PR-Beauftragte fühlen sich von KI gestresst

Studie

Desinformation, Misstrauen, Polarisierung und die schnell voranschreitende Entwicklung generativer künstlicher Intelligenz – angesichts großer Herausforderungen und Veränderungen in Gesellschaft und Beruf fühlen sich deutsche PR- und Kommunikationsfachleute überfordert. Das ist ein Ergebnis der Studie „PR und Kommunikation in Deutschland 2024“ (frei nach Registrierung), die der PR-Dienstleister Mynewsdesk vorgestellt hat.

Anhand von Trendberichten, Artikeln und Untersuchungen zur PR- und Kommunikationsbranche haben die Studienautor*innen weltweit die wichtigsten Trends und Herausforderungen der Kommunikation und PR ermittelt. Anschließend wurden 200 PR- und Kommunikationsfachleute in Deutschland zur Rolle ihres Berufes in Hinsicht auf persönliche, organisatorische und gesellschaftliche Aspekte befragt. 53 Prozent der Befragten sind in Unternehmen beschäftigt, ein Drittel in Agenturen, die übrigen arbeiten im öffentlichen oder Non-Profit-Sektor. Fast die Hälfte der Befragten arbeitet in Unternehmen mit mehr als 300 Beschäftigten. Hinzu kamen Gespräche mit Branchenexpert*innen.

Fast 60 Prozent überlegen, den Job zu wechseln

Als eine große Herausforderung wird generative künstliche Intelligenz gesehen. Zwar steht die Mehrheit (knapp 60 Prozent) der Befragten den Tools gleichgültig gegenüber und gibt an, überhaupt kein Interesse an generativer KI zu haben. 78 Prozent fühlen sich in ihrer beruflichen Rolle sogar sicher im Umgang mit KI-Tools. Gleichzeitig geben mehr als 60 Prozent der Befragten an, gestresst zu sein, weil sie mit der Verwendung von generativer KI Schritt halten müssen. Fast ebenso viele machen sich Sorgen, dass ihre Kolleg*innen im Umgang mit KI besser werden als sie selbst. Bemerkenswert: Viele sehen die Entwicklung nicht nur als persönlichen Stressfaktor, sondern gar als Wendepunkt in der Branche und in ihrer eigenen Laufbahn – 57 Prozent sind der Meinung, dass die Entwicklung von generativer KI die Kommunikationsbranche in eine „Identitätskrise“ gestürzt habe. 58 Prozent geben an, dass sich ihre Rolle dadurch so grundlegend verändert habe, dass sie sogar darüber nachdenken, ihre Stelle zu kündigen oder die Branche zu verlassen.

Übersicht über die fünf Bereiche, in denen Kommunikationsfachleute am häufigsten KI einsetzen. Vor allem für Recherche und Analyse wird KI genutzt. © Mynewsdesk

Übersicht über die fünf Bereiche, in denen Kommunikationsfachleute am häufigsten KI einsetzen. Vor allem für Recherche und Analyse wird KI genutzt. © Mynewsdesk

Befragt nach der größten Herausforderung in Bezug auf organisatorische Aspekte, nannten die Fachleute die Punkte „Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden und Mitarbeiterbindung“ sowie „Hohe Arbeitsbelastung/zu viel Verantwortung“. Fast ein Viertel der Befragten (23 Prozent) bezeichnet dies als eine der größten Herausforderungen bei der Arbeit. Darüber hinaus geben mehr als 60 Prozent an, dass ihnen zu häufig Aufgaben übertragen werden, die nicht zu ihrer beruflichen Rolle passen. Daher verwundert es den Studienautor*innen zufolge nicht, dass mehr als 70 Prozent finden, ihre berufliche Rolle müsse klarer definiert werden.

Knapp drei Viertel beklagen mangelnde Wertschätzung

PR- und Kommunikationsfachleute wünschen sich allgemein mehr Einfluss im Unternehmen. Viele von ihnen haben dieses Ziel schon erreicht: Die Mehrheit gibt an, dass die Position der PR-/Kommunikationsabteilung im letzten Jahr an Gewicht gewonnen hat. Sie hat mehr Einfluss auf die Strategie, wird stärker respektiert, hat mehr Vertrauen gewonnen – und damit mehr Einfluss erlangt.

