Digital wiedererweckt

Corporate Influencer

Katharina macht, was Corporate Influencer tun: Sie gewährt ihren rund 8.000 Followern auf Linkedin regelmäßig Einblicke in den Alltag ihres Unternehmens, stellt Kolleg*innen und Themen vor, spiegelt mit einem Mix aus Texten, Bildern (häufig Selfies) und Videos die Unternehmenskultur wider. So weit, so gewöhnlich. Nur: Katharina gibt es eigentlich gar nicht. Beziehungsweise nicht mehr. Denn Katharina von Württemberg ist vor mehr als 200 Jahren gestorben. Für eine Employer-Branding-Kampagne hat die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ihre königliche Gründerin virtuell wiederauferstehen lassen.

Historie – das weiß Angela Brötel, Leiterin Konzernkommunikation, Marketing und Vorstandsstab bei der LBBW – ist ein besonderer Attraktivitätsfaktor. Die Geschichte eines Unternehmens verleiht ihm einen distinktiven Charakter. Angesichts von Arbeitskräftemangel und demografischem Wandel muss sich auch die LBBW abheben. Gemeinsam mit der Agentur Scholz & Friends entwickelte die integrierte Kommunikations- und Marketingabteilung der Bank seit dem Frühjahr 2023 eine Kampagne mit Fokus auf Linkedin. Umgesetzt wurde die Kampagne mit einem Volumen von rund 800.000 Euro von Oktober bis Dezember. Ein Viertel des Budgets entfiel auf die virtuelle Markenbotschafterin Katharina von Württemberg.

Der Claim #NeuesSchaffen soll zweierlei vermitteln. Zum einen sieht sich die Bank als Innovationstreiberin, die die Transformation der deutschen Wirtschaft begleitet und sich intensiv mit Trends wie etwa dem Metaverse oder künstlicher Intelligenz beschäftigt. Zum anderen steht der menschliche Aspekt im Fokus. Brötel: „Wir sind ein Großkonzern, aber ein menschlicher. Bei der LBBW kennt und trifft man sich persönlich, menschlich sein zeichnet uns aus.“ Das Wort „schaffen“ verweist zudem auf die regionale Verortung und Arbeitskultur im Unternehmen, die auf den Prinzipien von New Work fußt.

Angela Brötel leitet seit September 2022 den Bereich Konzernkommunikation, Marketing und Vorstandsstab bei der Landesbank Baden-Württemberg. © Endré Dulic

„Wir sind innovativ und trauen uns was. Deswegen haben wir Katharina mittels künstlicher Intelligenz zum Leben erweckt“, sagt die Kommunikationschefin. Katharina von Württemberg war als Gründerin der LBBW schon häufiger in der Kommunikation präsent. Als es darum ging, wie die Botschaften transportiert werden sollten, fiel auf: „Katharina verkörpert all das, wofür wir stehen.“ Das Menschliche, das gesellschaftliche Engagement zum Beispiel: Katharina gründete die Bank, um eine Hungersnot zu bekämpfen. Dass sie damit eine weibliche Gründerin war, mit 30 Jahren jung dazu, passt in die heutige Zeit.

Avatar auf ­Mitarbeiterfest 

Ihren ersten großen Auftritt hatte Katharina auf einem Mitarbeiterfest der LBBW-Gruppe Ende Oktober, bei dem sie für ein Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden quasi live hinzugeschaltet wurde. Zuvor gab es ein Fotoshooting für klassische Kampagnenmotive. Bei dem Shooting wurde mit einem Bodydouble gearbeitet. Anschließend wurde anhand eines historischen Gemäldes der virtuelle Avatar erschaffen. Perlenohrringe, Rüschchenbluse, Hochsteckfrisur – ihr Aussehen hat „Anklänge an alte Zeiten, aber sie wirkt wie eine moderne, toughe Frau“, meint Brötel. Das Design stammt von Scholz & Friends. Eine Mitarbeiterin aus der Personalabteilung leiht Katharina ihre Stimme. Wenn die Markenbotschafterin in einer realen Umgebung auftritt, etwa als Gast im Podcast des baden-württembergischen Finanzministers, schlüpft diese in die Rolle von Katharina. Die Linkedin-Posts erstellt eine Mitarbeiterin aus dem Kommunikationsteam. Die grobe Richtung wird in Redaktionskonferenzen abgestimmt.

