Nicht enden wie Gottschalk

Kommunikationskongress

Du hast angekündigt, den Kommunikationskongress nicht mehr moderieren zu wollen. Was sind die Gründe dafür?

Drei Körperteile, drei Motive. Der Kopf sagte: Der 20. Geburtstag ist ein guter Zeitpunkt, weil wir – Kommunikationskongress heißt immer „wir“ – alle gehabt haben: jedes Thema, jeden Trend, alle erdenklichen Keynote-Speaker*innen. Der Bauch sagte: Alte weiße Männer, die notorisch auf Bühnen rumspringen, gibt es mehr als genug. Wer will schon wie Gottschalk enden? Und das Herz sagte schließlich: Solange ein Abschied weh tut, ist der ideale Zeitpunkt nicht verpasst. Der Gedanke tat weh. Also los. Am meisten vermisse ich schon jetzt die Regisseurin Lejla und meine sehr geduldigen Betreuerinnen, die mich immer pünktlich auf die Bühne gezerrt haben.

Wie haben sich die Kommunikationsbranche und die Teilnehmer sowie Speaker aus deiner Sicht in den vergangenen 20 Jahren verändert? Inwieweit haben die Veränderungen deine Moderation beeinflusst?

In den ersten Jahren dominierten auf der Bühne und im Publikum jene Silberrücken in Anthrazit, die ein dickes Telefonbuch hatten und ein noch dickeres Spesen-Budget. Die Borchardt-Brigade halt. Seither ist die Branche professioneller geworden: jünger, weiblicher, zeitgemäßer. Spannend waren für mich die wechselnden Wellen: Ging es dem Land und der Konjunktur gut, wurden eher esoterische Themen wie Purpose verhandelt. Kaum schwächelte die Konjunktur, wurden die Themen schlagartig wieder härter. Amüsant fand ich auch das Kommen und Gehen von Trends. Kaum hatte der letzte Mittelständler im Sauerland seinen Newsroom oder einen Tiktok-Kanal eingerichtet, wurde auf dem K-Kongress verkündet, dass sowohl Newsrooms als auch Tiktok der letzte Quatsch seien. Auch die Versuche, vor allem von Konzernen, sich als perfekte Maschinen oder als total nachhaltigkeitsbewusste Öko-Freaks darzustellen, fand ich oft putzig.

Was hat dir auf der Bühne am meisten Spaß gemacht?

Als Moderator hast du zwei Pfade zur Auswahl: Entweder machst du die Märchenstunden mit und nickst artig, wenn die Vertreter eines Unternehmens dir vorschwärmen, wie sozial, nachhaltig und mitarbeiterfreundlich dort alles organisiert wird. Das bedeutet intellektuell oft eine leichte Unterforderung. Oder aber du nimmst eine liebevoll skeptische Haltung ein. Von wegen: Ich sehe deinen Schmerz, Schwester, dass du der Welt hier fantastische Geschichten erzählen musst, die du selbst nicht glaubst. Das gehört nun mal zu deinem Job. Ich habe mich entschieden, stets den großen weißen Elefanten im Raum zu adressieren, den sowieso jeder sieht. Und der heißt: In Wirklichkeit geht es um Zahlen. Auch Kommunikation dient am Ende zuerst dem Umsatz.

Welche Highlights oder Kuriositäten sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Alles, was die Teilnehmenden aus ihrer Komfortzone gerissen, zum Nachdenken und Reflektieren angeregt hat. Gerade in den ersten Jahren gab es Speaker, die sich die Branche klug und mutig vorgeknöpft haben. Roger Willemsen war so einer. Und natürlich das Publikum – das beste der Welt. Die Leute haben jeden Quatsch mitgemacht: Wir haben gemeinsam gesungen, sogar einen Kanon aus 1.500 Kehlen. Oder Kriegstänze aufgeführt – epische Momente, die dieses magische Wir-Gefühl erzeugen, das jeden guten Kongress ausmacht.

Inwieweit hat der Kongress deinen journalistischen Blick auf Kommunikation verändert?

Mein Mitgefühl ist gewachsen. Wir Journalist*innen gucken ja manchmal neidisch auf die andere Seite. Viele Kolleg*innen haben inzwischen rübergemacht, weil sie im Journalismus keine Zukunft sehen. Bei mir war es genau andersherum: Am Ende jedes einzelnen Kongresses herrschte in mir wieder dieses Gefühl: Die Kommunikator*innen haben es auch nicht leicht. Würdest du tauschen wollen? Nö. Du, also ich, bist genau richtig dort, wo du bist.

Gibt es bestimmte Projekte, die du in den nächsten Monaten besonders vorantreiben willst? Deinen Podcast oder deine Kolumne zum Beispiel?

Als Freiberufler gibt es für mich nicht diesen einen Tag, wenn der Job endet und der Ruhestand beginnt. Ich werde schreiben, bis ich tot umfalle. Im Alter würde ich gern zeitlosere Themen bearbeiten, wie wir es in unserem „Mutmachpodcast“ für die Funke Mediengruppe schon machen. Es tut meiner Eitelkeit außerdem gut, wenn junge Kolleg*innen um Rat fragen. Dann fühle ich mich wie Gandalf, der dem Nachwuchs selbstlos als Mentor dient. Und dann bin ich, eher zufällig, während der Pandemie ins Krimi-Gewerbe gestolpert. Im Frühjahr 2024 kommt bei Droemer Knaur der erste Band eines ganz neuen Genres: der Läufer-Krimi. Achtung Wortspiel: Die Reihe heißt „Laufende Ermittlungen“ und der Kommissar „Peer Pedes“. Lustig, oder? Ich schreibe zusammen mit dem wunderbaren Drehbuchautor Michael Meisheit und stelle begeistert fest, wie befriedigend gemeinsames Arbeiten sein kann. Mit meinen Erfahrungen aus 20 Jahren K-Kongress könnte man einen Fall im Kommunikator*innen-Milieu spielen lassen. „Der Killer auf dem K-Kongress“ klingt schon mal ganz vielversprechend. Und am Ende stellt sich heraus, dass der Täter ein abgehalfterter Moderator ist.

Hinweis: Volker Thoms hatte Schumacher die Fragen schriftlich zukommen lassen und wollte ursprünglich einen nachrichtlichen Artikel schreiben. Nach Erhalt der Antworten entschied er in Absprache mit Schumacher, Fragen und Antworten im Wortlaut zu veröffentlichen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Intern. Das Heft können Sie hier bestellen.