Die PR wird selbstbewusster

Studie

PR- und Kommunikationsmanagement sollen ganzheitlich und integriert arbeiten. Darüber wird bereits seit den 1980er-Jahren diskutiert. Die Wissenschaft, vor allem die Marketinglehre, später dann die Forschung zum Kommunikationsmanagement, hat sich schnell in diese Praxisdiskussionen eingemischt und ausgearbeitete Konzepte vorgelegt. Ebenso lange aber halten sich überall zersplitterte und auf viele Abteilungen und Akteure verteilte Kommunikationsprozesse. Außerdem spielen reale und gefühlte Befindlichkeiten, einseitige Prämissen und mangelnde Akzeptanz der Kommunikationsfunktion eine Rolle.

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Dabei sind heute dank Vernetzung durch neue und soziale Medien Informationen über eine Organisation schneller öffentlich und vergleichbar. Sie werden schneller diskutiert, bewertet und kritisiert, sodass allein die bloße Abstimmung zwischen den verschiedenen Akteuren – also eine einigermaßen organisierte Informations- und Kommunikationspolitik – häufig nicht mehr ausreicht. 

Wenn viele unterschiedliche Einheiten beziehungsweise Abteilungen in der Organisation für unterschiedliche Stakeholder und Kanäle zuständig sind, ist die Wahrscheinlichkeit einer gelingenden integrierten Kommunikation geringer, als wenn sämtliche Kommunikationsleistungen nach innen und außen in einem Communication Headquarter gebündelt werden (Abbildung 1).

 

Abbildung 1: Zugehörigkeit von Arbeitsfeldern zur PR-Einheit (c) Quadriga Media Berlin

Abbildung 1: Zugehörigkeit von Arbeitsfeldern zur PR-Einheit (c) Quadriga Media Berlin

Der Realitätscheck in der Studie „Kommunikationsmanagement 2018“ zeigt hingegen wenig überraschend, dass PR häufig deckungsgleich mit Presse- und Medienarbeit ist. Immerhin aber wird auch interne Kommunikation inzwischen zu 84 Prozent der PR zugeordnet. Dass Marketingkommunikation zu fast 60 Prozent der Fälle von PR-Einheiten umgesetzt wird, ist hingegen kein Ausdruck fortgeschrittener Integration. 

Dieser Wert kommt vor allem durch die zahlreichen PR-Einzelkämpfer und die kleinen Teams zustande, die sich um alle Kommunikationsleistungen – von der Homepage über die Werbeanzeige bis zur Pressemitteilung – kümmern. Größere Organisationen und vor allem Unternehmen trennen nach wie vor bevorzugt Marketing(-kommunikation) und PR-Einheit. 

PR meist als Kernbereich organisiert

PR- beziehungsweise Kommunikationsmanagement besetzt jedoch überwiegend zentrale Positionen. In 79 Prozent der Fälle ist sie als zentrale Organisationseinheit direkt unterhalb der Organisationsleitung angesiedelt. In weiteren zehn Prozent agiert sie direkt auf der Leitungsebene. 

War früher die Stabsstelle vorherrschend, so ist PR heute am häufigsten als Kernbereich organisiert, besitzt also eigene Entscheidungskompetenzen und Ressourcen zur Umsetzung von Kommunikation. PR-Kernbereiche sind vorrangig Domäne der Privatwirtschaft – hier vor allem in großen und international agierenden Mittelständlern und Konzernen. In öffentlichen Institutionen und Vereinen, Verbänden oder NGO sind sie deutlich seltener. 

Die Studienreihe „Kommunikationsmanagement“ entsteht in Kooperation von Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP), Quadriga Hochschule Berlin und Universität Leipzig. Seit 2005 werden von Günter Bentele (Universität Leipzig) und René Seidenglanz (Quadriga Hochschule Berlin) regelmäßig die Strukturen des Felds in Deutschland, Karrierewege, Position, Gehälter und Einstellungen der PR-Praktiker sowie Rahmenbedingungen per Online-Befragung erhoben. Die Reihe ist eine der umfassendsten PR-Studien weltweit. 1.553 PR-Manager nahmen teil.

Stabsstellen machen noch ein Viertel der deutschen PR-Einheiten aus. Kern- oder Vorstandsbereiche sind im Durchschnitt einflussreicher als Stabsstellen, denn sie sichern besonders weitreichende Handlungsoptionen. Auch wenn die Einflussstärke einer PR-Einheit natürlich nicht allein von ihrer hierarchischen Verortung abhängt – die in der Branche diskutierten Vorteile der Stabsstelle, die durch ihre enge Anbindung an den CEO auch gegenüber anderen Organisationsbereichen profitiert, lassen sich zwar in Einzelfällen belegen. Nicht aber in der Gesamtheit der Ergebnisse. 

PR vs. Personalwesen vs. Vertrieb und Marketing

Klar ist: Indem die PR-Branche eine kommunikative Steuerungsfunktion für sich beansprucht, setzt sie sich zwangsläufig in Konkurrenz zu anderen Funktionen wie etwa Personalwesen, Marketing und Vertrieb.

