Vertrauensvorschuss mit Empathie aufbauen

CEO-Kommunikation

Zu Beginn der Covidpandemie machten Analysten der internationalen Finanzberatung FTI eine interessante Entdeckung: Während die Aktienkurse weltweit in den Keller gingen, konnten sich einige börsennotierte Unternehmen dem Sog ihrer Branchen widersetzen. Sie verloren zwar auch an Börsenwert, aber bei weitem nicht so stark wie direkte Wettbewerber. Das Vertrauen der Stakeholder in die Unternehmensführung war trotz Krise offenbar weiter vergleichsweise hoch.

In einer Studie gingen die Analysten dem Thema auf den Grund. Es stellte sich heraus, dass diese resilienten Unternehmen etwas gemeinsam hatten: Ihre CEOs kommunizierten besser als andere – häufiger, mit mehr inhaltlicher Relevanz, über unabhängige Medien und Social-Media-Kanäle. Dadurch hatten sie bereits vor der Pandemie einen erheblichen Vertrauensvorschuss aufgebaut, was in der ab März 2020 einsetzenden Krisenkommunikation zu mehr Glaubwürdigkeit führte. Das große Vertrauen in die Führung begleitete die Unternehmen durch die gesamte Krise.

Nach zwei Jahren Corona-bedingtem „Remote Leadership“ scheinen immer mehr Führungskräfte eine ähnliche Strategie zu verfolgen. Vor allem in sozialen Medien wie LinkedIn: Die LinkedIndex-Studien von Palmer Hargreaves zeigen seit 2020 eine zunehmende Professionalisierung der CEO-Kommunikation auf diesem Kanal. Und zwar im gesamten Sample. Auch abseits der Dax-Konzerne bespielen immer mehr CEOs das Netzwerk mit ausdifferenzierten Strategien, sie richten ihre Kommunikation auf unterschiedlichen Zielgruppen und teilen immer besseren Content. Das Fazit der Studie: LinkedIn-Kommunikation wird zu einem Führungsinstrument, der Social CEO zu einem Leitbild, gerade in einer hybriden Arbeitswelt.

Und zwar nicht nur bei den für ihre professionelle Kommunikation bekannten CEOs Herbert Diess oder Tim Höttges. Wir sehen das auch bei weniger prominenten Führungskräften, die in den einschlägigen Rankings (wenn überhaupt) bislang eher auf den unteren Plätzen zu finden waren. Axel Kaufmann vom Softwareanbieter Nemetschek zum Beispiel, eines der wachstumsstärksten Unternehmen an der deutschen Börse: Kaufmann hat zwar nur knapp 1.700 Follower, positioniert sich aber in Sachen Content und Interaktion ähnlich professionell wie CEOs mit deutlich höherer Reichweite. Ganz ähnlich Vincent Warnery von Beiersdorf. Auch er unterhält mit rund 4.600 Followern kein besonders reichweitenstarkes Profil, dem Content und seiner Aktivität merkt man das aber kaum an.

Bei den großen Dax-Konzernen wiederum erkennt man die gestiegene Professionalisierung auf LinkedIn unter anderem an der Souveränität, mit der Führungswechsel begleitet werden. Neue CEOs spielen vom ersten Tag an auf der gesamten Klaviatur des Netzwerks; oft sogar schon vorher, um ihren Wechsel an die Spitze kommunikativ vorzubereiten. Roland Busch von Siemens beispielsweise, oder auch Markus Krebber von RWE. Beide wurden zwar erst in der ersten Jahreshälfte 2021 ins Amt berufen, sind aber dann aus dem Stand in der Top Ten des LinkedIndex gelandet. Sie gehören damit zu den kommunikationsstärksten CEOs an der deutschen Börse.

