Nicht nur Cum-Ex

Reputation

Christina Eistert hat seit knapp einem Jahr einen der anspruchsvollsten Jobs in der Finanzbranche: Sie leitet die Kommunikationsabteilung der krisengebeutelten Bank M.M. Warburg & Co. Das Geldhaus spielt eine zentrale Rolle im Cum-Ex-Steuerskandal. Der Gesellschafter Christian Olearius steht deswegen in Bonn vor Gericht. Besondere Aufmerksamkeit erhält der Fall deshalb, weil der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz sich als damaliger Erster Bürgermeister Hamburgs mit Olearius getroffen hatte. Bei Vernehmungen im Hamburger Untersuchungsausschuss verwies er auf Erinnerungslücken bezüglich des Inhalts der Gespräche.

Im Interview erklärt Eistert, wie sie mit der Vergangenheit der Bank aufräumen und das Unternehmen kommunikativ neu aufstellen will.

Frau Eistert, seit Februar leiten Sie gemeinsam mit Christiane Rehländer die Kommunikationsabteilung bei der Warburg-Bank. Das klingt erst mal nach einem Himmelfahrtskommando. Warum haben Sie die Stelle angenommen?

Der Kontakt entstand zum richtigen Zeitpunkt. Ich hatte die zwei Jahre davor die Kommunikation bei Heidelberger Druckmaschinen verantwortet, wollte aber zurück in den Bankensektor. Dort hatte ich zuvor viele Jahre gearbeitet. Die Zusammenarbeit mit Christiane Rehländer hat von Anfang an ausgesprochen gut funktioniert und ist von Vertrauen geprägt.

Aber warum Warburg? Es gibt viele Banken, die nicht so tief in einen der größten Steuerskandale der deutschen Geschichte verstrickt sind.

Gerade das fand ich spannend. Die Herausforderung war offensichtlich, aber auch die Chance, ein Unternehmen kommunikativ komplett neu zu positionieren. Was mir schon als Außenstehende auffiel: Man sprach sehr viel über Warburg, aber kaum mit der Bank. Das zu ändern, war mein erstes Ziel.

Bundeskanzler Olaf Scholz musste im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Hamburg zu Cum-Ex aussagen. Die Verbindungen zur Politik machen das Thema für Medien zusätzlich interessant. © picture alliance/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz musste im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Hamburg zu Cum-Ex aussagen. Die Verbindungen zur Politik machen das Thema für Medien zusätzlich interessant. © picture alliance/dpa

Wie bereitet man sich auf so eine Stelle vor?

Ich habe versucht, mir ein möglichst vollständiges Bild von der Situation zu machen. Dafür braucht es komplette Transparenz – auch in Bezug auf Cum-Ex. Das klingt trivial, ist aber essenziell. Denn weitreichenden Einblick in alle relevanten Themen zu haben, ist enorm wichtig für gute Kommunikationsarbeit.

Wie sieht diese strategische Neupositionierung aus?

Wir wollen vermitteln, dass Warburg eben nicht nur die Cum-Ex-Bank ist, sondern ein Haus mit 225-jähriger Geschichte. Die Kommunikationsstrategie orientiert sich natürlich eng an der Gesamtstrategie des Unternehmens. Entsprechend wollen wir die drei Kerngeschäftsfelder in den Fokus rücken: Private Banking, Corporate und Investment Banking sowie Asset Management.

Und über Cum-Ex wollen Sie am liebsten gar nicht mehr sprechen?

Das geht natürlich nicht. Das Thema besteht nach wie vor. Als Unternehmen im Zentrum eines solchen Sachverhalts muss man da auch gesprächsbereit sein und bleiben. Wir versuchen, die größtmögliche Transparenz herzustellen. Zu den aktuellen Gerichtsprozessen wie etwa dem gegen Dr. Christian Olearius äußern wir uns aber als Bank nicht, auch weil das operative Geschäft mittlerweile bei unseren Vorständen liegt.

Das klingt so, als wäre das Thema von Ihrer Seite komplett erzählt. Das dürften viele Journalisten anders sehen.

Die Journalisten, die das Thema seit Jahren begleiten, kennen ja die Fakten – und die ändern sich kaum noch. Aber klar, bei jeder neuen Wendung der Geschichte kocht es auch bei uns wieder hoch. Sei es ein neuer Cum-Ex-Prozess oder die Aussage des Bundeskanzlers vor einem Untersuchungsausschuss. Komplett verschwinden wird das Thema wohl erst mal nicht.