Während der größte Teil der Fachkräfte von gewachsenem Einfluss und Vertrauen berichtet, geben fast 20 Prozent an, dass sie in ihrem Unternehmen weniger respektiert und geschätzt werden als zuvor, weniger Einfluss und eine niedrigere Priorität haben. Mehr als ein Drittel der Befragten berichtet sogar, ihre Abteilung sei im letzten Jahr stärker in Frage gestellt oder kritisiert worden. Mehr als 70 Prozent der Kommunikator*innen geben an, dass sie sich zwar für sich selbst respektive ihre Abteilung mehr Einfluss in ihrem Unternehmen wünschen, dass Vorstand oder Geschäftsführung ihnen jedoch kein Vertrauen schenken oder ihnen kein Mandat erteilen.

Die fehlende Priorität wird auch als größte Herausforderung genannt, wenn Vertrauen für das Unternehmen geschaffen werden soll (30 Prozent) oder Nachhaltigkeitsthemen kommuniziert werden sollen (35 Prozent). Angesichts der Diskrepanz zwischen den Ambitionen der PR- und Kommunikationsfachleute und dem Mandat, das ihnen erteilt wird, kämpfen viele auch mit inneren Konflikten: 69 Prozent geben an, dass ihre persönlichen Werte oft mit denen des Unternehmens kollidieren oder mit dem, was sie in ihrem Beruf vermitteln müssen.

Viele meinen, PR wirke sich positiv auf die Gesellschaft aus

Die Welt werde immer komplexer, polarisierter und kritischer, betonen die Studienautor*innen. Umso bedeutsamer wird die Arbeit von Kommunikationsfachleuten. Davon sind diese selbst überzeugt: Mehr als 80 Prozent sind der Meinung, dass der Bereich PR und Kommunikation im Hinblick auf eine positive gesellschaftliche Entwicklung eine wichtigere Rolle als je zuvor spielt. Außerdem ist die Mehrheit der Meinung, dass die Rolle von PR und Kommunikation in der Gesellschaft im vergangenen Jahr wichtiger (63 Prozent) und notwendiger (55 Prozent) geworden ist.

Und obwohl viele deutsche PR- und Kommunikationsfachleute nachweisen möchten und können, dass sie einen positiven gesellschaftlichen Einfluss haben, ist das Gefühl weit verbreitet, ihre Arbeit werde in der Gesellschaft nicht geschätzt – eher im Gegenteil. So ist etwa ein Fünftel der Meinung, die Rolle von PR und Kommunikation sei in der Gesellschaft im letzten Jahr weniger geschätzt oder gewürdigt (21 Prozent) und weniger einflussreich (19 Prozent) geworden. Knapp 40 Prozent geben an, dass ihre Rolle stärker kritisiert wird.

Drei Viertel glauben, die Öffentlichkeit unterschätze die positiven sozialen Auswirkungen, die PR und Kommunikation haben können. Das gesellschaftliche Klima werde rauer, schreiben die Studienmacher*innen. Das spiegelt sich in den Ergebnissen wider: Für viele deutsche PR- und Kommunikationsfachleute gestaltet es sich schwieriger denn je, mit Verantwortung und vertrauensbildend zu arbeiten. Ganze drei Viertel der Fachleute geben an, dass die Bereiche, die mit der Kommunikation von Verantwortung zu tun haben, im letzten Jahr quantitativ zugenommen hat und komplexer geworden ist. Darüber hinaus berichten mehr als 70 Prozent der Befragten, der Umgang mit rechtlichen und regulatorischen Fragen habe im letzten Jahr einen deutlich größeren Teil ihrer Arbeit eingenommen.

Da das Thema Verantwortung zur Herausforderung wird, gestaltet sich auch die Vertrauensbildung immer schwieriger: Zwei Drittel der Fachleute sagen, dass es schwieriger denn je ist, mit Kommunikation Vertrauen zu schaffen. Neben mangelnder Priorität im Unternehmen (30 Prozent) gehört fehlendes Verständnis für die Zielgruppen (27 Prozent) zu den größten Herausforderungen bei der Vertrauensbildung.

PR und Kommunikation haben ein Vertrauensproblem, resümieren die Studienautor*innen. Damit die Arbeit und der Wert der Branche respektiert werden und man ihr vertraut, so raten die Autor*innen, sollten Fachleute deutlicher machen, was der Beruf beinhaltet und welchen Wert er hat. Dazu sollten sie konkrete Beispiele aus der Praxis liefern. Zudem sollte dem Wandel mit Neugier statt mit Angst begegnet werden, um Stress und Verzweiflung abzubauen. Künstliche Intelligenz müsse als Freund gesehen werden, um die Kontrolle über die eigene Rolle zu behalten.

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