"Wir leben im goldenen PR-Zeitalter"

Leslie Gaines-Ross im Interview

Frau Gaines-Ross, ein Ergebnis der Weber Shandwick-Studie „The Rising CCO V“ ist, dass Content-Publishing für rund 90 Prozent der Kommunikatoren auf der Tagesordnung steht. Was bedeutet dieses Ergebnis für die PR-Branche?

Leslie Gaines-Ross: Tatsächlich interessiert es viele Menschen nicht mehr, ob sie von einem Unternehmen oder einem Journalisten ihre Informationen – ihre Geschichten – bekommen. Für diese Menschen sind es einfach Nachrichten. Für uns, die wir in der PR-Branche arbeiten, ist das eine massive Veränderung. Unternehmen werden zu Content-Produzenten. Die „Financial Times“ überschrieb vor einiger Zeit einen Beitrag zu diesem Thema mit „The invasion of corporate news„. Da ist viel Wahres dran. 

Was glauben Sie, werden Social Media und „Branded  Content“ künftig die klassische Media-Relations-Arbeit von PR-Abteilungen ersetzen?

Nein, Kommunikationsverantwortliche müssen sich weiterhin um gute Beziehungen zu Medienvertretern kümmern. Besonders in Krisensituationen ist es essenziell, dass jemand von außen weiß wer der richtige Ansprechpartner im Unternehmen ist und dass man diesem Verantwortlichen auch vertrauen kann. Allerdings befinden wir uns gerade in etwas wie dem goldenen Zeitalter der PR. Früher mussten die PR-Abteilungen erst die Medien davon überzeugen, dass ihre Botschaft eine Geschichte wert war. Heute kann das Unternehmen ein Video auf den eigenen Youtube-Kanal laden, ein Statement twittern oder es im vollen Wortlaut auf die eigene Webseite stellen. Und wenn es schlau ist, bezieht es die Mitarbeiter ein. 

Und macht sie zu Markenbotschaftern …

Genau, eigentlich sollte jeder Mitarbeiter ein Kommunikationsmanager des Unternehmens sein. Denn jeder spricht über seinen Arbeitsplatz, ob mit Familie, Freunden oder Nachbarn. Und Studien haben bereits gezeigt, dass den Aussagen von Mitarbeitern mehr vertraut wird als einem Unternehmens-Post. Aus diesem Grund müssen die Mitarbeiter aber auch wissen, welche Strategie das eigene Unternehmen verfolgt, was es denkt und wie die offizielle Außendarstellung ist. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter dahingehend stärker schulen. 

Welche Unternehmen setzen das Ihrer Meinung nach schon gut um?

Der Computerkonzern Dell ist ein schönes Beispiel. Zumindest in den USA können neue Mitarbeiter, meines Wissens, an einem mehrtägigen Social-Media-Kurs teilnehmen. Sie müssen es aber nicht. Das Unternehmen ermutigt auf diese Weise seine Mitarbeiter, Inhalte über die sozialen Netzwerke zu teilen. Darüber hinaus nutzen in den USA viele Firmen bereits Sharebuttons im Firmen-Intranet oder dem Mitarbeiter-Newsletter. Einige belohnen ihre Mitarbeiter gar für das Teilen der Nachrichten.

Was unterscheidet europäische PR-Profis noch von ihren amerikanischen Kollegen?

In den USA setzen die Kommunikationschefs bereits viel stärker darauf, eigene Inhalte zu erstellen und zu veröffentlichen. Ich weiß nicht, wie es in Deutschland ist, aber in den USA arbeiten viele Journalisten in PR-Agenturen oder Unternehmen. Die Zahl an Journalisten nimmt also ab, während die Anzahl an PR-Verantwortlichen steigt. Es gibt zum Beispiel ein großes Investmentunternehmen in den USA, das zwölf Finanzjournalisten eingestellt hat, die ständig Neuigkeiten und Informationen über das Unternehmen veröffentlichen. Aber wie wir mit der Diskussion um die Schlagwörter wie „Brand Journalism“ oder „Content Marketing“ beobachten können, beschäftigt dieses Thema schon längst auch hier die Kommunikationsverantwortlichen. 

Lassen Sie uns noch einen Blick in die Glaskugel werfen. Welche Fähigkeiten werden PR-Verantwortliche künftig brauchen?

Eines wird sich keinesfalls ändern. Kommunikatoren müssen ihr Handwerk verstehen. Sie müssen wissen wie sie komplexe Themen einfach erklären. In den USA wird auch zunehmend die Fähigkeit wichtiger, Krisen managen zu können. Wir sprachen darüber, welche Chancen der unternehmenseigene Content und auch Social Media für Unternehmen bietet. Aber gerade die digitale Entwicklung beinhaltet auch großes Krisenpotzenial. Aber andererseits sind diese Herausforderungen auch großartig für unsere Branche, weil es unsere Aufgaben so viel herausfordernder und interessanter macht.  

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