Viele Human-Resources-Abteilungen versuchen momentan, interne Kommunikation als Leistung des Personalwesens zu stärken. Marketing und Vertrieb in Unternehmen verweisen nach wie vor auf die entscheidende Rolle des Marktes, dem das Primat aller kommunikativen Handlungen gelten müsse. 

Viele Wirtschaftswissenschaftler definieren entsprechend Marktkommunikation aus der Logik von Marketing und Vertrieb heraus. Entsprechend solle sie durch Marketing- und Vertriebseinheit und nicht etwa durch eine übergreifende Gesamtkommunikation eines Communication Headquarters gesteuert werden. 

In der Gesamtschau, das hat eine Untersuchung der Quadriga Hochschule Berlin 2017 gezeigt, sind in 42 Prozent der deutschen Organisationen Marketing und PR in einer Einheit zusammengefasst. In 30 Prozent der Fälle arbeiten sie in getrennten Einheiten auf gleicher Hierarchieebene. 19 Prozent ordnen PR als Teilbereich dezidiert dem Marketing unter, nur acht Prozent haben Marketing beziehungsweise Marketingkommunikation dem PR-Bereich zugeschlagen. Marketing ist noch häufiger hierarchisch hoch angebunden und nimmt stärker am Strategieprozess teil. 

Führungsanspruch der PR 

PR als strategisch abgeleitete Steuerungsfunktion – das ist der Führungsanspruch der Branche, den 2018 nahezu alle deutschen PR-Manager vertreten. 34 Prozent von ihnen sind der Meinung, PR solle gegenüber anderen Funktionen einer Organisation einen besonders hervorgehobenen Status besitzen. Warum? Weil Kommunikation entscheidend für den Organisationserfolg sei – deutlich mehr als in unserer Vorgängerstudie 2015.

Weitere 59 Prozent der Befragten sehen PR als Führungsfunktion wenigstens auf Augenhöhe mit anderen Kernbereichen. Dass PR keinen strategischen Beitrag leiste und nur nachrangig arbeite, sieht nur noch jeder zehnte PR-Praktiker (Abbildung 2). 

 

Abbildung 2: Führungsanspruch von PR. Anspruch und Realität im Zeitvergleich (c) Quadriga Media Berlin

Abbildung 2: Führungsanspruch von PR. Anspruch und Realität im Zeitvergleich (c) Quadriga Media Berlin

Allerdings klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. In der Realität ist PR nach Einschätzung der Befragten in nur fünf Prozent der Fälle tatsächlich hervorgehoben. Weitere 36 Prozent arbeiten zumindest auf Augenhöhe mit anderen Bereichen. Es wird also deutlich, dass zwar der Führungsanspruch in der Branche deutlich gestiegen ist. Die tatsächliche Akzeptanz durch die Führungsebene hat sich jedoch kaum verändert.

Das zeigt auch eine Befragung von deutschen Geschäftsführern, Vorständen, CEOs und Organisationsleitern. Der zufolge liegt PR/Kommunikation im Ranking der wichtigsten Organisationsbereiche weit abgeschlagen hinter Vertrieb und Marketing und auch hinter Human Resources.

PR-Praktiker erkennen die Defizite

Der zunehmende Widerspruch zwischen Anspruch und Realität lässt PR-Praktiker allerdings auch immer kritischer gegenüber mangelnder Akzeptanz werden. Vor dem Hintergrund eines gewachsenen Führungsbewusstseins erkennen sie entsprechende Defizite häufiger: Fehlendes Verständnis für strategische und integrierte Kommunikation, mangelnde Abstimmung oder fehlende Durchsetzungsmöglichkeiten werden heute viel öfter identifiziert und kritisiert als in der Vorgängerstudie 2015. 

Gleichermaßen beobachten viele Befragte genau, wie sich einerseits die Anforderungen an eine professionelle Kommunikation für ihre Organisation drastisch erhöhen. Andererseits wachsen die Strukturen und die Einbindung von PR jedoch nicht mit. 

Möglicherweise werden ein zunehmendes Führungsbewusstsein und wachsende Kritik die Branche voranbringen – insofern, als Kommunikatoren die strategische Einbindung von PR noch stärker einfordern. Ihr Anspruch ist immerhin ja nicht unbegründet. 

Zunehmend können Unternehmen nicht mehr nur aus der Perspektive ihrer Märkte denken. Im Gegensatz zu Marketing, Vertrieb oder auch HR liegt die Kompetenz der PR gerade darin, dass sie alle Stakeholder durch Kommunikation einbindet und Stakeholderkommunikation ganzheitlich steuern kann. Denn sie hat nicht primär nur Kunden oder Mitglieder der Organisation im Blick. 

 

Dies ist Teil zwei der Reihe „Wo steht die Branche?“. Teil drei wird sich unter anderem mit der Zufriedenheit von PR-Managern in ihrem Beruf befassen. Teil eins der Serie können Sie hier nachlesen. 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe KONKURRENZ. Das Heft können Sie hier bestellen.

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