In Indien wurde ein großes Technologiecenter eröffnet. Der Panamakanal hat zu wenig Wasser für Containerschiffe. Eine Pressekonferenz zum Finanzbericht musste auf die Beine gestellt werden. Der Konkurrent MSC soll 49,9 Prozent des Hamburger Terminalbetreibers HHLA kaufen. Das sind alles Themen, die die Kommunikationsabteilung der Containerreederei Hapag-Lloyd in den letzten Novembertagen beackern musste.
„Eigentlich eine normale Woche“, sagt Kommunikationschef Nils Haupt. So sei die Kommunikation in der Logistik nun einmal. Gibt es Probleme an Land, spiegeln sich diese auf dem Wasser wider. Bricht in einem Land Krieg aus, müssen Lieferketten neu gedacht und geplant werden. Jahrelang aufgebaute Infrastrukturen können von heute auf morgen einbrechen – und dann überschwemmen die Anfragen den Schreibtisch von Nils Haupt. Er arbeitet seit rund zehn Jahren bei dem Hamburger Traditionsunternehmen Hapag-Lloyd und lenkt die Geschicke eines neunzehnköpfigen Teams. Spricht er von seiner Arbeit, fällt schnell der Name des Hamburger Reeders Albert Ballin. Dieser hat das Unternehmen Anfang des 19. Jahrhunderts zur größten Schifffahrtslinie der Welt gemacht. Sein Motto: „Mein Feld ist die Welt“. Dieses Credo gelte bis heute, erzählt Haupt: „Unser Feld ist die Welt! Wir sind überall unterwegs.“ Hapag-Lloyd belegt mit einem Marktanteil von 6,9 Prozent im weltweiten Reederei-Ranking Platz fünf. 90 Prozent des Welthandels verläuft über die Weltmeere. Insgesamt sind auf 113 Strecken 264 Containerschiffe von Hapag-Lloyd im Umlauf.
Vorbereitet, wenn Unvorhergesehenes passiert
Nils Haupt leitet seit 2014 die Konzernkommunikation von Hapag-Lloyd. Der ehemalige Radio- und Fernsehjournalist ist zudem seit Winter 2023 Bundesvorstand der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG). © Thies Raetzke Images
Auf einem dieser Frachter brach vor etwa fünf Jahren ein Feuer aus. Das Schiff war auf dem Weg nach Kanada, 321 Meter lang mit Platz für 7.500 Container. Acht Offiziere und 15 Seeleute waren an Bord. Es herrschte schlechtes Wetter, die Küste war in weiter Ferne – ein Horrorszenario für einen Reederei-Kommunikator. Haupt war damals im Urlaub. Bei seinem Pressesprecher Tim Seifert standen die Telefone wochenlang nicht still. „Man denkt bei jeder neuen Entwicklung erst einmal an die Seeleute an Bord“, erinnert sich der 49-Jährige. Sein Chef sei auch aus dem Urlaub heraus bei Bedarf für ihn erreichbar gewesen. Rund 500 Presseanfragen musste Seifert in dieser Zeit schultern. Am Ende ging alles gut.
„Bei uns geschieht ständig Unvorhergesehenes“, sagt Haupt. Deswegen sollte sich seine Abteilung verändern, damals 2018. Das Team musste schneller werden. Monatelang diskutierten sie mit der freien Beraterin Mirjam Rolfe darüber, was gut läuft und was verbessert werden könnte; etwa die teamübergreifende Zusammenarbeit. „Wir waren einfach viel zu sehr voneinander abgeschottet und haben in Silos agiert“, erzählt Haupt. Es habe kein richtiges Teamgefühl gegeben, die Planung fehlte. Dadurch sei es oft auch zu Doppelarbeiten gekommen, weil sie nach Zielgruppen gearbeitet haben. Es gab drei Teams: Events und Branding, interne Kommunikation und externe Kommunikation und das Team, das historische Kommunikation umgesetzt hat. Diese drei Silos wurden dann abgeschafft.
Langfristige Themenplanung mit Newsroom-Konzept
Kurz vor Pandemieausbruch im Jahr 2020 führte die Kommunikationsabteilung dann mit Unterstützung der auf Newsrooms spezialisierten Agentur Mediamoss das neue Konzept ein. Es gibt seither drei Bereiche: den Content Hub, den Editorial Hub und den Media Hub.
Im Content-Hub versammeln sich die Verantwortlichen für das jeweilige Vorstandsressort und das Archiv; die so genannten Themenmanager. Der Editorial Hub ist für Planung und Evaluation zuständig. Chef vom Dienst ist Pressesprecher Tim Seifert. Im Media Hub gibt es sieben Kanalverantwortlichkeiten: Kundenkommunikation, das Mitarbeitermagazin „Logbook“, Social Media, Events, Markenkommunikation, die Website und das Intranet. Die Themenprofis stellen also die Inhalte zusammen und geben sie an die Kanalmanager weiter, die sie dort als Linkedin-Post, Newsportal-Artikel oder Instagram Story weiterverarbeiten. Auf Instagram hat das Unternehmen 135.000 Follower, auf Linkedin sind es mehr als 560.000.
