Wie man einen Führungswechsel vergeigt, das ließ sich beim FC Bayern München beobachten. Der größte Fußballclub Deutschlands war im März auf Kurs, drei von drei möglichen Titeln zu gewinnen. Trotzdem setzten die Verantwortlichen Trainer Julian Nagelsmann Ende März vor die Tür. Sein Nachfolger Thomas Tuchel verantwortete dann innerhalb weniger Wochen das Aus in zwei Wettbewerben. Im Nachhinein wusste keiner so recht, was dieser Tausch sollte. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, flogen dann zwei Monate später auch noch der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidžić raus, was, nur Minuten nachdem der Verein doch noch den Meistertitel gewann, durchsickerte.
Es war ein personelles, aber auch kommunikatives Desaster, an dessen Ende alle Beteiligten schwer beschädigt in die Sommerpause gingen. Der Fall dürfte bald in Lehrbüchern als Beispiel dafür auftauchen, wie man den Übergang von einem Chef zum nächsten nicht managen sollte.
Führungswechsel früh kommunizieren
Jahr für Jahr tauschen Firmen ihre Führungskräfte aus, mal mit mehr, mal mit weniger Vorlauf. Manch ein scheidender CEO geht mit einer hervorragenden Bilanz, andere haben durchwachsene Jahre zu verantworten. In jedem Fall aber wollen Beschäftigte, Kunden und Geschäftspartner wissen, warum gewechselt wird und wer der Neue ist. Im besten Fall kann Aufbruchsstimmung entstehen. Wenn es schiefgeht, droht Skepsis. Die Entwicklung des Aktienkurses am Tag der Verkündung der Entscheidung ist ein Indikator über mögliche Erwartungen an den neuen CEO.
Wie also geht es richtig? Andrea Montua empfiehlt, möglichst frühzeitig mit der Kommunikation zu starten. „Bereits einige Monate vorher sollte man intern beginnen, den Wechsel vorzubereiten“, sagt die Geschäftsführerin der Kommunikationsberatung MontuaPartner Communications, die viele Führungswechsel begleitet hat. Dies sollte in enger Abstimmung mit dem Führungszirkel geschehen und nach und nach sollten alle internen und externen Stakeholder informiert werden. Es ist aber nicht nur wichtig, wann die Leute etwas zum Führungswechsel hören, sondern auch, was sie hören. Es gebe im Kern zwei parallele Prozesse, die gemanagt werden müssen, so Montua: der Abschied des Alten und die Positionierung des Neuen.
Andrea Montua © Tom Pingel Fotografie
Nachtreten verbietet sich
Auf jeden Fall sollte man sich ein Nachtreten gegenüber dem alten CEO sparen, wie es beispielsweise Uli Hoeneß bei Oliver Kahn gemacht hat. Das gilt selbst für den Fall, dass die Bilanz schlecht ist. „Bei tatsächlichen Verfehlungen, beispielsweise Korruption oder Compliance-Themen, sollten Verantwortlichkeiten benannt werden“, sagt Andrea Montua. Ansonsten falle das schnell auf die gesamte Organisation zurück. Verschwiegen werden sollte auch nicht, wenn mit dem Wechsel eine strategische Neuausrichtung einhergeht, etwa weil Sanierungsmaßnahmen notwendig sind. Dann gehe es darum, den Neuen etwa als erfahrenen Sanierer zu platzieren. „Es gilt, Leitbotschaften zu identifizieren“, sagt Montua. „Kommt der Neue, um aufzuräumen, zu konsolidieren oder um das Wachstum voranzutreiben?“ Eine Rolle spielt, ob derjenige bereits entsprechende Erfahrung in diesem Bereich hat, also etwa ein erfahrener Sanierungsfachmann ist.
Eine solche Leitbotschaft musste Michael Preuss entwickeln. Er ist Kommunikationschef bei Bayer. Bei dem Chemie- und Pharmakonzern machte Ende Mai der langjährige CEO Werner Baumann Platz für seinen Nachfolger Bill Anderson.
„Wir hatten uns sowohl inhaltlich als auch bezüglich der Kommunikationsplanung intensiv vorbereitet. Dabei hat sicherlich auch geholfen, dass wir direkt nach der Ernennung von Bill Anderson durch den Aufsichtsrat aktiv kommunizieren konnten – und nicht im Vorfeld reagieren mussten“, erklärt Preuss. Bayer ist ein börsennotierter Konzern, bei dem Wechsel an der Konzernspitze ad-hoc-pflichtig sind. Somit war klar, dass im Moment der Veröffentlichung gleichzeitig nach innen und nach außen kommuniziert werden musste.
Zur Vorbereitung war es auch hilfreich zu wissen, zu welchen Themen sich der Kandidat bislang in der Öffentlichkeit geäußert hat. „Gerade durch Social Media hat sich da viel verändert“, erläutert Preuss. Es gelte zu wissen, für welche Themen der Nachfolger in den jeweiligen Netzwerken steht. Bei Anderson sei dies relativ einfach gewesen, so Preuss. „Er war vorher bereits jahrelang bei Roche in hoher Position, seine Social-Media-Auftritte waren entsprechend professionell.“
Die Botschaft, die Preuss und sein Team dem Neuen mit auf den Weg gaben: Er sei Transformationsexperte und solle das Unternehmen für die Zukunft aufstellen. Eine Nachricht, die nach außen die nervösen Anleger beruhigen sollte. Der Aktienkurs war in den Baumann-Jahren und nach dem Monsanto-Kauf deutlich gefallen – auch wegen verschiedener Rechtsstreitigkeiten in den USA. Auf die Verkündung der Personalie reagierte der Kurs dann positiv.
