Spielmacher mit Netzen

E.ON

Herr Rosumek, Sie haben die Marke E.ON neu aufgestellt und sich eine neue Markenstrategie gegeben. Warum war das notwendig?

Rosumek: Der Konzern hat sich in den vergangenen Jahren fundamental verändert. Wir haben 2014/2015 die gesamte konventionelle Energieerzeugung abgespalten. Diese bildet heute im Wesentlichen das Unternehmen Uniper. 2019 haben wir dann die bis dato größte Veränderung vollzogen, als wir mit RWE Assets getauscht haben. Unsere erneuerbare Erzeugung haben wir an RWE abgegeben und von RWE ihr Endkundengeschäft und ihre Netze übernommen. Unser letztes Kernkraftwerk Isar 2 bei München ging dann im April 2023 auf Wunsch der Politik vom Netz. Knapp 25 Jahre nach der Gründung von E.ON besitzen wir damit praktisch keine eigene Energieerzeugung mehr. Wir sind heute Europas größter Verteilnetzbetreiber. Mit rund 400.000 Kilometern Verteilnetz sind wir absolut erfolgskritisch für die Energiewende. Mit mehr als 40 Millionen Kunden in Europa erreichen wir beinahe jeden zweiten Haushalt in der europäischen Union.

Sie haben die Netze angesprochen. Für den Laien sind Verteilnetze schwer zu greifen und als Produkt nicht sichtbar. Warum ist es Ihnen wichtig, dass Endverbraucher mitbekommen, was sich bei Ihnen verändert?

Die Energiewende betrifft alle Menschen. Und deshalb ist es für unsere Kunden und für die Gesellschaft wichtig zu wissen, dass E.ON nicht nur ein verlässlicher, etablierter Partner ist, der zum Beispiel in der Energiekrise ein sicherer Hafen war. E.ON ist mit dem größten Verteilnetz in Deutschland das Unternehmen, das die Energie zu den Menschen bringt. Wir wollen der Spielmacher – der Playmaker – der Transformation in Europa sein und beanspruchen für uns eine Führungsrolle, weil unsere Infrastruktur erfolgskritisch für das Gelingen der gesamten Energiewende ist. In einem dezentralen Energiesystem wird es immer wichtiger, das gesamte Energiesystem zu koordinieren.

Ihr Vice President Global Brand, Stefan ­Schneider, sprach in „Horizont“ von der Marke E.ON als „Empty Jacket“. Auch Uniper und Innogy waren bereits Kunstgebilde ohne lange Tradition. Hat E.ON im Zuge der verschiedenen Transaktionen seine Identität verloren?

Definitiv nicht. Das Unternehmen hat eine große Transformation erfolgreich gemeistert und ist dabei auch durch Täler gegangen. Nach all diesen Veränderungen ist E.ON jetzt für Wachstum aufgestellt. Erst vor kurzem haben wir bekannt gegeben, dass wir in den nächsten vier Jahren 42 Milliarden Euro in die europäische Energiewende investieren. Wir wachsen und stellen neue Mitarbeiter ein. Allein im vergangenen Jahr haben wir 3.000 neue Stellen geschaffen.

Die Transformation, die wir geschafft haben, muss für die Menschen sichtbar und spürbar werden. Wenn Sie sich die Marke E.ON anschauen, hat sie sich in den vergangenen fünf Jahren praktisch kaum verändert, obwohl sich das Unternehmen fundamental verändert hat. Die Marktforschung sagt uns, die Menschen wüssten zwar, dass E.ON etwas mit Energie zu tun hat. Dass wir aber keine Kraftwerke mehr betreiben, wissen zu wenige. Viele sagen immer noch, E.ON sei ein Unternehmen mit Kohlekraftwerken. Dabei haben wir überhaupt keine Kraftwerke mehr.

Inwieweit haben sich für das Unternehmen negative Effekte gezeigt, weil die Transformation in der Breite nicht angekommen ist?

In der Politik hat sich der Stellenwert von Energie während der Energiekrise grundlegend verändert – auch bei den Menschen. Plötzlich merken alle, das ist nicht nur etwas, das aus der Steckdose kommt. Sie merken, dass die Energieversorgung entscheidend für das Zusammenleben in der Gesellschaft ist. Kein Fahrstuhl oder Krankenhaus funktioniert ohne Strom. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir ausreichend und bezahlbare Energie haben, um das alles zu betreiben. Heute verstehen alle, dass ohne Infrastruktur die Energiewende nicht funktionieren wird. Die Infrastruktur ist momentan einer der größten Engpässe, die wir haben. Oft regeln wir Windkraftwerke im Norden ab, weil wir die Energie nicht nach Süden abtransportieren können.