Die neue Schnelligkeit hat sich auch schon ausgezahlt. Als das „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann im Mai 2022 unter dem Titel „Seefahrtsromantik: Kakerlaken, Hunger und Ausbeutung“ darüber berichtete, warum Reedereien „so absurd wenig Steuern“ zahlen, konnte das Team rasch reagieren. „Das Format war uns ja bekannt“, sagt Tim Seifert. „Insofern war die Sendung nicht überraschend und im Rahmen unserer Erwartungen.“
Viermal die Woche checkt das Team in einem Auftakt-Call um 09:30 Uhr ein und bespricht die Themen des Tages. Es gibt eine exakte Tages-, Wochen-, Quartals- und Jahresplanung. Alle sollen wissen, woran die anderen arbeiten.
„Es hat drei Jahre gedauert, bis wir alle Prozesse verinnerlicht haben“, sagt Haupt. Wichtig ist ihm, dass sich jede Person einbringt. Hapag-Lloyd ist ein wichtiger Player in Sachen Welthandel und Geopolitik. Der Kommunikationschef erwartet also von seinem Team, immer das große Ganze im Blick zu haben und neugierig zu sein. Es gebe immer wieder technische Neuerungen oder Regeländerungen innerhalb der Länder. Das müsse das Kommunikationsteam auf dem Schirm haben und hier im engen Austausch mit den Fachbereichen sein. Zudem gibt es den Creative Friday als festen wöchentlichen Termin, in dem jedes Teammitglied Themen setzen kann, die dann gemeinsam entwickelt, kommentiert und besprochen werden. Doch Austausch heißt auch: Der Terminkalender ist randvoll. Deshalb wurde recht schnell der Mittwoch als meetingfreier Tag eingeführt.
Das Wesen des Newsrooms ist Vertrauen, das mit einer großen Freiheit einhergeht. Das bedeutet auch hohe Verantwortung für alle. Um dem einen Rahmen zu geben, werden Themen langfristig geplant. Die Kanalverantwortlichen sollten sich auch nicht beirren lassen von Ad-hoc-Anfragen. Die müssten dann auch einmal warten, sagt Haupt. Die Planung wird nicht ohne Grund umgeschmissen. Ansonsten entschlackt der Kommunikationschef Prozesse, in dem er nicht auf alles ein Auge hat, bevor es raus geht. Nur bei wichtigen Vorstandsthemen möchte er wissen, was besprochen wird. Auch die Mitarbeiterzeitung liest er gern gegen. Dafür geht der Newsletter nicht über seinen Tisch.
Besprechung der Themen des Tages. Die Kommunikationsabteilung arbeitet nach dem Newsroom-Konzept mit den drei Säulen Content Hub, Editorial Hub und Media Hub. © Thies Raetzke Images
Regelmäßiges Feedback von außen
Haupt und Seifert holen sich regelmäßig Feedback von außen, etwa von anderen Fachabteilungen. Aber auch von Journalistinnen, Analysten oder anderen Kommunikationsprofis. CEO Rolf Habben Jansen kommt ebenso mal für eine Stunde vorbei. Dann ist es jedoch andersherum, das Team löchert ihn mit Fragen. Zum Beispiel, wie er die Arbeit der Abteilung bewertet oder warum sie nicht mehr Leute bekommen.
Was die Leistung betreffe, habe er sich noch nie beschwert, erklärt Haupt. Als Antwort auf die Personalfrage gibt es dann meist Budget für freie Mitarbeitende und die Zusammenarbeit mit Agenturen. Sie unterstützen vor allem bei der Content-Produktion. „So kriegen wir das dann alles auch ganz gut hin“, bilanziert Haupt. Dennoch seien sie zu wenig Leute für zu viele Aufgaben. Der Druck ist hoch. „Wir könnten noch 20 Leute einstellen und hätten immer noch zu viel zu tun – insofern gilt es, kontinuierlich zu priorisieren“, sagt Haupts Companion Tim Seifert. Das Strategie-Team bereitet also detaillierte Pläne vor und setzt Schwerpunkte. Hier wird auch der CEO stark eingebunden.
Jeden Winter gibt es eine große Klausurtagung in Präsenz. Dann zieht sich das ganze Kommunikationsteam inklusive der Werkstudenten in ein Tagungshotel zurück. Dort wird das ganze Jahr durchgeplant und das Zusammenspiel der Kommunikationsabteilung bewertet.
Andauernde Transformation der Kommunikation
Ein großes Thema für die Abteilung wird die Kommunikation rund um eine neue Mittelfriststrategie sein. In der aktuellen Strategie gibt es vier Säulen: Hapag-Lloyd will die Nummer eins für Qualität sein, Profitabilität im Strategiezeitraum gewährleisten und Wachstum in ausgewählten Märkten erreichen. Zusätzlich muss die Flotte modernisiert werden, um bis 2045 klimaneutral zu sein. Stark beschäftigt die Unternehmenskommunikation aber auch weiterhin die Transformation des eigenen Bereichs. Sprich: KI-Tools rund um Texterstellung, Bildbearbeitung und Übersetzungen zu testen und einzuführen. Sie sollen Haupt und seinem Team zu mehr Effizienz verhelfen. Der Kommunikationschef hadert etwas mit den Neuerungen. „Ich bin noch mit dem Fax groß geworden“, sagt der 60-Jährige. „Ich bin nicht so spielerisch unterwegs wie die jüngeren Kollegen, die sich mit all dem gut auskennen“, sagt er. Dafür könne er aus dem Stand eine CEO-Rede schreiben.