Influencerin mit Überzeugung

Louisa Dellert

Frau Dellert, Sie sind Unternehmerin, Moderatorin und Influencerin. Auf welcher Tätigkeit liegt Ihr Schwerpunkt?

Dellert: Ich bin seit gut zehn Jahren im Influencer-Business unterwegs. Ich merke, dass ich heute gar nicht mehr so oft vor der Handykamera stehen muss und es schön finde, dass ich mich weiterentwickeln kann. Deswegen habe ich eine Unternehmensberatung und eine Produktionsfirma gegründet. Auf diese beiden Sachen konzentriere ich mich aktuell.

Worum geht es bei den Firmengründungen?

Dellert: Auf der einen Seite berate ich Unternehmen, wie sie Nachhaltigkeit intern, aber auch in der Kommunikation nach außen umsetzen können. Bei vielen Unternehmen sehe ich das Problem, dass sie ihre Produkte mit Klimaneutralität labeln, ohne genau zu sagen, was dahintersteckt. Ich möchte Unternehmen ermutigen, offen zu kommunizieren und Verbraucher*innen wirklich in die Prozesse mitzunehmen – und auch einfach mal zu sagen: „Wir sind da noch nicht so weit. Und dies oder jenes sind die Gründe, warum wir es nicht von heute auf morgen schaffen. Aber wir sind dran.“ Auf der anderen Seite steht die Produktionsfirma, mit der ich journalistisch politische Videoinhalte für Social Media erstelle, um unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen.

Sie starteten auf Instagram mit Fitness-Content. Wodurch setzte der Erfolg ein, so dass Sie sich selbst bewusst als Influencerin wahrnahmen?

Dellert: Den einen Moment gab es nicht. Ich habe mich damals bei Instagram angemeldet, als ich noch gar nicht wusste, dass es mal Influencer geben wird. Hintergrund war, dass ich abnehmen wollte, Inspirationen suchte und selbst kreativ sein wollte. Seinerzeit war eher das Bloggen gefragt. Auf Events war ich teilweise die Einzige, die über Instagram berichtet hat. Irgendwie kamen dann immer mehr Menschen dazu, die interessiert hat, was ich teile.

Manche hadern mit der Berufsbezeichnung „Influencer“. Was verbinden Sie mit dem Begriff?

Dellert: Auf der einen Seite ist der Begriff „Influencer“ zu einem überladenen Feindbild geworden. Ich verstehe die Kritik dahinter, weil ich auch viele Kolleg*innen sehe und denke: Was für einen Scheiß haltet ihr in die Kamera? Auf der anderen Seite denke ich mir aber: Wenn Leute dies kritisieren, hinterfragen sie eigentlich, dass auch Musiker*innen, Sportler*innen und Schauspieler*innen zum Teil mit Werbung Geld verdienen und ebenso Influencer sind? Mir fehlt die Differenzierung. Es werden alle in die gleiche Schublade gesteckt.

Wie haben Sie anfangs Ihren Lebensunterhalt bestritten?

Dellert: Meinen Alltag habe ich mit dem Gehalt meines Bürojobs im Familienbetrieb finanziert. Neben der Festanstellung habe ich im Fitnessstudio gearbeitet, dort meine Trainerinnenlizenz gemacht und trainiert, um abzunehmen. Auf Instagram habe ich die Leute an diesem Prozess teilhaben lassen. Als ich realisiert habe, dass ich mit Einnahmen aus Fitness Workouts und Bootcamps, die ich für Follower gegeben habe, auskomme, habe ich meinen Job im elterlichen Unternehmen aufgegeben und mich komplett auf Social Media konzentriert.

Welche war Ihre erste Kampagne als Influencerin?

