„Mein Ausstieg wurde zum Selbstläufer“

PR-Aussteiger erzählen

Ich habe 22 Jahre bei der Commerzbank gearbeitet. Damals lief dort alles sehr prozessorientiert ab. Und je prozessorientierter es wurde, desto weniger Raum für Kreativität und Querdenker gab es. Ich hatte das Gefühl, kaum noch freien Spielraum zu haben: Ganz viele meiner Fähigkeiten kamen überhaupt nicht zum Einsatz.

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Ich war völlig unterfordert. Dadurch fiel mir die Arbeit zunehmend schwer. Allerdings war der Job sehr gut bezahlt, was natürlich mein Sicherheitsbedürfnis ansprach – gerade als alleinerziehende Mutter. Dieses Bedürfnis geriet immer mehr in Konflikt mit dem Gefühl, dass ich in meinem Beruf fehl am Platz war.

Letztlich bin ich über eine Krankheit ausgestiegen – über den Boreout. Mein Körper wollte nicht mehr. Morgens kam ich manchmal nicht einmal mehr aus dem Bett. Mein Arzt riet mir, eine Auszeit zu nehmen.

Bis es mir besser ging, dauerte es rund sechs Monate. Aber in dieser Zeit konnte ich meine Situation und meine Wünsche in Ruhe überdenken. Dann fällte ich eine Entscheidung. Ich kündigte. Dieser Schritt war sicherlich extrem – aber ich konnte in den nächsten sechs Monaten endlich meinen Neigungen nachgehen und investierte die Zeit in mehrere Ausbildungen, unter anderem zur EMDR-Therapeutin, was so viel heißt wie Desensibilisierung und Aufarbeitung durch Augenbewegungen.

Ich knüpfte Kontakte, es ergab sich ein toller Praxisraum und mein Ausstieg wurde zu einem wunderbaren Selbstläufer – weil ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Und heute habe ich das Gefühl, alle meine Fähigkeiten und Kompetenzen einsetzen zu können, jeden Tag aufs Neue. Ich verdiene zwar halb so viel wie früher, bin dafür aber doppelt so glücklich.“

Protokoll: Anna Gielas

 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe ALLES AUF ANFANG. Das Heft können Sie hier bestellen.

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