Von Walldorf in die Welt

SAP

Im April 2023 gab es die Meldung, dass Sie zu SAP wechseln. Angefangen haben Sie im August. Was genau sollte Ihr Auftrag sein?

Schaller: Das ist weniger ein Auftrag, sondern eher eine große Chance. Die Chance, einen der spannendsten Momente von Deutschlands wertvollstem Unternehmen mitzugestalten. Wir schärfen das Profil von SAP in der Öffentlichkeit, um SAP als das zu positionieren, was wir sind: der global einzig relevante Techkonzern aus Europa.

Das klingt, als hätte es vorher ein Defizit gegeben.

Das muss man einordnen: In den vergangenen Jahren war bei SAP viel reaktive Kommunikation an der Tagesordnung – insbesondere in Deutschland. Das führte zu der Erkenntnis, dass SAP auch in seinem Heimatmarkt selbst Themen aktiver setzen und kommunizieren muss. Bei aller Internationalität: Unser Headquarter ist in Deutschland. Deshalb braucht es einen stärkeren Fokus auf einen wirklichen Austausch und offenen Dialog auch mit deutschen Medien.

Würden Sie sagen, SAP verkauft sich in der Öffentlichkeit unter Wert?

Es gibt immer Luft nach oben. SAP und unsere Produkte sind kein einfaches Thema. Was wir machen, ist inhaltlich komplex, aber zugleich hoch relevant. Über unsere Systeme laufen 89 Prozent der gesamten Weltwirtschaft. Es ist ein großer Wirkungsbereich, der aber eine spezifische Kundengruppe betrifft und eben nicht die Endverbraucher. Ein deutlicher Unterschied zu Unternehmen wie der Deutschen Post DHL, zu der nahezu jeder zumindest gelegentlich Kontakt hat.

Wer genau gehört zu Ihrer Zielgruppe?

Unsere Kunden sind große Unternehmen und Staaten, mit denen wir sehr zielgruppenorientiert kommunizieren. Wir müssen aber auch in der allgemeinen Öffentlichkeit Markenbildung betreiben und uns als Konzern positionieren. Und darüber hinaus müssen wir das sehr spezielle Tech-Segment abdecken. Es gibt also drei Stakeholder-Gruppen, die unterschiedlicher kaum sein könnten und die wir alle erreichen müssen.

Inwieweit hat sich Ihr Auftrag seit Ihrem Start wieder verändert? Das KI-Thema kam mit Nachdruck auf die Agenda und wird dort wohl auch bleiben.

Unsere Kommunikationsstrategie steht und ist auf mehrere Jahre ausgerichtet. Allerdings haben wir für 2024 neue Schwerpunkte gesetzt. Wir fokussieren uns thematisch noch stärker auf AI. Man darf generative KI nicht mit ChatGPT gleichsetzen. Es geht um den Business-Nutzen. Schon vor dem Hype hatten wir über 130 KI-Anwendungsfälle für unsere Kunden im Angebot. Täglich kommen neue dazu. Gleichzeitig bleiben für die Strategie unsere Enterprise Software (ERP) und die Business Technology Platform (BTP) hoch relevant. Und unterfüttert wird die gesamte Strategie mit dem Thema Nachhaltigkeit.

Für den Laien macht SAP irgendwas mit IT. Das Unternehmen wirkt immer noch ingenieursgetrieben, nicht zuletzt aufgrund seiner bekannten Gründer. Unser Eindruck ist, Ihr Image ist nicht so innovativ, wie man es von einem Konzern erwarten würde, der im Bereich Cloud und KI aktiv ist.

Nach meinem Eindruck ändert sich das gerade rasant. Als Christian Klein die Aufgabe als alleiniger CEO übernommen hat, ging es um die Transformation ins Cloud-Business. Drei Jahre später sind wir beim Thema Cloud auf der Zielgeraden und legen den Fokus zusätzlich auf AI. Künstliche Intelligenz ist bereits in allem, was wir tun. Das tritt nur nicht so ins öffentliche Bewusstsein, weil unsere Produkte nicht den persönlichen Bezug zu den Endverbrauchern haben. Journalisten würden typischerweise fragen: „AI, what is the next big thing?“ Es geht aber darum, wie AI in jedes Produkt sicher integriert werden kann. Wir verbinden Business und AI. Wir managen einen Datenschatz, den kein anderer hat. Und wir setzen auf ethische KI wie kein anderes Unternehmen.

Kürzlich zeigte eine Unicepta-Analyse unter den umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland, dass SAP die stärkste Positionierung zum Thema KI hat. Inwieweit ist es Ihnen wichtig, dass SAP als KI-Player wahrgenommen wird? Ist das ein kommunikativer Erfolg?