Mitarbeiter informieren
Insbesondere die Mitarbeiter könnten auf so eine Nachricht aber auch mit einigen Fragezeichen reagieren, schließlich kann Transformation vieles bedeuten. „Wir haben deswegen am Tag der Verkündung intern ein Vorstellungsvideo mit Bill Anderson veröffentlicht, in dem er sich den Mitarbeitern vorstellt und sagt, was ihn an Bayer fasziniert und wofür er steht“, so Preuss. Die Reaktionen seien sehr positiv gewesen. „Natürlich hat er da noch nicht seine Pläne im Detail offengelegt, aber das erwartet zu diesem Zeitpunkt auch keiner“, analysiert der Kommunikationschef.
Eine Beobachtung, die Andrea Montua bestätigen kann. „Man sollte auf gar keinen Fall konkrete Versprechen machen, die man im Nachhinein nicht einhalten kann“, sagt sie. Die wichtigste Währung eines CEOs sei die Glaubwürdigkeit. Die dürfe nicht schon mit dem Start beschädigt werden. Wichtig sei deshalb, dass die Kommunikation nach außen wie nach innen sich nicht widerspreche. „Die Mitarbeiter sind ja nicht blöd, lesen auch Zeitung“, so Montua. Das heißt wiederum nicht, dass die Botschaften sich eins zu eins gleichen müssen. „Nach innen kann der neue CEO zum Beispiel betonen, dass ihm an Stabilität gelegen ist, nach außen wiederum erst einmal betonen, dass er sich für gesellschaftspolitische Themen einsetzen und stark machen wird.“ Das sei dann nicht das Gleiche, stehe aber auch nicht im Gegensatz. Eine solche Balance kann gelingen – sofern der Nachfolger die Botschaften glaubwürdig vertreten kann. „Wenn Sie jemanden als großen Erneuerer verkaufen, es aber nichts in seiner Biografie gibt, was darauf hindeutet, wird das Fragen aufwerfen“, sagt sie.
CEO wechselt in den Aufsichtsrat
All das sauber durchzuführen, ist schon bei einem klaren Wechsel zwischen zwei Führungskräften schwierig. Komplizierter wird es, wenn der Vorgänger das Unternehmen nicht komplett verlässt, sondern zum Beispiel in den Aufsichtsrat aufrückt. Familienunternehmen haben regelmäßig solche Situationen. „Die Mitarbeiter schauen sehr genau hin, wie sehr der Vorgänger sich dann noch einmischt“, sagt Montua. Oft sind solche Übergänge langfristig angelegt, der Nachfolger wird intern aufgebaut. Abseits dessen gelten aber dieselben Mechanismen, der neue Chef muss mit einer glaubhaften Botschaft antreten.
So geschehen ist das etwa beim Co-Working-Anbieter Design Offices. Dort schied 2020 der Unternehmensgründer Michael O. Schmutzer aus. Joachim Gripp, bis dahin COO, übernahm den Posten, ein Prozess, der bereits länger geplant war. „Wir haben uns darum bemüht, beiden Herren ein klares Profil mitzugeben“, erinnert sich Kommunikationschefin Bettina Müller. Während Gründer Schmutzer eher als kreativer und intuitiver Chef galt, sollte Gripp der sein, der gewisse notwendige Systeme und Abläufe im schnell wachsenden Unternehmen einführt. „Das war 2020 während der aufziehenden Coronapandemie auch eine Nachricht an unsere Mitarbeiter“, so Müller: „Wir wollten zeigen, dass wir für diese schwierige Phase gut aufgestellt sind.“ Als jemand, der viele Jahre bei Systemgastronomieketten wie Vapiano und Maredo in führender Position tätig war, habe Gripp diese Botschaft gut verkaufen können. Schmutzer rückte unterdessen in den Beirat auf. „Es war aber klar, dass Gripp die operative Kontrolle übernimmt“, erklärt Bettina Müller. Offene Konflikte habe es in den Folgejahren nicht gegeben. „Ich würde sagen, dass uns der Übergang damals gut gelungen ist.“
Mit seinem Übergabeprozess ist zumindest bisher auch Michael Preuss von Bayer sehr zufrieden. „Wir stehen noch am Anfang, aber das Feedback von allen Seiten ist äußerst positiv“, sagt er. Klar ist aber auch, dass irgendwann die nächsten Schritte folgen und weitere Pläne des Neuen kommuniziert werden. Die sprichwörtlichen 100 Tage Übergang hält Preuss für eine Orientierung, die aber nicht wörtlich zu nehmen ist. „Ein Unternehmen wie Bayer hat sehr viele Facetten – entsprechend gründlich ist die Einarbeitung in die entsprechenden Themen“, begründet er seine Haltung.
Kommunikationsberaterin Montua sieht keine Notwendigkeit, voreilig mit weiteren Details vorzupreschen. Aber wenn es länger dauert als erwartet, sollte das begründet werden. „Ansonsten fangen Mitarbeiter an, sich selbst einen Reim darauf zu machen“, sagt sie. Der könnte dann deutlich negativer ausfallen als gewollt. Ehrlichkeit gegenüber allen Beteiligten zahle sich im Zweifel aus. „Lügen schaden Ihrem Unternehmen langfristig und verlorenes Vertrauen wiederherzustellen erfordert enorm viel Zeit und Energie.“