Die LBBW ist mit ihrer virtuellen Corporate Influencerin eine Vorreiterin in Deutschland. Virtuelle Influencer liegen im Trend. Dem meistgefolgten Avatar „Lu do Magalu“, 2009 von einem brasilianischen Einzelhändler ins Leben gerufen, folgen allein auf Instagram mehr als sechs Millionen User. In Deutschland sind virtuelle Influencer bislang rar, aber seit generative KI für jeden zugänglich geworden ist, dürfte es in Zukunft mehr von ihnen geben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Virtuelle Influencer sind jederzeit verfügbar und frei von Makeln – Skandale sind ausgeschlossen. Natürlich stellt sich die Frage, wie glaubwürdig Markenbotschafter sind, die keine Ecken und Kanten haben. Bei Katharina sieht das anders aus. Die historische Person, die von 1788 bis 1819 lebte, hatte eine teils tragische Biografie, beispielsweise verstarb sie jung nach schwerer Krankheit. Geschichten wie diese werden auf Linkedin nicht gänzlich erzählt, aber auch nicht völlig ausgeklammert. „Es war uns wichtig, an der Stelle transparent zu sein, um eine authentische und damit glaubwürdige Influencerin zu schaffen“, sagt Brötel.

Es stellt sich auch die Frage nach der ethischen Verantwortung. Eine Tote zum Leben zu erwecken, ist das eine. Das Haus Württemberg, die Nachfahren von Königin Katharina, habe das Projekt unterstützt und gefördert. Das andere ist, ob in Zeiten von Fake News und Deepfakes eine virtuelle Influencerin ein eigenes Linkedin-Profil haben sollte. Zwar ist Katharinas Profil als Unternehmensseite angelegt, aber wer nicht genau hinschaut, könnte Gefahr laufen, Katharina als reale Person wahrzunehmen. Brötel entgegnet: „Wir haben Katharina bewusst nicht perfekt gemacht. Man merkt, dass sie eine KI ist. Diese Authentizität war uns enorm wichtig.“ Im Falle eines Missbrauchs sei man zudem vorbereitet, fügt sie hinzu. Bedenken hatte man eher, ob Linkedin das Profil als Fake erkennen und löschen würde.

Kampagnenziel erreicht

Bislang gebe es vorwiegend positives Feedback. Das kommt aus dem Unternehmen selbst wie auch von Kunden. Am wichtigsten ist allerdings die Zahl der relevanten Bewerbungen, die Brötel zufolge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zugenommen hat. Karriere-Websiten, Stellenausschreibungen und das Corporate Design sind im vergangenen Jahr ebenfalls weiterentwickelt worden. Die 8.000 Follower hat Katharinas Linkedin-Profil in den ersten drei Monaten gewonnen. Ihre Posts haben laut Brötel bislang eine Reichweite von 4,6 Millionen Impressions erzielt. Die Engagement-Rate auf ihre Inhalte seien im Vergleich zu regulären Themen der Finanzbrache überdurchschnittlich hoch. Weil Katharina so gut ankommt, denkt man darüber nach, sie auch außerhalb von Linkedin zu platzieren. Künftig könnte sie sich zudem stärker zu gesellschaftspolitischen Themen einbringen, etwa zu Frauenförderung oder Start-up-Kultur, sagt Brötel.

Die nächste Imagekampagne ist bereits in Planung. Die soll jedoch bewusst anders sein als die Influencer-Kampagne: „Wir lieben Katharina. Aber sie hat Employer Branding zum Auftrag.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Extern. Das Heft können Sie hier bestellen.