Natürlich ist es relevant, dass von außen wahrgenommen wird, dass wir wie kein anderes Unternehmen in Deutschland für AI stehen. Aber AI ist nichts Neues. Gen-AI ist das Neue. Unser generative KI-Assistent heißt Joule. Joule nutzt natürliche Sprache, greift auf den Datenschatz der SAP-Anwendungen zurück und wird damit die Geschäftsabläufe von Unternehmen grundlegend verändern.

Die weltweit führenden KI-Player kommen aus den USA. Sie waren zuletzt mit Christian Klein mehrfach in den USA unterwegs und hatten dort verschiedene Medientermine. Wen wollen Sie in den USA erreichen?

Wir wollen Investoren erreichen, genauso wie unsere Kunden und Partner in den USA. Von den Medien sind beispielsweise Bloomberg, CNBC und auch breit aufgestellte Medien wie die „New York Times“ relevant, aber natürlich auch Tech-Publikationen wie „TechCrunch“ oder „CIO“.

Für deutsche Unternehmen ist es in den USA nicht leicht, Gehör zu finden. Gehen Sie Medien proaktiv an oder kommen die mit Anfragen auf Sie zu?

Wir werden aktiv angefragt und sind als Player gesetzt. Sind in den USA Google und Microsoft bekannter? Ja. Die Frage ist aber immer: Sind wir bekannt dafür, was wir tun? Absolut. Wir werden aber dennoch unsere Präsenz in den USA ausweiten. Das Ziel: von „good“ zu „great“.

Was interessiert Medien an SAP?

Die Tatsache, dass wir alles aus einer Hand anbieten. Es interessiert Medien, dass wir ein europäischer Player sind – der einzig relevante. Aber auch unser Sustainability-Ansatz und unsere großen Mengen an Daten, um wirklich relevante künstliche Intelligenz in die Unternehmen zu bringen, sind von großem Interesse.

Wie ist es in Deutschland? Sie werden häufig als die „Walldorfer“ bezeichnet. Welche Rolle spielt der Heimatmarkt Deutschland noch für Sie?

Der Themenfokus ist ein bisschen anders, weil wir in Deutschland ein wichtiger Arbeitgeber sind. In Deutschland kennt man die Marke SAP und man kennt Walldorf als Hauptsitz von SAP. Diese Durchdringung haben wir in den USA nicht. Daraus folgt, dass wir in Deutschland stärker auch als Arbeitgeber beobachtet werden – vor allem in der eigenen Region und von lokalen Medien wie dem „Mannheimer Morgen“ oder der „Rhein-Neckar-Zeitung“, aber auch von der Belegschaft. Nehmen Sie nur die Themen „Back to the office“ oder die Leistungskultur. Das waren regional große Themen. Es ist aber wichtig, Kommunikation nicht nach der Geografie aufzubauen. Sie müssen global denken und global mit einer zentralen Botschaft kommunizieren, die wiederum regional runtergebrochen wird.

„Ich liebe es, mit Journalisten zu arbeiten“, sagt Monika Schaller. Das Gespräch fand in einem Hotel in Berlin-Mitte statt. © Robert Feldmann

„Ich liebe es, mit Journalisten zu arbeiten“, sagt Monika Schaller. Das Gespräch fand in einem Hotel in Berlin-Mitte statt. © Robert Feldmann

Es gab eine interne Mitarbeiterbefragung aus dem Frühjahr 2023, über die das „Handelsblatt“ berichtet hat. Die ergab, dass 47 Prozent der Beschäftigten dem Vorstand nicht das volle Vertrauen aussprechen. Welche Maßnahmen unternehmen Sie, um das kritische Meinungsbild in Deutschland zu verbessern?

Diese Mitarbeiterbefragungen finden zweimal im Jahr statt. Zum Zeitpunkt der von Ihnen erwähnten Befragung lief unser Restrukturierungsprogramm für 2023. Und auch in diesem Jahr führen wir eine Reorganisation durch. Obwohl wir als Konzern sehr erfolgreich sind, müssen wir uns ständig verändern und transformieren. Das liegt an dem extrem kompetitiven Markt und der schnelllebigen Branche, in der wir uns bewegen. Wer sich da nicht anpasst, der verliert. Das stößt selbstverständlich nicht nur auf Gegenliebe. Umso wichtiger ist es, in den Dialog mit Mitarbeitenden zu treten und transparent zu kommunizieren, was passiert. Das Wichtigste ist: Wir müssen das Warum erklären. Wir müssen den Menschen vermitteln, warum wir einzelne Schritte gehen. Dann werden die Mitarbeitenden die Gründe für die Transformation verstehen und sie dann auch aktiv unter­stützen.

