Mit Spielfiguren zur Love Brand

Spielzeughersteller Schleich

Schleich-Kommunikatorin Kristin Malbrant bekommt oft Fanpost. Zum Beispiel vom kleinen Arthur: „Liebe Firma Schleich, ich hätte gern, dass iher wieder Hyänen herstellt. Weil ich gern Könik der Löwen schpielen möchte.“ Das Produktteam durchwühlte den Fundus und fand eine Hyäne, die es dem Jungen dann schickte. Auf Malbrants Linkedin-Account erreicht das Posting dazu mehr als 5.000 Likes. Normalerweise geben ihre Follower eher 50 bis 150 Daumen-hoch. Schleich ist eine Love Brand, eine Marke, die Nostalgie bei Erwachsenen auslöst und Kinderherzen höherschlagen lässt.

Das ist es, was die 32-jährige PR-Expertin an ihrem Job bei dem schwäbischen Spielzeugfigurenhersteller liebt: „Wir verkaufen Spielfiguren, aber eigentlich machen wir Kinder glücklich“, sagt Malbrant. In Deutschland muss sie die Marke nicht erklären, Journalist*innen erzählen ihr oft von ihren Berührungspunkten mit den Figuren.

Tabula rasa

Als die Kommunikatorin vor rund eineinhalb Jahren zu Schleich kam, musste das Unternehmen schon 16 Monate lang ohne eine Kommunikationsverantwortliche zurechtkommen. Produkt- und Brand-PR lagen in den Händen der Agentur Uhlmann PR, die auf Kinder und Familien spezialisiert ist. Es gab zwar Veröffentlichungen und Interviews rund um Umsatz, Spielwert und Produkte, aber eine Strategie ließ sich so nicht verfolgen. „Hier gab es Potenzial“, sagt Malbrant heute und lacht. Dafür sei die HR-Abteilung sehr professionell aufgestellt gewesen.

Pferde, Einhörner, Dinosaurier – die Schleich-Figuren sind vielfältig. Die Produktwelten gehen mit dem Zeitgeist: So gibt es auch Harry-Potter-Figuren oder es werden auch schon mal über Nacht pinke Löwen mit Perlenkette und Rock gebaut – als Reaktion auf den Barbie-Trend. © Darren Jacklin

Pferde, Einhörner, Dinosaurier – die Schleich-Figuren sind vielfältig. Die Produktwelten gehen mit dem Zeitgeist: So gibt es auch Harry-Potter-Figuren oder es werden auch schon mal über Nacht pinke Löwen mit Perlenkette und Rock gebaut – als Reaktion auf den Barbie-Trend. © Darren Jacklin

Malbrant ist zu jener Zeit vom Kosmetikhersteller L’Oréal abgeworben worden. Schleich-CEO Dirk Engehausen brauchte dringend eine professionalisierte Kommunikation. Er hatte viel vor. Der 58-Jährige kam 2015 vom Spielwarenhersteller Lego zu Schleich und hatte klare Ziele: Internationalisierung, Innovation, Wachstum. Vom Local Hero zur globalen Love Brand. Ganz im Interesse und mit der Unterstützung der Private-Equity-Gesellschaft Partners Group, die seit 2019 die Mehrheit der Anteile hält.

Die Unternehmerfamilie hat sich schon 2006 zurückgezogen. Mit dem Führungswechsel ist der Umsatz stark gestiegen: 2022 setzte Schleich 275 Millionen Euro um. Sieben Jahre zuvor war es nur rund die Hälfte. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt, es wäre, als hätte Engehausen das 1935 gegründete Unternehmen wach gezaubert. Die Tageszeitung spielt damit auf die neue Spielewelt rund um die Zauberwelt von Harry Potter an und nennt den Schleich-Chef sogleich euphorisch „den Zauberlehrer von Schwäbisch Gmünd“. Die Spielewelten, die komplette Szenarien darstellen und damit stärker zum Kauf anregen, als wenn es nur eine einzelne Figur gäbe, sind das Erfolgsrezept für das Wachstum. Das Pferd braucht einen Stall, der Stall hat noch mehr Platz, also müssen mehr Pferde oder sonstige Tiere her.