Finden Sie das unfair? Schließlich waren auch viele andere Banken in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt.

Nein, aber es wird eben nicht immer die ganze Story erzählt. Es fällt zum Beispiel oft unter den Tisch, dass die Bank und die Gesellschafter alle Steuerforderungen beglichen haben, die im Zuge von Cum-Ex aufkamen. Aber bei uns spielt auch die Prominenz der Beteiligten eine Rolle und die Verbindung der Warburg-Geschichte zur Politik. Dadurch ist das Thema auch für die Menschen auf der Straße interessant.

Wenn es Ihnen nicht gelingt, das Cum-Ex-Thema abzumoderieren, wie wollen Sie dann mit den anderen Themen durchdringen?

Es geht gar nicht darum, etwas abzumoderieren, sondern darum, diese anderen Themen konsequent zu besetzen. Das klappt nur, wenn wir Inhalte anbieten können, die durchkommen. Dabei setzen wir neben unserem Chefvolkswirt Carsten Klude zum Beispiel auf unsere Tochter Warburg Research, die wirklich einen hervorragenden Job macht, was die Aktienanalyse betrifft. Da kommen täglich Anfragen von Medien. Wir kommunizieren auch proaktiver als früher. Da hieß es vonseiten der Warburg-Bank oft nur: „Kein Kommentar.“ Wir haben dann direkt nach meinem Antritt den Kontakt zu den für uns wichtigen Medien gesucht und ihnen gesagt, dass wir das nun so handhaben und sie gerne anfragen können.

Welche Rolle spielen dabei Ihre neuen Vorstände, Markus Bolder und Stephan Schrameier?

Eine große, sie dienen als Gesichter der „neuen“ Warburg-Bank. Beide haben keinerlei Verbindungen zur Cum-Ex-Zeit, das ist wichtig. Sie stehen aber als Ansprechpartner für die Bankthemen zur Verfügung. Das kommt bisher auch sehr gut bei den Medien an, die regelmäßig über uns berichten.

Haben Sie eigentlich mal überlegt, die Bank einfach umzubenennen? Das wäre der größtmögliche Schnitt zur Vergangenheit.

Wir haben tatsächlich gescherzt, dass wir umziehen sollten, weil bei jeder Berichterstattung über Cum-Ex unser Eingang als Symbolfoto genutzt wird. Aber im Ernst: Auf vieles aus unserer Vergangenheit sind wir ja auch stolz. Wir haben gerade zum Jubiläum eine Festschrift herausgebracht, in der wir uns auf die jüdische Vergangenheit des Hauses beziehen und auf die Rolle, die die Warburg-Bank beim Aufstieg Hamburgs zur Handelsmetropole gespielt hat. Bei all diesen Schritten geht es auch darum, den Mitarbeitern etwas zu geben, das sie vertreten können. Denn auch intern hat der Cum-Ex-Skandal viel Vertrauen zerstört, das wir nun mühsam wieder aufbauen müssen – auch mit neuen Kommunikationswegen.

Wird laut Christina Eistert gern von Medien als Symbolfoto für Cum-Ex genutzt: der Eingang der Bank. © picture alliance/dpa

Wird laut Christina Eistert gern von Medien als Symbolfoto für Cum-Ex genutzt: der Eingang der Bank. © picture alliance/dpa

Was hat sich in der internen Kommunikation verändert?

Wir haben gezielt interne Kommunikationsmaßnahmen erweitert. Wir haben Dialogformate etabliert, haben einen regelmäßigen Newsletter aufgebaut. Es gibt nun auch ein Extra-Postfach für Mitarbeiter-Feedback. Transparenz ist nicht nur in der externen, sondern auch in der internen Kommunikation wichtig.

Wie wollen Sie überprüfen, ob all diese Maßnahmen auch erfolgreich sind?

Wir mussten erst mal gewisse Tools etablieren. Wir haben den Pressespiegel neu aufgestellt und eine Echtzeit-Medienbeobachtung etabliert. Deswegen kommt die Evaluierung auch jetzt erst auf die Agenda. Wir orientieren uns klar an den strategischen Zielen und bewerten, welchen Beitrag wir dazu leisten. Der Prozess ist langfristig ausgerichtet und wir gehen Schritt für Schritt vor.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Corporate. Das Heft können Sie hier bestellen.

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