Sind Blogger die besseren Journalisten?

Kommentar

Wir schreiben das Jahr 2015 und der pressesprecher bittet mich um einen Kommentar zur Frage, ob Blogger Journalisten seien. Immer noch wird also über diese Frage diskutiert im rückständigen Medienstandort Deutschland, und das nach all den Jahren und erst recht nach der Landesverrat-Affäre rund um Netzpolitik.org. Wie manisch klammern sich viele Medienentscheider hierzulande an die Vorstellung, dass nur in Medienkonzernen Journalismus entstehen könne. Am deutlichsten sieht man dies beim Journalistenverband DJV. Dieser definiert Journalisten als Personen, die sich „hauptberuflich an der Verbreitung und Veröffentlichung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung durch Massenmedien“ beteiligen. Ja, dort steht: Massenmedien. Somit wären die Autoren von kleinen Fachmagazinen genauso wenig Journalisten wie, ja genau, Blogger.

Viele Kommunikationsabteilungen sind da anderer Meinung. Autohersteller haben Blogger mit den Fachpublikationen gleichgestellt, Modefirmen setzen Autoren von Weblogs in die ersten Reihen ihrer Modeschauen, der Youtuber Le Floid durfte die Kanzlerin interviewen. In den USA haben Medien längst Blogger und Blogs eingekauft, haben ihren Autoren teilweise Verantwortung für Teams gegeben – in Deutschland versuchen sich nicht einmal die vorhandenen Redakteure in diesem Feld. Geradezu schizophren agiert Axel Springer: In den USA hat sich der Konzern bei zahlreichen Seiten wie „Business Insider“ oder „Ozy“ ­beteiligt, die aus Blogs heraus entstanden sind. In der Heimat hingegen? Zurückhaltung.

Deutsche Journalisten und Medienentscheider betrachten Blogger weiterhin mit Verachtung. Ihr Hauptvorwurf: Es handele sich hier um Hobbyautoren, die keine gute Qualität liefern könnten. Tatsächlich gibt es jedoch eine Reihe von Informationsbereichen, die ohne Blogger kaum abgedeckt würden. Vor allem digitale Debatten entstehen erst auf Blogs und werden dann, natürlich unter weitgehender Vermeidung von Quellennennungen, in ­klassischen Medien aufgeworfen. Fußballfans finden auf „Spielverlagerung.de“ tiefere Taktikbetrachtungen, bei „Collinas Erben“ bessere Regelkunde als beim saturierten Kicker. Wer sich mit Medien beschäftigt, liest beim Medienjournalisten Stefan Niggemeier tiefere Analysen als auf dürren Spezialseiten der Tageszeitungen. Wissenschaftsliebhaber werden auf „Scilogs“ fündig, Hintergründe zur aktuellen Rechtsprechung sind nirgends verständlicher aufbereitet als im „Law­blog“ von Udo Vetter.

„Huch“, mag man da sagen. „Die haben ja gar keine journalistische Ausbildung.“ Und „Tja“, erwidere ich. „Die hat Stefan Aust auch nicht“. Und er ist nicht der einzige. Journalismus ist schließlich keine Raketenwissenschaft. Natürlich gibt es gute Ausbildungsstätten, wenige allerdings. Doch gab es schon immer Journalisten, die ganz ohne Volontariat auskamen – und trotzdem gut waren oder sind.

Außerdem hat die Ausbildung auch nicht dagegen geholfen, dem rasanten Qualitätsverlust der Traditionsmedien entgegenzuwirken. Häufig sind es überraschenderweise Blogger, die sich weniger von Unternehmenskommunikatoren beeinflussen lassen. Denn ihre Leser sind häufig medienkundiger als Zeitungsrezipienten und achten sehr viel stärker auf die Unabhängigkeit der Berichterstattung. Deshalb sind auch Social Media Relations zur eigenständigen Disziplin geworden.

Die Frage, ob Blogger Journalisten sind, sollte also nicht nur mit einem simplen „Ja“ beantwortet, sondern ergänzt werden mit dem Zusatz: „Und häufig sogar die besseren.“

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Zukunft. Das Heft können Sie hier bestellen.

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