Welche Veränderungen planen Sie in der SAP-Kommunikation?

Auch wir sind in der Transformation. Erste Schritte waren, die gesamten Media Relations global unter derjenigen Kollegin zusammenzuführen, die die Global PR aus den USA heraus leitet. Wir haben im Januar außerdem alle sogenannten Schattenkommunikatoren in unser Team zurückgeholt. Wir hatten die Situation, dass Vorstandsbereiche beispielsweise über eine eigene interne Kommunikation betreut wurden. Das führte dazu, dass zu sehr nach Bereichen statt integriert kommuniziert wurde. Das ist nichts Ungewöhnliches in großen Konzernen, aber mir war es wichtig, die Eingliederung schnell umzusetzen. Das neue Modell sieht außerdem vor, dass wir die CEO- und CFO-Kommunikation zusammenziehen. Auch HR-Kommunikation und Employer Engagement und einzelne Produkte haben wir gebündelt.

Ihr Vorgänger Oliver Roll arbeitete hauptsächlich von den USA aus. Tina Kulow, die eine Art Verbindungsfunktion zwischen den USA und Deutschland besaß, hat das Unternehmen verlassen. Vereinen Sie die beiden Positionen jetzt in Ihrer Person?

So würde ich das nicht sagen. Aber es ist einfach wichtig, mit deutschen Medien in den engen Austausch zu treten. Das mache ich nun einmal wahnsinnig gerne. Ich liebe es, mit Journalisten zu arbeiten.

Für die heutige Medienlandschaft ist Christian Klein eigentlich der perfekte CEO. Er ist 43 Jahre alt. Seine aktuelle Position übernahm er mit 39. Zukunftsorientierung wird ihm schon aufgrund seines Alters zugestanden. Wofür soll Christian Klein stehen?

Christian Klein verbindet das „Beste aus zwei Welten“. Er ist in dem Konzern groß geworden, er versteht SAP und die Unternehmensgeschichte bis ins kleinste Detail. Er hat den Gründerspirit verinnerlicht, der immer noch in diesem Konzern steckt, obwohl SAP 51 Jahre alt ist. Das kombiniert er mit Internationalität und einem völlig neuen Ansatz der Führung: dass man Leute involviert und sie mitgestalten lässt. Christian steht für eine neue Generation. Er hat diese echte Lust, den Konzern voranzutreiben. Und er ist damit sehr erfolgreich.

Medien mögen personalisierte Aufhänger. Wie setzen Sie Christian Klein ein, um die geschäftliche Entwicklung kommunikativ zu unterstützen?

Christian Klein kommuniziert intensiv für SAP – und das sogar deutlich mehr als noch vor neun Monaten. Wir sind sehr oft in den USA unterwegs. Neben den traditionellen Medienpartnerschaften bringen wir ihn in Podcasts, auf Social-Media-Plattformen, beteiligen uns an Konferenzen, engagieren uns in Webinaren, nehmen an Diskussionsrunden teil, präsentieren ihn in Videoblogs und interaktiven Online-Formaten. Unser Ziel ist es, ihn als das zu etablieren, was er tatsächlich ist: der relevanteste Tech-CEO in Europa.

Wie viel Ihrer Arbeitszeit dreht sich um Christian Klein und den Vorstand?

Meine Arbeit für den gesamten Vorstand macht insgesamt etwa 70 Prozent meiner Arbeit aus. An Christian Klein hängen auch die Strategie und ein wesentlicher Teil der Reputation. Daher ist das natürlich der größte Teil.

Aktuell sind Haltungsthemen en vogue. Medien erwarten von Unternehmen, dass sie sich politisch positionieren. Wie wichtig ist Ihnen das?

Unternehmen haben die Verantwortung, zu Themen Stellung zu beziehen. Man muss allerdings darauf achten, dass man sich nicht wahllos zu allem äußert. Ich rate dazu, sich auf das zu konzentrieren, was man als Unternehmen tut. Es ist nicht die Aufgabe eines CEOs, jede politische oder geopolitische Veränderung zu kommentieren.

Es gibt die interessante Konstellation, dass Ihre Vorvorgängerin Nicola Leske Ihren früheren Job bei der DHL Group übernommen hat. Worüber würden Sie mit ihr sprechen?

Ganz klar: über Christian und Tobias – über meinen und Nicolas CEO.


Dieser Text ist eine gekürzte Fassung des Interviews, das im gedruckten Heft erschienen ist.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Wandel. Das Heft können Sie hier bestellen.