Social Media verkauft

Nordbrand Pfefferminz

Viele Marken und Agenturen behaupten, organische Reichweiten seien im Social Web nicht mehr möglich. Dies halten wir für eine fundamentale Fehleinschätzung. Wenn eine Marke strategisch ihre Fans in deren Tonalität anspricht, dann sind nicht nur organische Reichweiten kein Problem – es lassen sich auch handfeste Umsatzeffekte erzielen.

Das erlebten wir mit unserer Strategie für den Nordbrand Pfefferminzlikör, von seinen Fans kurz „Pfeffi“ genannt. Ganz ohne Endverbraucherkommunikation erarbeitete sich der grüne Drink aus DDR-Tagen eine treue Gefolgschaft. Neben einem Schuss Ostalgie halfen Bands wie Jennifer Rostock, die Pfeffi auf der Bühne mit ihren Fans trinkt, oder Feine Sahne Fischfilet, die sich eine Pfeffi-Kanone gebaut haben, das Getränk allein durch Handels-Marketing zum echten Kult zu machen.

Doch Pfeffi sollte ja weiter wachsen – vor allem im Westen. Dort lag der Absatzanteil vor Beginn der Aktivitäten nur bei acht Prozent. Gleichzeitig sollte im Social Web eine Heimat für die hoch aktive Fangemeinde entstehen. Und all dies bei einem sehr knapp bemessenen Gesamtbudget: Die Präsenzen auf Facebook und Instagram sowie die Homepage blieben, abgesehen von begrenzten Sampling-Aktivitäten, die einzigen Marketing-Maßnahmen in Richtung Endverbraucherkommunikation.

Die Befürchtung, den Kultstatus anzukratzen ließ uns eine vorsichtige Herangehensweise mit einer intensiven Vorab-Analyse wählen. Dabei realisierten wir, dass die Hardcore-Pfeffi-Fans sich durch zwei Besonderheiten auszeichnen: Sie stehen extrovertiert zur Marke – und sie bewegen sich in Subkulturen mit harter Musik zuhause wie Punk oder Grime.

Aus dieser Erkenntnis heraus entstand eine Tonalität mit Street Credibility und ein optischer Auftritt mit Kontrast aus knalligem Grün und leuchtendem Rot sowie einer eigenständigen und variablen Optik. Bei Pfeffi darf es derbe zugehen, da pinkelt ein Weihnachtsmann auch mal in den Schnee und die Käufer von Konkurrenzprodukten werden bedacht mit dem Hinweis: „Du kannst auch nen anderen Pfefferminzlikör trinken, aber dann biste halt kacke!“

Unser Ziel war es, die Gefühls- und Lebenswelt jener Hardcore-Fans derart zu treffen, dass diese Pfeffi-Inhalte liken, kommentieren und teilen. Werbliche Inhalte treten dabei in den Hintergrund zu Gunsten von Themen, die unsere Zielgruppe tatsächlich interessieren, unterhalten und mögen. Dabei setzten wir auf einen Hebel und einen Turbo.

Ein Hebel und ein Turbo

Der Hebel: Im Social Web gehört es zum Alltag, unter einem Posting Freunde zu markieren, die sich für den Inhalt interessieren könnten. Diese Tagging-Kultur wird von Marken bislang kaum instrumentalisiert. Wir wollen Inhalte erzeugen, unter denen die Hardcore-Fans von Pfeffi, eben jene aus spezifischen Subkulturen, Freunde taggen. Diese wieder markieren dann andere Freunde, so dass sich der Kreis der Erreichten Stück für Stück organisch erweitert. Das Ergebnis ist ein umgekehrter Funnel, der sich im Gegensatz zu einem Sales Funnel nicht verengt, sondern verbreitert.

Der Turbo: User Generated Content – Ansätze sorgen bei praktisch allen Marken für erhöhte organische Reichweite und steigendes Engagement. Wir wollen vorhandene Aktivitäten von Fans nicht aus markenrechtlic hen Erwägungen heraus beschränken – sondern sie aktiv fördern. Dazu wurden vorhandene Facebook – Fanseiten kontaktiert mit der Bitte , uns auf interessante Aktivitäten ihrerseits hinzuweisen. Außerdem wurde das Social Media Listening genutzt, um Nutzerinhalte mit Pfeffi – Bezug zu finden. Die entsprechenden Nutzer bitten wir , ihre Inhalte auch auf den Markenpräsenzen nutzen zu dürfen

Bei all dem ist für uns der Relative Organische Reach (ROR) die wichtigste Erfolgsgröße, also der organische Reach pro Posting geteilt durch die Zahl der Liker/Follower.