Welchen Beitrag kann E.ON konkret zum Gelingen der Energiewende leisten?

Aus unserer Sicht stellen wir ganz wesentlich die Infrastrukturbasis bereit. Hinzu kommt die enorme Investitionstätigkeit von 42 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren. Damit stellen wir sicher, dass wir die Energie, die dezentral durch Solaranlagen und Windräder produziert wird, und die Lastabnehmer wie Wärmepumpen und Ladesäulen in das Netz bekommen. Und zwar so, dass keine Netzengpässe auftreten. Ohne die Infrastruktur schaffen wir die Transformation von Großkraftwerken wie Kohle oder – in anderen Ländern – von Kernenergie zu den Erneuerbaren definitiv nicht. Daneben sind wir Versorger von 40 Millionen Menschen in Europa.

Wenn es die veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung aufgrund der Energiekrise nicht gegeben hätte, hätten Sie dann trotzdem zu diesem Zeitpunkt Ihre neue Markenstrategie gelauncht?

Wir hätten die Strategie auch ohne Energiekrise gelauncht, weil die Transformation, die Europa vor sich hat, eine Jahrhundertaufgabe ist. E.ON steht im Mittelpunkt dieser Aufgabe, und das hätten wir auch ohne Energiekrise durch den neuen Markenauftritt deutlich gemacht.

Ihr neuer Claim lautet „It’s on us – to make new energy work“. Was genau verbirgt sich dahinter?

Das ist ein klares Bekenntnis zu unserer gesellschaftlichen Verantwortung. Wir sagen, wir übernehmen Verantwortung dafür, dass das neue kleinteiligere und dezentrale Energiesystem funktioniert. Wir sehen hier für uns als Spielmacher eine zentrale Rolle. Wir wollen E.ON zu einer führenden Marke in diesem Feld machen.

Sie sprechen von einer Kampagnenplattform und nicht von einer Kampagne. Wie lief der Prozess genau ab, bis Sie zu Ihrem neuen Markenauftritt und dem Claim „It’s on us“ gekommen sind?

Mitte vergangenen Jahres haben wir angefangen, mit dem Vorstand über die Markenstrategie intensiv zu diskutieren. Wir haben bewusst gesagt, dass wir kein „One Time Wonder“ wollen. Es ist ein strategisches Programm, das die neue Unternehmensstrategie, die unser CEO Leo Birnbaum mit seinem Vorstandsteam entwickelt hat, auf die Marke überträgt. „It’s on us“ ist unsere erste Kampagnenplattform, die jetzt laufen und immer sichtbarer werden wird.

Wo wird der Claim überall zu sehen sein?

Wir planen im Laufe des Jahres größere Mediaaktivitäten im TV und Out-of-Home-Bereich. Aber es ist mehr als das. Wir haben auch eine neue Systematik für die Mitarbeiter entwickelt, damit sie E.ON besser verstehen können. Zusätzlich haben wir uns neue Unternehmens- und Markenwerte gegeben. „Making New Energy Work“ lautet unser neuer Purpose. Das ist der Grund, warum unsere mehr als 72.000 Mitarbeiter jeden Tag herkommen.

Parallel zum Claim hat E.ON einen neuen Purpose entwickelt. „Making New Energy Work“ ist als Botschaft auch nach innen gerichtet. © E.ON

Parallel zum Claim hat E.ON einen neuen Purpose entwickelt. „Making New Energy Work“ ist als Botschaft auch nach innen gerichtet. © E.ON

Die Kampagnenplattform hat eine wichtige Funktion nach innen. Wie werden den Mitarbeitern der neue Purpose und der neue Claim nähergebracht?

Vor allem durch viele Live-Formate in der Kommunikation. Wir haben das kaskadenartig ausgerollt. Im November haben wir unseren Top-100-Führungskräften erste Eindrücke gegeben, wo wir stehen. Wir haben dann zum Launch in Essen einen Playmaker-Tag durchgeführt, auf dem wir für die Mitarbeiter Aktivierungsmaßnahmen angeboten haben. Unter anderem haben wir eine Bühne aufgebaut, auf der wir diskutiert haben, was es bedeutet, Playmaker zu sein. Unser CEO hat die Mitarbeiter in einem live ausgestrahlten Video von der „E-world“ (Anmerkung: Energiemesse in Essen) adressiert. Im Moment bereisen meine Mitarbeiter alle europäischen Units, um auch sie einzubinden und zu erklären, wo wir stehen. Wir können von Essen aus den Rahmen setzen. Es lebt aber alles von der lokalen Aktivierung.

