysten des Media-Intelligence-Anbieters Unicepta. Sie untersuchten, inwieweit die mediale Reichweite der Spitzenkandidat*innen im Vorfeld der Europawahl mit dem Wahlergebnis ihrer Parteien korrelierte. Dafür werteten sie 17.182 Online-Artikel aus, die zwischen dem 8. Mai und 8. Juni erschienen sind. In mehr als jedem vierten Artikel über die Spitzenkandidat*innen (28 Prozent) tauchte AfD-Kandidat Krah auf. Seine Partei erzielte 15,9 Prozent der Stimmen.

Medienpräsenz und Wahlergebnis klaffen auseinander. © Unicepta

Medienpräsenz und Wahlergebnis klaffen auseinander. © Unicepta

Auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) war in den Medien deutlich präsenter (10 Prozent), als es das Wahlergebnis ihrer Partei (5,2 Prozent) vermuten lassen würde. Gleiches gilt für Ursula von der Leyen und Manfred Weber (zusammen 39 Prozent), Spitzenkandidat*innen der Union (Wahlergebnis: 30 Prozent). Ebenso für Carola Rackete und Martin Schirdewan (zusammen 7 Prozent) bei den Linken (Ergebnis: 2,7 Prozent).

SPD-Spitzenkandidatin medial kaum sichtbar

Umgekehrt gehen die SPD, die Grünen und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) stärker aus den Wahlen hervor, als die Berichterstattung zu ihren Kandidatinnen und Kandidaten es nahelegt. So war Katarina Barley (SPD) nur zu fünf Prozent in der Berichterstattung über die Wahl vertreten. Barley war allerdings auf den Wahlplakaten sehr präsent. Ihre Partei erreichte bei der Europawahl 13,9 Prozent.

Barley war auch im Vergleich zur Gesamtberichterstattung ihrer Partei medial kaum sichtbar. Nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz (28 Prozent) kam deutlich häufiger in der Berichterstattung über die SPD vor. Auch die Fachminister Nancy Faeser (9,8 Prozent), Boris Pistorius (6,7 Prozent) und Karl Lauterbach (5,6 Prozent) erzielten höhere Werte als Spitzenkandidatin Barley (1,5 Prozent). Aufgrund von Themen wie dem Polizistenmord in Mannheim, dem Sylt-Video und dem Ukraine-Krieg, die alle Reaktionen von Bundeskanzler Scholz oder von Innenministerin Faeser erforderten, wurde im Monat vor der Wahl keine Partei so oft in den Medien genannt wie die SPD.

Generell dominierten die Ampelparteien zusammen knapp die Hälfte der Gesamtberichterstattung im Monat vor der Wahl. Häufig war die Berichterstattung allerdings negativ.

Starke Fokusberichterstattung

Eine weitere Analyse der Headlines von knapp 3.500 Artikeln in Onlinemedien zeigte, dass es eine starke Fokusberichterstattung zu Maximilian Krah (AfD), Ursula von der Leyen (CDU) und Marie-Agnes Strack Zimmermann (FDP) gab. In 89 Prozent der Schlagzeilen tauchte mindestens einer dieser Namen auf, was dafür spricht, dass diese Namen Leser von Online-Medien zu Klicks animierten.

AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah dominiert die Medienberichterstattung in den ersten Wochen. Später erhalten Spekulationen über von der Leyens Wiederwahl ein großes Medienecho. © Unicepta

AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah dominiert die Medienberichterstattung in den ersten Wochen. Später erhalten Spekulationen über von der Leyens Wiederwahl ein großes Medienecho. © Unicepta

Bei der Europawahl am 9. Juni waren europaweit mehr als 350 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen, in Deutschland rund 66 Millionen. Als stärkste Kraft ging hierzulande die CDU/CSU mit 30 Prozent hervor. Dahinter folgen die AfD mit 15,9 Prozent und die SPD mit 13,9 Prozent. Auf den weiteren Plätzen landeten die Grünen (11,9 Prozent), das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW, 6,2 Prozent), die FDP (5,2 Prozent) und die Linke (2,7 Prozent). Sonstige Parteien erhielten 14,2 Prozent der Stimmen.

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