Dellert: Als ich das erste Mal über Instagram Geld verdient habe, handelte es sich nicht um eine Kooperation mit einem Unternehmen, sondern um den Verkauf eigener Produkte – meines selbstentwickelten Fitnessplans und einer Trinkflasche. Später kamen Unternehmen mit Kooperationsanfragen auf mich zu. Was genau die erste Kampagne war, weiß ich nicht mehr. Ich denke, es war ein Fitnessriegel oder Sportbekleidung.

Louisa Dellert © Laura Hoffmann
<sup>Louisa Dellert © Laura Hoffmann<sup>

Was haben Sie mit dem ersten bezahlten Posting damals verdient?

Dellert: So genau erinnere ich mich daran nicht mehr. Aber in der Anfangszeit ab 2013 ließen sich irgendwann etwa 1.000 bis 1.500 Euro mit einem Post verdienen. Wobei ich deren Häufigkeit bewusst in Grenzen hielt. Mir war immer wichtig, die Leute nicht mit Werbung vollzuballern, sondern vor allem den Fragen, die ich über die Welt habe, nachzugehen. Also einen Mehrwert liefern, statt nur zum Kaufen anzuregen.

Vor einigen Jahren haben Sie sich vom Fitness-Content verabschiedet. Warum?

Dellert: Menschen packen mich gerne in Schubladen: Erst war ich Fitnessinfluencerin, dann Selbstliebeinfluencerin. Jetzt bin ich Nachhaltigkeitsinfluencerin. Im Grund bin ich erstmal nur Lou, die sich weiterentwickelt und einfach keinen Bock mehr auf Sport hatte. Mitte 20 musste ich mich zudem wegen eines Lochs in der Herzklappe einer Operation unterziehen. Zu dem Zeitpunkt habe ich gemerkt, dass ich mich die letzten Jahre runtergehungert und unter Druck gesetzt hatte. Selbstliebe war etwas Persönliches, über das ich sprechen und das ich nach außen tragen wollte. Ich hatte auch keine Kraft mehr, jede Woche beruflich vier Hochleistungsworkouts zu machen.

Wann hat Sie Nachhaltigkeit als Thema gepackt?

Dellert: Mit meinem damaligen Freund war ich im Urlaub auf Malta. Im Wasser wollte ich ein typisches Influencer-Foto schießen. Doch überall um mich herum schwamm Müll. Im ersten Moment kam Enttäuschung auf, weil ich kein schönes Foto hatte. Dann folgte am Abend die Erkenntnis: Wie egoistisch ist es, ein cooles Foto haben zu wollen, aber sich nicht damit auseinanderzusetzen, warum der Müll im Meer ist? Ich habe mich für das Thema interessiert und entschieden, selbst etwas umzustellen und dies auf Instagram zu thematisieren.

Hat Sie die generelle Debatte um ­Klimawandel und Nachhaltigkeit beeinflusst?

Dellert: Viele denken über mich, ich sei einfach auf den Nachhaltigkeitszug aufgesprungen, aber im Grunde kam der erst ein Jahr später. Dass auf meinen Appell, achtsamer mit der Natur umzugehen, kurze Zeit später mit Friday for Future eine so wichtige Bewegung folgen würde, wusste ich nicht. Dafür bin ich natürlich dankbar, weil die Themen nun stärker in der Öffentlichkeit besprochen werden.

Wie hat Ihre Community den Themenwechsel aufgenommen?

Dellert: Mir hat mal eine Followerin gesagt, ich sei für sie wie eine digitale Schwester. Das hat mir die Augen geöffnet. Viele aus meiner Community sind schon von Anfang an dabei und in einem ähnlichen Alter wie ich. Die meisten gehen diesen Weg mit mir und erleben meinen Wandel mit. Auf Instagram folgen mir auch nicht die ganz jungen Leute. Auf Tiktok sind vielleicht ein paar Jüngere dabei, aber ich erreiche mit meinen Themen nicht die Gen Z, sondern eher meine Community der Gen Y, die mit mir wächst.

