Als Alexander Vogel von der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker als Leiter des Amtes für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vorgestellt wurde, war das zeitgleich auch die Verkündung eines ambitionierten Vorhabens: Der Kommunikator sollte in seiner neuen Funktion die Strukturen des Amtes auf den Prüfstand stellen. Das war 2018. Was darauf folgte, war ein Change-Prozess. Heute, fast vier Jahre später, ist das Team von 35 auf 52 Personen gewachsen. Ein Newsroom wurde etabliert, ein neues Corporate Design gelauncht und die sozialen Kanäle wurden aus dem Dornröschenschlaf geholt. Das Newsroom-Konzept verwandelte die kanalgesteuerte in eine themenfokussierte Kommunikation, so dass im vergangenen Jahr rund 156.000 Menschen durch die sozialen Kanäle auf der Homepage der Stadt landeten. Im Jahr 2022 hatte die Seite insgesamt etwas mehr als 16 Millionen Visits mit knapp über 37 Millionen Seitenansichten.
Bei seinem Jobantritt im März 2018 war das Amt 13 noch in drei Silos unterteilt: Öffentlichkeitsarbeit, Pressearbeit und die Internetredaktion. Es gab keinen gemeinsamen Workflow und wenig inhaltliche Zusammenarbeit. Auf Facebook und Twitter wurden die Links zu den Pressemitteilungen geteilt. Das war’s. Zwei Fragen waren Alexander Vogel damals also wichtig: Wie positionieren wir die Marke der Stadt Köln? Wen sollen und müssen wir erreichen?
Die Zielgruppe
„Unsere Kernzielgruppe umfasst alle Menschen, die in Köln wohnen“, sagt Vogel. Dieser inklusive Ansatz ist ihm wichtig: „Wir haben mit rund 40 Prozent einen hohen Migrationsanteil in der Bevölkerung und seit Ausbruch des Krieges auch viele Geflüchtete, die in Köln Schutz suchen.“ Und deshalb ist er stolz auf das jüngst umgesetzte Projekt, an dem die Abteilung ein Jahr lang programmiert und gearbeitet hat: Alle 45.000 Unterseiten des Internetauftritts können innerhalb eines Augenblicks in 15 verschiedenen Sprachen ausgespielt werden. Möglich gemacht haben das der maschinelle Übersetzungsservice der Kölner Agentur DeepL und ein Programmierer im Team der Online-Redaktion. „Wir bekommen dazu derzeit sehr viele Anfragen, weil das ein deutschlandweiter Pilot ist, das hat sonst noch keine Stadt.“ Um die Tourismuswerbung und das Standortmarketing hingegen müssen Vogel und sein Team sich nicht kümmern. Das übernehmen die Köln Tourismus GmbH und die Wirtschaftsförderung GmbH.
Markenpositionierung
Gemeinsam mit der Content-Agentur Looping Group erarbeitete das Kommunikationsteam eine Kommunikationsstrategie, die Ende des Jahres 2019 folgende Vision verspricht: „Köln – die lebenswerte Metropole am Rhein – jetzt und morgen“. Ihr untergeordnet sind fünf Top-Themen, die künftig fokussierter kommuniziert werden sollen: der Ausbau von Kita und Schulen, bezahlbarer Wohnraum, Mobilität, ein sicherer öffentlicher Raum und Köln als Innovationsstandort. Ein Blick in den aktuellen Social-Media-Report der Stadt zeigt, dass das Thema „Mobilität/Verkehr“ die höchste Nutzerinteraktion ausgelöst hat: Das Community Management bearbeitete im vergangenen Jahr 13.000 Tickets zu dem Thema, 772 davon waren positiv (Lob, positive Emojis), 8.085 neutral (Verlinkungen oder Fragen) und 4.143 negativ (Kritik oder Beschwerden). Die Tickets werden für das Team von dem KI-Social-Media-Managementtool SocialHub aufbereitet.