Deshalb auch agierten wir nur sehr zurückhaltend mit Page Like Ads auf Facebook: Die Seite soll nicht schnell großgeschossen werden, sondern behutsam wachsen und dabei organisch hohe Reichweiten erzielen.  Wer Pfeffi liket, soll dies nicht für billige Gewinnspiele tun – sondern weil ihn Produkt und Inhalte tatsächlich interessieren.

Um das zu schaffen, ist ein ständiges Zuhören und Hinterfragen nötig. Das Produktmanagement und die beiden beteiligten Dienstleister tauschen sich ad-hoc ständig aus und sind deshalb in der Lage, sehr agil Ideen zu entwickeln.

Die wichtigsten Instrumente im operativen Alltag sind ein intensives Community Management und Social Media Listening. Diese beiden Quellen liefern Informationen darüber, was Pfeffi-Trinker wirklich umtreibt. Gerade in der Anfangsphase wurden verschiedene Inhalte und Formate getestet. Unterstützt wurde dieser kontinuierliche Aufbau mit geringen Media-Investments im unteren, dreistelligen Bereich.

Mit steigender Sicherheit mutierte die Kombination aus Community-Kommunikation und Blick in das Social Web immer mehr zur 24/7-Marktforschung. So forderten Markenfans Merchandising wie T-Shirts mit den Posting-Motiven oder Hausschuhe. Diese Wünsche sorgten für den Start eines eigenen Pfeffi-Shops mit zahlreichen Produkten, von der wärmenden Decke bis hin zum einzigartigen Zahnbürsten-Ausgießer.

Mit wachsendem Absatz wird Pfeffi auch neue Produktvarianten auf den Markt bringen. Via Social Web können wir die Bereitschaft der Zielgruppe für diese Variationen testen. So stand im Raum, ein Dosenprodukt zu lancieren. Wir posteten ein Video mit einer Dose – jedoch ohne zu verraten, was sie enthalten würde. Ergebnis: Ein Relativer Organischer Reach von 23.772 Prozent (nein, kein Druckfehler) und eine organische Reichweite von 1,15 Millionen Kontakten – eine TV-Spot-artige Reichweite ohne Streuverluste und ohne Media-Investment. Seitdem gehört die Dose zum Sortiment.

Solche Beispiele zeigen, dass unsere Strategie aufging. Während andere Marken über ROR im Bereich von unter drei Prozent klagen erreicht Pfeffi regelmäßig ROR im Bereich von 100 Prozent und mehr. Möglich ist so etwas aber nur, wenn das Community Management schnell und in der passenden Tonalität auf Nutzer reagiert und deren Ideen immer wieder aufgreift. Ein Beispiel: Der erste selbstgebastelte Pfeffi-Brunnen, der von uns gepostet wurde, löste eine Heimwerker-Welle aus. Inzwischen erhielten wir Bilder und Videos von rund einem Dutzend Brunnen – und jeder wird von den Fans auf Facebook und Instagram gefeiert.

Am Ende aber zählen nackte Zahlen in Gestalt des Verkaufs. Seit 2017 sind Facebook, Instagram und Homepage (neben überschaubaren Sampling-Aktivitäten) die einzigen endverbraucherorientierten Kommunikationsmaßnahmen. In dieser Zeit stieg der Absatz im deutlich zweistelligen Prozentbereich an, im Westen lag das Wachstum dreimal so hoch wie in Gesamtdeutschland. Ab dem Moment, da die Kommunikationsaktivitäten starteten, stieg die Zahl der Google-Suchen nach Pfeffi rasant an. Dies zeigt: Das Social Web brachte die Marke in Kontakt mit Nutzern, die unser Produkt noch nicht kannten. Diese suchten nach Informationen – und kauften anschließend. Folge: Die Marktführerschaft von Pfeffi im boomenden Segment der Pfefferminzliköre wurde trotz einer steigenden Zahl von Mitbewerbern ausgebaut.

 

 

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