Das funktioniert nur, wenn Kommunikation auf Social-Media-Kanälen nicht bloß auf Vermarktung und Personal Branding reduziert wird. Es ist eine Strategie für den Unternehmenserfolg in Zeiten des Wandels. Laut einer Studie der renommierten Mailänder Wirtschaftsuniversität Bocconi hängt der Erfolg neuberufener CEOs vor allem von der positiven oder negativen Einstellung der Stakeholder ab. Oder, um nochmals auf die Ergebnisse der FTI-Studie zu verweisen: Eine transparente, sichtbare Kommunikation in den sozialen Medien ist ein guter Weg, sich das Wohlwollen der Stakeholder zu sichern.

In der zunehmenden Professionalisierung von CEO-Kommunikation liegt aber auch eine Gefahr: LinkedIn hat seit einiger Zeit mit dem Problem zu kämpfen, dass der im Netzwerk geteilte Content immer werblicher und egozentrischer wird. CEOs sind da keine Ausnahme: Viele Kommunikationsabteilungen steuern die Vorstandsprofile wie das Produktmarketing, mit Hochglanz-Content in werblicher Sprache – aber ohne menschliche Nähe, strategische Tiefe oder gesellschaftsrelevante Bezüge. Das Problem dabei: CEOs sind nicht die obersten Vertriebsmaschinen des Unternehmens, sondern müssen neben ihren Management-Aufgaben auch empathische Stakeholder-Diplomaten sein. Sie müssen bestimmte Erwartungshaltungen bedienen, Interessen ausgleichen und über ihren Kurs verlässlich informieren. Je nach Strategie sollten Content und öffentliche Rolle dafür unterschiedlich zugeschnitten werden.

Wie verschieden das geschieht, zeigt ein Blick auf die Profile von Ola Källenius von Mercedes-Benz und Carsten Knobel, dem CEO von Henkel. Beide liefern hochprofessionellen Content, der aber unterschiedlicher nicht sein könnte. Källenius steht als oberster Stratege des Konzerns vor der anspruchsvollen Aufgabe, sein Unternehmen trotz Klimakrise und ausländischem Innovationsdruck als zukunftsfähig zu präsentieren. Entsprechend produkt- und technologieorientiert ist die Kommunikation, die Übergänge zur Werbung sind fließend. Bei Henkel wiederum führte die Coronakrise zu einem Einbruch des Beauty-Geschäfts, weshalb der Konzern nun stark umgebaut wird. Knobel spricht auf LinkedIn deshalb vor allem Mitarbeitende an, zeigt aber auch Geschäftspartnern und dem Aufsichtsrat, wie er die Transformation gestaltet.

In beiden Fällen kann Hochglanz-Content zu einem Problem werden, selbst bei einer produktorientierten Kommunikation. Denn je inszenierter der Auftritt des CEOs wird, desto werblicher wird der Content wahrgenommen. Und das schafft Distanz, wo eigentlich Nähe und Vertrauen in gemeinsame Ziele entstehen muss. Werblicher Content vermittelt nur ein einziges Ziel: möglichst viele Produkte verkaufen zu wollen. Das mag für einige interne Stakeholder ausreichen, aber die Mehrheit außerhalb des Unternehmens verfolgt ganz andere Interessen.

Was diese Interessen sind, was diese externen Stakeholder von CEOs erwarten, belegen seit einigen Jahren die unterschiedlichsten Studien immer wieder aufs Neue. Zuletzt das Edelman Trust Barometer: Die große Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich von CEOs, dass diese sich zu gesellschaftsrelevanten Themen wie Arbeitsplätzen und Wirtschaft, Lohnungleichheit, Technologie und Automatisierung oder dem Klimawandel äußern. Sie sollen als Mensch, Bürger und Führungskraft sprechen – und nicht als Testimonial des eigenen Portfolios. Dazu reicht es sogar, sich das Handy vor die Nase zu halten und ein paar strategische Entscheidungen per Selfie-Video zu erläutern. Der Bundeswirtschaftsminister macht es vor.

Daniel Jungblut wird am 24. Mai auf der 5. Konferenz zur CEO-Kommunikation zum Thema „CEOs auf LinkedIn: Impression Management und Polarisierung“ referieren.

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