Der Krieg in der Ukraine hat die Kommunikation von CEOs auf Linkedin verändert. Sie beziehen deutlich Stellung zu diesem Thema, aber auch zu anderen politischen Fragestellungen. CEOs bekunden Solidarität, versprechen Hilfe oder verkünden Strategiewechsel im Geschäft. Die Personen an der Unternehmensspitze nutzen Linkedin inzwischen als zentrale Plattform für die Publikation ihrer Botschaften. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie CEO-LinkedIndex 2022 der Kommunikationsagentur Palmer Hargreaves, die die Linkedin-Aktivitäten von 94 Vorstandsvorsitzenden von Unternehmen aus dem HDAX ausgewertet hat. In das Ergebnis sind Palmer Hargreaves zufolge die Bewertung von 2.200 Beiträgen, 21.200 Eigeninteraktionen und rund 1,6 Millionen Publikumsreaktionen eingeflossen. Der HDAX umfasst DAX-, MDAX- und TecDAX-Mitglieder.
An der Spitze des Rankings liegt nach dem Abschied von Herbert Diess von Volkswagen RWE-Chef Markus Krebber. Er bespiele Linkedin mit umfangreichem Content zur geopolitischen Situation und zur Energiekrise. Mit knappem Abstand folgt Manas Human, Vorstandsvorsitzender des TecDAX-Aufsteigers Nagarro. Er punktet vor allem mit Empathie, kein anderer CEO interagiere intensiver mit seinem Netzwerk. Zum dritten Mal in Folge steht auch Telekom-Chef Tim Höttges auf dem Siegerpodest. Er nutze das Medium und seine große Reichweite mit großer Souveränität, vor allem angesichts des Krieges in der Ukraine.
„Immer mehr CEOs nutzen Linkedin als Führungsinstrument, gerade angesichts der komplexen Herausforderungen unserer Zeit. Das ist oft anspruchsvoll. Doch wer sich dieser Aufgabe annimmt, schafft Vertrauen und Transparenz. Und Vertrauen und Transparenz sind die härtesten Währungen in einer Zeit multipler Krisen“, sagt Iris Heilmann, Geschäftsführerin und Inhaberin von Palmer Hargreaves.
Auf den weiteren Plätzen befinden sich CEOs, die bereits im vergangenen Jahr eine effektive Strategie der Stakeholder-Kommunikation verfolgt haben. Etwa Christian Klein von SAP, der vor allem mit gutem Storytelling und hoher Alltagsrelevanz punktet. Oder Markus Steilemann von Covestro, der als neuer VCI-Präsident seinen Kanal auch für die Industriepolitik nutzt. Beide verfolgen auf Linkedin schon seit längerer Zeit eine effektive Strategie der Stakeholder-Kommunikation.
Es gibt weitere Neuzugänge in der Top Ten: BASF-Chef Martin Brudermüller hat seine Follower-Zahl im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt und die Interaktion mit dem Netzwerk um das Fünffache gesteigert. Brudermüller hat sich vor allem zu Beginn der Energiekrise meinungsstark zu Wort gemeldet. Er belegt erstmals den siebten Rang. Neu in den Top 10 ist auch Christian Bruch: Der Vorstandsvorsitzende von Siemens Energy verdoppelt im Vergleich zum Vorjahr seine Interaktionen und katapultiert sich vom Mittelfeld auf Platz acht. Auch Allianz-CEO Oliver Bäte schafft es erstmals in die Top Ten, er landet mit krisenrelevantem Content auf Rang neun.
Ein Ergebnis der Studie: Deutsche CEOs gewinnen an Reichweite. Ihr Content wird für ihre Netzwerke relevanter. Sowohl strategisch als auch handwerklich kommunizieren viele Vorstandsvorsitzende mittlerweile hochprofessionell, sie stimmen ihren Content gezielt auf die Bedürfnisse ihrer Stakeholder ab. Dabei agieren sie immer seltener als reine Mitteilungsorgane ihrer Unternehmen, sondern teilen Einblicke aus ihrem Arbeitsalltag, erläutern ihre Ziele oder ihre Haltung.
CEOs interpretieren ihre Führungsrolle unterschiedlich: Manche treten der Studie zufolge als rationale Leader auf, andere als nahbare Gefühlsmenschen. Die Komplexität der vom Angriff Russlands auf die Ukraine ausgehenden Krise sorgt aber auch dafür, dass CEOs viele andere der großen strategischen Themen eher zurückhaltend oder gar nicht kommunizieren. Sichtbar wird das zum Beispiel in einem Rückgang der ESG-Kommunikation gegenüber 2021.
Palmer Hargreaves hat die Methode der Datenanalyse im Vergleich zu den Vorjahren verändert. Bei der Auswertung habe erstmals die Agenturtochter Exofarer unterstützt, eine Ausgründung mit Spezialisierung auf datengetriebene Kommunikation. Exofarer entwickelte für den LinkedIndex ein Data Warehouse und verschiedene Dashboards, die die Perfomance der verschiedenen CEO-Profile visualisieren.
Erstmals setzte Palmer Hargreaves bei der Analyse der großen Datenmengen auch auf Künstliche Intelligenz. Mithilfe des Large Language Models ChatGPT von OpenAI wurden sprachliche Eigenschaften der CEO-Beiträge analysiert, als Ergänzung zur inhaltlichen Untersuchung. Die KI analysierte unter anderem Sprachstil, Satzbau oder den Einsatz rhetorischer Stilmittel. In Zukunft will Palmer Hargreaves nach dieser Methode auch größere Textmengen nach komplexen Kriterien analysieren und so datengestützte Leadership-Kommunikation etablieren.