Sich für Nachhaltigkeit einzusetzen und gleichzeitig mit Kooperationen Geld zu verdienen: Inwiefern passt das zusammen?

Dellert: Oft heißt es, wenn ich mich mit Nachhaltigkeit befasse, dann darf ich damit kein Geld verdienen und keines von Unternehmen annehmen. Ich verstehe diesbezügliche Kritik teilweise – auch wenn ich dafür keine ultimative Lösung habe. Auf der einen Seite erreiche ich die Menschen, auf der anderen die Unternehmen. Solange ich den Unternehmen bei einer Kooperation meine kritischen Fragen und die meiner Follower stellen kann, finde ich es berechtigt, wenn sie dafür bezahlen. Schließlich profitieren sie von meiner Reichweite. Ich achte aber viel ausgewählter als früher darauf, mit wem und wie ich zusammenarbeite.

Worauf schauen Sie konkret bei Kooperationen?

Dellert: Ich brauche das Grundvertrauen, dass ich Sachverhalte kritisch hinterfragen darf. Ein Unternehmen muss das zulassen und meine Community sowie deren Bedenken mit einbinden. Wenn Firmen auf mich zukommen, sage ich ihnen, dieses oder jenes können wir gerne so machen. Es ist aber ebenso berechtigt, euch kritische Fragen zu stellen – beispielsweise wenn Unternehmen von sich sagen, dass sie klimaneutral seien, obwohl sie lediglich kompensieren. Bei einem Austausch ist mir wichtig, dass ich nicht mit der Presseabteilung spreche, sondern direkt mit den Nachhaltigkeitsverantwortlichen.

Bei dem Rucksack-Hersteller Got Bag gab es einen Greenwashing-Vorwurf. Daraufhin haben Sie und andere Influencer die Zusammenarbeit beendet. Welche Lehren ziehen Sie daraus?

Dellert: Man kann nie genug gewappnet sein. Ich kann nur auf das vertrauen, was mir Unternehmen an Nachhaltigkeitsberichten und internen Informationen zur Verfügung stellen. Daraus habe ich gelernt, weiter nachzufragen und auch vor Ort zu schauen.

Gehen Sie bei Partnerschaften seitdem anders vor?

Dellert: In Vorgesprächen gebe ich das Beispiel Got Bag gerne rein und erwarte Wahrhaftigkeit sowie Offenheit. Die Unternehmen sollen auf den Tisch legen, was Sache ist. Machen sie das nicht oder lügen sie mich an, beende ich öffentlich und medienwirksam sehr schnell die Kooperation. So wie im Fall von Got Bag. Etwa 80 Prozent aller Anfragen lehne ich ab, weil sie für mich nicht vereinbar sind und auch um ein Statement zu setzen.

Was sind Ihre Ausschlusskriterien?

Dellert: Wenn Unternehmen beispielsweise in Lieferketten nicht transparent genug sind oder mit Klimaneutralität werben, obwohl sie nur kompensieren, stelle ich Nachfragen. Können sie darauf keine schlüssigen Antworten liefern, schließe ich eine Zusammenarbeit von vornherein aus. Ich möchte nur gezielt den Content machen, zu dem ich Lust habe und hinter dem ich stehe, aber nicht von Werbepartnerschaften abhängig sein.

Wie entwickeln Sie Inhalte und spielen diese aus?

Dellert: Das erfolgt individuell und entsteht zusammen mit dem Unternehmen. Gemeinsam überlegen wir, wo sich Transparenz reinbringen und wie sich etwas visualisieren lässt. Das Thema soll so gut wie möglich nach außen kommuniziert werden. Ansonsten entstehen viele meiner Inhalte spontan. Wenn mich ein Thema interessiert, recherchiere ich es und überlege, wie es sich in meinen Content einbinden lässt, um mit meiner Community darüber zu sprechen.

Wie läuft die Content-Erstellung praktisch ab?