Die übergeordnete Storyline, das Narrativ, präsentiert Köln als eine geschichtsträchtige, traditionsreiche Stadt, die sich jedoch ständig weiterentwickelt. Und so lautet das Motto der Arbeitgebermarke auch „Mach Köln!“ – mit der Aufforderung „Mach mit uns Geschichte!“. Dahinter steckt die Arbeit der Employer-Branding-Agentur Castenow, die mit ihrer Bundeswehr-Serie „Die Rekruten“ zahlreiche Preise gewann.
Zuvor hatte jede der 80 Dienststellen – vom Friedhof über das Ordnungsamt, das Jugendamt bis zum Presseamt – ihre eigene Personalwerbung. „Die direkte Ansprache unserer Personalwerbung zahlt sich aus“, erzählt Vogel. So erreichten die Stadt bereits im Jahr 2021 mehr als 10.000 Bewerbungen. Im Ausbildungsbereich kletterte die Bewerbungszahl mit über 7.400 im gleichen Jahr zudem auf ihren bisherigen Höchststand.
Das Logo
Am Ende des Corporate-Design-Prozesses stand das neue Logo der Stadt im Herbst 2022. Ohne Domspitzen! Das sorgte in Teilen der Bevölkerung, in den sozialen Medien und der Presse für einen Aufschrei. „Stadt Köln cancelt den Dom aus dem Logo“, titelt die „Welt“. Ex-Oberbürgermeister Fritz Schramma wettert in der „Bild“, ob man nichts Wichtigeres zu tun habe. Er hatte das rund 20 Jahre alte Vorgänger-Logo mit entworfen und teilt nicht das Urteil der Marktanalyse, die es als „altbacken“ bezeichnete. Auf „domradio.de“ äußert ein Domdechant Unverständnis und urteilt: „Das neue Logo und der Spruch sind beliebig.“
Entwickelt wurde das Logo von der Kommunikationsagentur Boros. Dessen Chef Christian Boros versicherte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Wenn die Stadt zum Beispiel einen Social-Media-Post macht, dann ist oben als Absender das neue Logo der Verwaltung als Hoheitszeichen mit dem doppelköpfigen Adler und ohne Dom abgebildet. Unten steht aber der weiß ausgeklinkte Dom in der roten Textfläche. Damit ist der Dom mehr Teil des Inhalts.“ Die stilisierten Domspitzen sind also weiterhin auf der Website und in visualisierten Postings zu finden.
Versuch und Irrtum
Zu Beginn der Umorganisation war das Social-Media-Team eine Stabsstelle und direkt an Alexander Vogel als deren Leitung angebunden. Schnell wurde jedoch deutlich, dass das Team enger mit der Pressestelle zusammenarbeiten sollte. Deshalb wurden das Social-Media-Team und die Pressestelle in die Abteilung Newsroom integriert. Das Novum: Die stellvertretende Amtsleitung wurde der Leitung des Newsrooms übertragen, die damit Entscheidungsbefugnis gegenüber den anderen Abteilungen erhielt. Für diese Position holte Vogel Renate Steinberg an Bord. Steinberg leitete zuvor die Social-Media-Kommunikation beim Lebensmittelkonzern Rewe. Sie verantwortet demzufolge die Pressestelle, die digitale Kommunikation und das Themenmanagement. „Ich wollte, dass wir selbst Themen setzen und zeigen, was diese Verwaltung alles leistet“, sagt Vogel. Und so wird beispielsweise zu Beginn des Jahres auf einer Pressekonferenz durch die Bürgermeisterin und die Dezernenten vorgestellt, was sie in diesem Jahr erreichen wollen. Zum Beispiel 11.500 mobile Endgeräte für Schulkinder beschaffen. Am Ende des Jahres wird Bilanz gezogen.
