Public Relations und das Kommunikationsmanagement als Beruf sind in Deutschland fast 150 Jahre alt. Seither gibt es in Deutschland Bestrebungen, die Branche der PR-Schaffenden zu einer wirklichen Profession zu formen. Doch erst in der jüngsten Phase seit der Jahrtausendwende kann PR auch in der Breite als vollwertige Funktion in Organisationen betrachtet werden.
Der BdKom, 2003 als BdP gegründet, ist Ausdruck dieser Entwicklung. Die Gründungsmitglieder wollten ein modernes Selbstverständnis des Kommunikationsberufs als Inhouse-Funktion etablieren, die Professionalisierung fördern, Qualitätsstandards setzen und die Sichtbarkeit nach außen erhöhen. Bereits ein Jahr nach der Gründung hatte der Verband mehr als 1.000 Mitglieder.
Neben dem Kommunikationskongress und dem Fachmagazin „pressesprecher“ etablierte das erste Verbandspräsidium auch eine Studienreihe, um Trends und Entwicklungen zu erfassen. Die Studie „Profession Kommunikator*in“ (anfangs „Profession Pressesprecher“), gemeinsam mit Universität Leipzig und später Quadriga Hochschule Berlin umgesetzt, ist heute vermutlich eine der umfangreichsten regelmäßig durchgeführten Berufsfeldstudien dieser Art in Deutschland und weltweit. Dank der Studie und ihrem Datenmaterial wissen wir viel über die Entwicklung der Profession in den letzten 20 Jahren und können in einigen Bereichen auch Zukunftsprognosen wagen.
Entwickeltes Berufsverständnis
Eine vollwertige Profession zeichnet sich durch ein ausgeprägtes berufliches Selbstverständnis aus. Kommunikationsmanagement hat im 21. Jahrhundert eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung von Informations- und Kommunikationsprozessen zwischen Organisationen und ihren Umwelten eingenommen. Empfand man sich anfangs noch als „Sprachrohr“, sehen sich PR-Schaffende heute vor allem als Mittler zwischen Organisation und Öffentlichkeit und als Beratende des Vorstands.
Ethik-Standards sind maßgeblich für eine „vollwertige“ Profession. Diese haben in den vergangenen 20 Jahre Verbreitung und akzeptierte Anwendung gefunden – etwa auch die durch Arbeit des durch den BdKom mit getragenen Deutschen Rates für Public Relations. Darüber hinaus wird im Berufsfeld auch zunehmend auf wertebasierte Kommunikation geachtet.
Strategischer Gestaltungsanspruch
In Wissenschaft und Praxis wird heute der Anspruch einer PR-Führungsfunktion formuliert. Will Kommunikation die Schlüsselrolle zwischen der Organisation und ihren relevanten Stakeholdern übernehmen, dann muss sie hierfür strategische Verantwortung und Zugriff auf entsprechende Ressourcen besitzen.
Formal ist PR in den Organisationen hoch angesiedelt, in der Regel auf der zweiten Hierarchieebene oder als Stabsstelle bei Vorstand oder Geschäftsführung. Häufig leistet die Kommunikationseinheit einen strategischen Beitrag, in vielen Fällen übernimmt sie Verantwortung für sämtliche Kommunikationsfelder. Gerade in großen Unternehmen existieren PR-Bereiche mit Vorbildcharakter. In der Breite des Berufsfeldes besteht jedoch immer noch eine Diskrepanz zwischen dem Anspruch auf strategische Mitwirkung und dem tatsächlichen Zuschnitt der Rolle.
Entwickelte Ausbildungsstandards
Die PR hat sich in den letzten 20 Jahren von einem Begabungs- zu einem Ausbildungsberuf entwickelt. Die Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten haben sich erheblich erweitert und spezialisiert. Laut Berufsfeldstudie haben 68% der Kommunikatorinnen mindestens eine PR-spezifische Ausbildung wahrgenommen. Während die berufsspezifische Ausbildung bei jüngeren Berufsangehörigen nahezu Standard ist, bleibt die Branche insgesamt ein Quereinsteigerberuf. Allerdings wird der Anteil der Quereinsteigerinnen in Zukunft weiter sinken.
Feminisierung
Im Berufsfeld ist der Frauenanteil in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gewachsen, heute sind die weiblichen Berufsangehörigen in der Mehrheit.
Inzwischen zeichnet sich diese Entwicklung auch proportional bei der Besetzung von Führungspositionen durch Frauen ab. Die in früheren Studien festgestellte Benachteiligung von Frauen – vor allem hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf scheint zurückzugehen. Es besteht jedoch immer noch ein Gender Pay Gap von 1.000 Euro brutto pro Monat. Die BdKom-Berufsfeldstudie wird die weitere Entwicklung transparent machen.
Digitalisierung: Breiteres Aufgabenfeld und neue Arbeitswelt
Kaum etwas hat den Beruf in den letzten Jahren so verändert wie die Digitalisierung. Sie hat zu völlig veränderten Kommunikationsumwelten, zur Potenzierung von Inhalten, Vernetzung von Stakeholdern, die zunehmend selbst publizieren, und zu einer massiven Beschleunigung geführt. Mit dem Newsroom haben viele Kommunikationseinheiten eine Organisationsform gefunden, um mit diesen Herausforderungen umzugehen, indem sie themenorientiert und agil steuern.
Entsprechend waren die vergangenen zwei Jahrzehnte von technischen Innovationen geprägt. Kommunikation kann zunehmend automatisiert werden. Inzwischen existieren erste Tools, die KI in die Textproduktion integrieren. Neue Rollen und Berufsbilder für digitalisierte Kommunikationsaufgaben entstanden. Eine neue Phase der Innovation steht an.
Vernetzung und Digitalisierung forcieren auch Veränderungen in der Arbeitswelt. Gerade die junge Generation der Berufsangehörigen legt Wert auf ein gutes Arbeitsklima, Freiräume, Flexibilität und Eigenverantwortung. Während der Corona-Pandemie trieben und organisierten die Kommunikationsabteilungen den Wandel, der längst nicht abgeschlossen ist.
Die Daten stammen aus der Berufsfeldstudie, die die Quadriga Hochschule und der BdKom regelmäßig durchführen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Europa. Das Heft können Sie hier bestellen.