Dellert: Im Vorfeld gibt es Meetings mit dem Kunden. Es werden das Thema, die Erwartungshaltung und die Wünsche besprochen. Die Inhalte erstellen wir vor Ort. Es ist immer jemand dabei, der mich mit dem Smartphone aufnimmt. Ich sauge alle Inhalte des Tages auf und überlege, welche davon am interessantesten sind. Zu Hause schneide ich am Handy aus den einzelnen Aufnahmen ein Video, lege ein Voice-over darüber, schreibe den Text dazu und dann ist das Posting fertig.

Das klingt, als wäre ein Videoclip mal eben erstellt.

Dellert: Das täuscht. Was sich nach einer Stunde Arbeit anhört, dauert durchaus länger. Ich mache vieles allein, weil ich nicht gut abgeben kann. Und weil niemand so gut meine Kommunikation versteht wie ich. Also gibt es Sachen, die nur ich mache.

Was macht einen erfolgreichen Post aus?

Dellert: Meistens schauen die Werbepartner – berechtigterweise – nach der Reichweite und immer noch nach den Likes. Ich finde, sie müssten stärker darauf schauen, was Menschen unter einem Posting kommentieren und welches Feedback sie dem Unternehmen damit geben. Community Management und Engagement halte ich für wichtiger als Views und Likes.

Welche Funktionen haben die unterschiedlichen Social-Media-Plattformen für Sie?

Dellert: Auf Linkedin ist der Austausch größtenteils sehr konstruktiv. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich finde es schön, dass ich dort Unternehmen direkt erreiche. Ich bin dort auch mal kritischer. Ich habe kürzlich ein Posting zum Greenwashing eines Unternehmens gemacht. Ich hoffe, dass damit der ein oder andere Impuls in die Marketingabteilung geht und intern weitergetragen wird. Instagram ist die Plattform, auf der ich groß geworden bin. Deshalb fühle ich mich dort so wohl. Und Tiktok mache ich hin und wieder, wenn ich mal Lust dazu habe. Um Gespräche zu führen, nutze ich meinen Podcast – auch wenn er gerade pausiert.

Wie lässt sich eine starke Haltung mit dem Influencer Marketing vereinbaren? Oder braucht es sie sogar für Erfolg?

Dellert: Wenn jemand bequemes Influencer Marketing betreibt, braucht es keine Haltung. Denn aufgrund von Haltung kann man bestimmte Produkte nicht bewerben. Ich würde mir jedoch von Kolleg*innen wünschen, wenn sie das ein oder andere Mal Kooperationen ablehnen würden, weil es der größte Mist ist und sie damit ihre Community verarschen. Im Hinblick auf unser Konsumverhalten und Wirtschaften sowie die Klimakrise ist Haltung im Influencer Marketing nötig.

Wie wird sich Influencer Marketing in den nächsten Jahren Ihrer Meinung nach entwickeln?

Dellert: Die Gen Z ist kritischer und hinterfragt stärker. Sie ist teils genervt von Werbung und erkennt, wenn ihr Mist erzählt wird. Daher ist es schon jetzt für Unternehmen herausfordernder, ihre Produkte unter die Leute zu bringen. Diese kritische Haltung der Kosument*innen wird voraussichtlich etwas sein, das Unternehmen die nächsten Jahre stärker begleiten wird.

Louisa Dellert (32) ist Unternehmerin, Moderatorin und Influencerin. Nach dem Abitur und einer Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation arbeitete sie im Familienbetrieb, bis sie 2013 den Weg in Richtung Social Media einschlug. Einst gestartet mit Fitness- und Ernährungstipps, liegt ihr Schwerpunkt seit einigen Jahren auf dem Thema Nachhaltigkeit. Sie erreicht über Instagram 460.000, über Tiktok knapp 60.000 und über Linkedin rund 50.000 Menschen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Influencer. Das Heft können Sie hier bestellen.

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