Überzeugungsarbeit
Der Veränderungsprozess geht nun in das vierte Jahr. In den vergangenen Jahren haben sich mehr als 1.000 Überstunden angesammelt, auch durch den Rufbereitschaftsdienst am Abend und am Wochenende und die vielen Krisen, die es galt kommunikativ zu begleiten. Deswegen wurden die Betriebsferien rund um Weihnachten um fünf Tage verlängert. 2023 werden zudem befristete Projektmanagementstellen geschaffen, denn die Europameisterschaften der Männer im Handball und im Fußball mit Spielen in Köln stehen 2024 an.
Hinzu kamen die Erfordernisse der Coronapandemie, die Folgen des Kriegs in der Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise. „Für eine Verwaltung ist der Change an sich schon ein echt dickes Brett, das gebohrt werden muss. Und dazu kam dann auch noch die Krisenkommunikation.“ Dass die sozialen Kanäle themenzentriert und durch mehr Personal betreut werden, kam gerade noch rechtzeitig: „Ohne unsere funktionierenden Kanäle und die Reichweite, die wir uns aufgebaut haben, wären wir in den Lockdowns untergegangen“, sagt Vogel.
Um die Motivation aller Beteiligten aufrechtzuhalten, sorgte Vogel stets für „Quick Wins“ in diesem jahrelangen Prozess. Das Team sollte schnell sehen: Da tut sich etwas. Ein erstes vorsichtiges Redesign der Seite wurde umgesetzt, neue Formate wie das preisgekrönte Instagram-Projekt „Wat is?“ wurden ins Leben gerufen. In den Postings werden aktuelle Themen, die die Stadtverwaltung und die Stadtgesellschaft beschäftigen, vermittelt: „Wat is? Bewegungsparcours“, „Wat is? Krisenstab“, „Wat is? Verkehrsplanung“. Instagram ist laut Vogel der wichtigste Kanal der Stadt. Mittlerweile folgen dem Account „stadt.koeln“ 59.600 Personen. Doch auch Facebook sei für die Kölner Bevölkerung wichtig, gerade wenn es um tagesaktuelle Ereignisse gehe: „Hier wird quasi jede Woche eine Weltkriegsbombe entdeckt“, erzählt Vogel. Der Evakuierungsradius und relevante Anlaufstellen werden auf Facebook gepostet und von der Community rege geteilt.
Homeoffice
Die Coronapandemie hat der Verwaltung die notwendige Hardware für hybride Meetings gebracht, im Homeoffice wird mittlerweile allerdings eher selten gearbeitet. Vogel selbst ist jeden Tag im Büro. Einzelne Teammitglieder arbeiten zwar öfter remote, jedoch ohne feste Regelung.
Die Führungskräfte werden durch die Personalberatung 3k beraten. Vogel musste sich erst einmal selbst daran gewöhnen, ein so großes Team zu führen und eben nicht jeden Tag mit jedem einzelnen Teammitglied interagieren zu können. Das sei eine ziemlich steile Lernkurve gewesen, sagt er rückblickend. Drei Menschen haben seit seinem Jobantritt das Team verlassen.
„Ich habe immer versucht, meine Entscheidungen und Gedankengänge transparent darzustellen, war aber auch immer klar in der Sache.“ Vogel wollte niemanden überreden, aber überzeugen. Er wusste: Die Verwaltung würde vom veränderten Informations- und Kommunikationsverhalten der Gesellschaft einfach überrollt, wenn sie sich nicht moderner aufstellte. Dieses Unterfangen war nicht leicht, gilt doch in der Verwaltung mitunter das ungeschriebene Gesetz: Das haben wir noch nie so gemacht, also bleibt alles, wie es ist!
Vielleicht hängt deswegen in Alexander Vogels Büro ein Plakat mit einem Pippi-Langstrumpf-Zitat, das allen, die ihn dort aufsuchen, suggeriert, was ihm wichtig ist. Darauf steht: „Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut.“
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Live und Events. Das Heft können Sie hier bestellen.