Schleich ist im Verhältnis zu den Wettbewerbern mit einem Marktanteil von rund vier Prozent ein kleiner Fisch am deutschen Spielemarkt. Dafür hat das Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeitskommunikation eine Share of Voice von 15 Prozent und auch in der Wirtschaftspresse eine hohe Präsenz: Dirk Engehausen war innerhalb von einem Jahr in allen großen Wirtschaftstiteln vertreten. 20 Interviews hat er gegeben. 6.000 Veröffentlichungen gab es insgesamt. Doch bis dahin war es ein arbeitsreicher Weg.

Die Strategie

Als Malbrant das Unternehmen in ihren ersten Wochen analysierte, fiel ihr schnell auf: Eine Strategie musste her, die engere Zusammenarbeit mit dem Marketing etabliert, die interne Kommunikation aufgepäppelt werden. Und wo sind die Kennzahlen? Die Zielgruppe der Spielwarenbranche ist dabei speziell: Es müssen immer zwei bedacht werden: die Eltern, die die Kaufentscheidungen treffen, und die Kinder, die die Produkte haben wollen.

Nach einer SWOT-Analyse hat Malbrant die Ergebnisse in ein strategisches Planungsmodell OGSM überführt und drei Ziele festgelegt: die Reputation schützen und ausbauen, allen voran in den Fokusmärkten Deutschland, USA und Frankreich, und ein konstantes globales Messaging etablieren. Zudem sollte das Unternehmen als Vorreiter im Bereich ESG positioniert werden.

Interne Kommunikation geht vor

„Eines habe ich in meiner Laufbahn gelernt, gerade wenn es um eine Transformationsgeschichte wie die von Schleich geht: Interne Kommunikation ist der Anfang von allem“, sagt Malbrant. Also gab es auch hier Ziele: Die Mitarbeiter*innen sollen informiert, inspiriert und emotionalisiert werden. Mit Inspiration meint Malbrant Pioniergeist, das Feuer wecken, eine Test-and-learn-Kultur leben. Emotionalisieren hingegen bedeutet Begeisterung für das eigene Produkt. Die eigenen Angestellten sollen genauso stolz auf das Unternehmen sein wie die Kinder, die dem Customer Service tagtäglich Fanpost schreiben. Schleich führt beispielsweise von Herbst an einen Ehrenamtstag ein, an dem Mitarbeitende freigestellt werden, um benachteiligten Kindern zu helfen. Die Resonanz sei groß, sagt die Kommunikatorin.

Schleich stellt in seinem Markenauftritt Kreativität und das Entwickeln eigener Ideen in den Mittelpunkt. © Schleich

Schleich stellt in seinem Markenauftritt Kreativität und das Entwickeln eigener Ideen in den Mittelpunkt. © Schleich

Malbrant ist außerdem Teil des Marketing-Leadership-Teams, um die Einheitlichkeit der Produkt- und Markenkommunikation im Blick zu haben. Drei Botschaften sollen stets transportiert werden: die Business-Transformation – vom lokalen Spielzeughersteller zur globalen Love Brand –, die ernsthaften Nachhaltigkeitsbemühungen und der edukative Mehrwert des Spielens. Warum ist Schleich ein gutes Spielzeug? Hier hat Malbrant gleich eine Botschaft parat: „Wir haben das untersuchen lassen: Unsere Figuren sind an sich schon nachhaltig. 98 Prozent heben ihre Schleich-Figur auf, um sie später als Erwachsene weiterzugeben.“ Durchschnittlich hält ein Spielzeug in Europa laut Bundesumweltamt lediglich 3,7 Jahre.