Eine Ihrer Aufgaben wird es sein, eine Verbindung zwischen der Unternehmens- und der Markenstrategie herzustellen. Wie erklären Sie den Mitarbeitenden in der Kurzversion die Veränderungen?

Wir haben das Unternehmen in den letzten Jahren sehr erfolgreich neu aufgestellt. Nach den Jahren der Veränderung und Restrukturierung haben wir einen Punkt erreicht, an dem wir neues Wachstum erzeugen können. Wir schalten um von Restrukturierung und Transformation auf Wachstum. Deswegen reklamieren wir für uns die Rolle des Spielmachers der Energiewende.

Sie haben im Geschäftsjahr 2023 einen Konzernüberschuss von etwa 3,1 Milliarden Euro erwirtschaftet. Ihre Zahlen wurden insgesamt sehr positiv aufgenommen. Inwieweit waren die guten Geschäftszahlen Voraussetzung dafür, diesen Change anzugehen?

So eine Veränderung vollziehen Sie nicht in Phasen tiefgreifender Restrukturierungen. Das machen Sie am Ende als das Ergebnis einer Transformation. Sie machen es garantiert auch nicht mitten in einer tiefgreifenden Energiekrise, da sich Kunden dann zu Recht fragen würden, warum sich das Unternehmen damit beschäftigt und nicht mit der Aufgabe, die Krise zu bewältigen. 2022 wäre der falsche Zeitpunkt gewesen. 2023 haben wir uns die Zeit genommen, um die Markenstrategie mit dem Vorstand gemeinsam vorzubereiten. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, um es auszurollen, weil sich Europa die Frage stellt, wie das Energiesystem der Zukunft aussieht, und weil wir als E.ON eine Strategie haben, die die perfekte Antwort zu dieser Frage liefert.

Im April haben Sie eine Werbekampagne gestartet. Welche Zielgruppen stehen dabei im Fokus?

Im ersten Schritt ist es eine Corporate-Imagekampagne, die sich stark an die europäische Öffentlichkeit richtet. Hier wollen wir die Relevanz von E.ON für die europäische Energiewende herausstellen – unter anderem über die TV-Ansprache. Im zweiten Schritt wollen wir das in Form von Vertriebskampagnen in einzelnen Ländern verlängern, wo wir gezielt Endkunden mit unseren Produkten ansprechen werden.

Sind auch gezielte PR-Maßnahmen geplant?

Unser Anliegen, mit der neuen Markenstrategie die gesellschaftliche Verantwortung von E.ON deutlich zu machen, können Sie nicht über PR-Stunts vermitteln. Wir wollen in den kommenden Jahren den Beweis antreten, dass wir diese Rolle zu Recht für uns beanspruchen. Sie werden also in den nächsten mindestens fünf Jahren in der Kommunikation immer wieder Referenzen zu unserer Rolle als Spielmacher der Energiewende finden.

Nach schwierigen Jahren und viel Kritik hat sich die Wahrnehmung der Energiebranche in den vergangenen zwei Jahren verändert. Inwieweit sehen Sie sich auch als Sprachrohr für die gesamte Branche?

Interessanterweise gab es nach dem Launch genau dieses Feedback. Mir hat ein Kollege von einem anderen großen Energieunternehmen gesagt, dass wir mit dem Markenauftritt auch für die Branche vorangehen. Verbunden mit dem Satz, es sei mutig, sich so vor die Branche zu stellen.

Wir haben bereits während der Energiekrise die Strategie verfolgt, sehr aktiv in die Kommunikation zu gehen, weil wir als größter Akteur eine Verantwortung haben, den Menschen zu erklären, was passiert. Wir waren mit unserem Vorstandsvorsitzenden auf dem Höhepunkt der Krise live in den „Tagesthemen“, haben unglaublich viele Interviews gegeben und Hintergrundformate mit der Politik gemacht, weil wir der Überzeugung sind, uns als größter Energieversorger der Republik in einer solchen historischen Situation nicht zurückhalten zu können. Viele Menschen hatten 2022 Sorgen und Ängste. Wir sehen uns in so einer Situation in der Rolle, einen starken Beitrag zur Aufklärung zu leisten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Wandel. Das Heft können Sie hier bestellen.