Ob eine Unternehmensfunktion „einflussreich“ ist, lässt sich auf eine einfache Formel bringen: Wenn sie nicht nur operativ-ausführend arbeitet, sondern an der Unternehmensstrategie mitwirkt. Für die PR ergibt sich daraus der Anspruch, im Sinne einer Gesamtkommunikation – also einer wirklichen Corporate Communication – nicht nur sämtliche Kommunikations- und Informationsprozesse zwischen einem Unternehmen und seinen verschiedenen Stakeholdern zu managen, sondern darüber hinaus auf Basis seiner Kommunikationsexpertise die strategische Ausrichtung des Unternehmens mitzugestalten.
Um das leisten zu können, müssen zwei wichtige Vorbedingungen erfüllt sein:
PR muss erstens strukturell in das Unternehmen eingebunden sein und über notwendige Ressourcen verfügen. Der Blick auf die hierarchische Verortung von PR in Deutschland zeigt zunächst ein erfreuliches Bild. In fast drei Vierteln der Fälle ist die Funktion auf Leitungsebene angesiedelt beziehungsweise dieser direkt zugeordnet. Bezieht man allerdings die tatsächlichen Entscheidungsbefugnisse von PR ein, dann differenziert sich dies deutlich aus. Weniger als ein Drittel der deutschen PR-Einheiten sind als entscheidungsberechtigte Kern- oder Richtlinienbereiche organisiert. Hingegen arbeiten 42 Prozent als Stabsstelle, zehn Prozent als rein ausführende Serviceeinheit.
Informeller Einfluss: Was traut die Leitungsebene ihren Kommunikationschefs zu?
Zweitens muss PR auch über informelle Einflusselemente verfügen, um strategisch wirksam zu sein. Diese informelle Komponente wird in der Organisationsforschung häufig vernachlässigt. Im Kern geht es hier darum, inwieweit es PR gelingt,
- in ihrer Expertise aller wesentlichen Kommunikationsaufgaben respektiert zu sein (Fachkompetenz),
- Informationsströme zentral zu steuern und dafür sachlich anerkannt zu sein (Sachkompetenz) sowie
- als vertrauenswürdiger Akteur zu gelten (Integrität).
Ausgewählte Beurteilung der PR-Verantwortlichen durch ihre Unternehmensleitung
Auf den ersten Blick sehen die ausgewählten Ergebnisse recht positiv aus. Zwei Drittel der befragten Geschäftsleitungen und CEOs schreiben der PR hohes Fachwissen zu, was jedoch im Umkehrschluss heißt, dass ein Drittel der deutschen Unternehmensleiter ihren PR-Verantwortlichen nicht wirklich Kompetenz zutraut. Auch sind es – nur – 48 Prozent, für die im Unternehmen ihr PR-Verantwortlicher zentraler Ansprechpartner in PR-Fragen ist.
In 62 Prozent der Fälle gelingt es der PR, als „Schaltstelle“ für wichtige Informationen im Unternehmen wahrgenommen zu werden. Um das einzulösen, muss sie das gesamte Unternehmen im Blick haben, seine Strukturen, Ziele und Strategien kennen. Zumindest für 41 Prozent der Unternehmensleiter ist ihre PR auch wichtiger Ansprechpartner für allgemeine Unternehmensfragen.
Ist die Unternehmenskommunikation für die Chefetage auch vertrauenswürdiger Partner? Immerhin hat die Mehrheit der deutschen CEOs und Geschäftsführer heute so hohes Vertrauen in ihre PR-Verantwortlichen, dass sie sie auch in vertrauliche Interna einweihen.
Führung und strategischer Beitrag: Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander
Der Anspruch, mindestens gleichberechtigte Führungsfunktion zu sein, ist unter PR-Praktikern in Deutschland heute Common Sense, den insgesamt 80 Prozent von ihnen teilen. Darunter sehen 22 Prozent PR aufgrund kritischerer Öffentlichkeiten und schnellerer Kommunikationsströme sogar gegenüber anderen Unternehmensfunktionen hervorgehoben. Ihnen dürfte selbst klar sein, dass das in den Chefetagen viel zurückhaltender beurteilt wird. Dort sieht nur etwa die Hälfte PR als Führungsfunktion.
Strategischer Beitrag von PR (Anspruch der PR-Praktiker lt. Befragung von Bentele/Seidenglanz/Fechner 2015 und Beurteilung der Unternehmensleitungen)
Werden die verschiedenen Unternehmensfunktionen miteinander verglichen, steht PR noch schlechter da. Nach Ansicht der befragten Unternehmensleiter leistet Vertrieb den höchsten strategischen Beitrag, gefolgt von Produktion und Entwicklung. PR ist weit abgeschlagen. Nur noch die Bereiche Technik/IT, Beschaffung/Einkauf und Recht werden noch weniger strategisch beurteilt. Dabei steht PR naturgemäß in großen Unternehmen besser da als in kleinen, in Branchen wie Metallindustrie oder Energie hat PR einen etwas höheren, in Informations- und Gesundheitswirtschaft den geringsten Stand.
Sonderrolle für die PR
Was hat nun den größten Einfluss darauf, ob PR durch die Chefetage ein strategischer Beitrag gewährt wird oder nicht? Das lässt sich aufgrund der Befragungsergebnisse berechnen. In der Regel sind formale Strukturen, Hierarchien und Ressourcen maßgeblich dafür, wie strategisch eine Unternehmensfunktion handeln kann. Bei PR hingegen sind informelle Aspekte entscheidender, also zugeschriebene Fach- und Sachexpertise sowie Integrität. Der maßgebliche Hebel, damit die Geschäftsführung PR einen strategischen Beitrag zugesteht, ist die Sachebene: Der PR-Verantwortliche muss beweisen, dass er das Unternehmen insgesamt verstanden hat, und seine Einheit so aufgestellt haben, dass sie von den Unternehmensentscheidern als „Informationsschaltstelle“ akzeptiert wird. Fachkompetenz und Integrität sind wichtig, folgen aber danach.
Das zeigt, dass PR nach wie vor eine Sonderrolle in den Unternehmen hat – und vermutlich auch immer haben wird, weil die Beziehung zwischen Unternehmensleitung und Kommunikationschef stärker durch informelle statt durch strukturelle Einflusspotenziale geprägt ist als etwa die zum Entwicklungs- oder Vertriebsleiter. Vielleicht auch deshalb ist der Weg zur gleichberechtigten Führungsfunktion in den meisten Unternehmen noch weit.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe FÜHRUNG. Das Heft können Sie hier bestellen.