Aktuell tüftelt die Produktion unter der Ägide von Nachhaltigkeitschef Philipp Hummel an einer neuen Materialmixtur für Pferde, Dinosaurier und Co. Dafür öffnet Malbrant auch schon mal die heiligen Hallen der Produktion für die Presse. „Das machen andere Spielzeugunternehmen nicht“, sagt sie. Aber ihr sei Transparenz wichtig. Durch den Verzicht auf Kunststoffsichtfenster in den Verpackungen wurden in einer Produktlinie bereits 15 Tonnen Kunststoff pro Jahr gespart. Bei den Adventskalendern verringerte sich durch den Austausch eines Kunststoffträgers mit einem aus Pappe der Kunststoffbedarf um fast 40 Tonnen jährlich.

Agenturunterstützung

Die Medien-Clippings und Analysen bekommt Malbrant von Unicepta. Bei Strategie, Content und generell im Tagesgeschäft unterstützt sie weiterhin die Agentur Uhlmann PR. Auch die internen Kanäle sind mit Hilfe der Arbeitsteilung mit HR aufgeblüht: Es gibt einen monatlichen CEO-Newsletter inklusive Video-Update, quartalsweise Townhall-Meetings und externe Vorträge zu Zeitgeistthemen. In den Chatgruppen verabreden sich Standort-Teams mittlerweile zu gemeinsamen Aktivitäten. Eine Grafikagentur hat außerdem für einen kompletten Brand Relaunch inklusive neuen Logos gesorgt: Seit Sommer vergangenen Jahres wurde aus dem schwarzen Schriftzug eine weiße Typo auf rotem Grund. Der Claim wechselte von „the world in your hands“ zu „where the story begins“ – ein Kraftakt der Marketingabteilung, die dafür Unterstützung von zwei Agenturen hatte. Das war vor Malbrants Jobantritt.

Um sich die volle Arbeitswoche zu erleichtern, fährt sie den Ansatz, die Teams zu befähigen, selbst zu handeln: Sie formulierte kommunikative No-Gos, setzte Guidelines für die Social-Media-Kanäle um, legte Regeln für die externe Kommunikation fest und schrieb einen Fahrplan für mögliche Krisensituationen.

Was wäre eine Krise? „Am schlimmsten wären Sicherheitsproblematiken. Etwa, dass ein Kind Teile verschluckt“, sagt Malbrant. Doch das sei noch nie passiert. Sie habe bislang keine Krise bei ihrem Arbeitgeber erlebt. Gerüchte zu einer möglichen Übernahme von Playmobil musste CEO Engehausen zwei Monate vor ihrem Jobantritt selbst parieren. In solchen Fällen arbeitet Schleich eng mit dem Presseteam des Finanzinvestors zusammen.

Aktuell ist nun HR gefordert, denn seit Kurzem ist bekannt, dass der CEO das Unternehmen verlassen wird. So hat es das „Manager Magazin“ in seiner August-Ausgabe berichtet. Malbrant möchte sich dazu nicht äußern. Dirk Engehausen, der Zauberlehrer, hinterlässt den fast 450 Mitarbeitenden zumindest ein Unternehmen im besten Zustand.


Das Unternehmen

Schleich ist ein international tätiger Spielzeugfigurenhersteller mit Sitz in Schwäbisch Gmünd. Der Mittelständler wurde in den Siebzigerjahren bekannt durch seine blauen Schlumpf-Figuren. Im Jahr 2013 schied der letzte Familiengesellschafter aus. Seit 2006 ist die Schleich Group mehrheitlich im Besitz von Private-Equity-Gesellschaften. Weltweit arbeiten 450 Menschen für den Mittelständler, 350 davon in Deutschland. Hier finden auch noch kleine Teile der Produktion statt. Gefertigt wird sonst überwiegend bei Zulieferern in Portugal, Osteuropa, Tunesien und Asien. 2022 wurden über 40 Millionen Spielfiguren verkauft.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Beratung. Das Heft können Sie hier bestellen.