Prozesse in Geschichten verwandeln

Nachhaltigkeit

Die Klimakrise ist auch eine Kommunikationskrise, in der uns als Kommunikator:innen eine tragende Rolle zukommt. Ich vergleiche uns in diesen von zahlreichen Krisen geprägten Zeiten gerne mit einem Kraftstoff, der die dringend benötigten Veränderungen maßgeblich mit anschiebt. Die Mehrheit der Unternehmen kommuniziert zwar bereits, als sei die Rettung eine ausgemachte Sache. Der tägliche Blick in die Nachrichten zeichnet jedoch ein anderes Bild. Genau diese Diskrepanz ist ein Kommunikationsproblem und für mich die entscheidende Herausforderung für das kommende Jahr.

2023 sollte es meiner Meinung nach noch stärker darum gehen, von theoretischen Zieldiskussionen in eine transparente Kommunikation zu kommen, die den Nachhaltigkeitsweg und die dabei entstehenden positiven wie negativen Herausforderungen der Unternehmen begleitet. Das bedeutet für viele Unternehmen ein ständiges Tauziehen: Auf der einen Seite steigt die Bereitschaft, sich für eine kritische Auseinandersetzung mit Themen zu öffnen, um Synergien zu schaffen. Auf der anderen Seite wächst vor dem Hintergrund der sich intensivierenden Greenwashing-Debatten die Hemmung, sich zu öffnen und sich als Unternehmen auch mal angreifbar zu machen. Wie sollen Organisationen damit umgehen? Fünf Punkte sind für mich entscheidend.

Kritischer Selbstcheck

Es ist wichtig, immer wieder einen Schritt zurückzugehen und sich kritisch zu fragen: Will ich mich als Unternehmen langfristig mit dem Thema beschäftigen? Wenn ja, über was konkret und mit welchem Fokus möchte ich zum Thema Nachhaltigkeit sprechen? Wenn ein Unternehmen sich noch ganz am Anfang befindet, kann die Antwort auch sein, sich zunächst auf die interne Nachhaltigkeitstransformation zu fokussieren und vorrangig intern zu kommunizieren. Möchte ein Unternehmen in die Außenkommunikation gehen, ist es empfehlenswert, über die reine Produktkommunikation hinaus zu denken und das große Ganze im Blick zu behalten. Neben der ganzheitlichen Betrachtung brauchen Unternehmen dann vor allem eines: Ausdauer! Nachhaltigkeit ist ein langfristiges Transformationsthema und kein kurzfristiger Erfolgstreiber.

In der Lebensrealität der jeweiligen Stakeholder kommunizieren

Unternehmen müssen sich kritisch fragen, welche Erwartungshaltungen die relevanten Stakeholder haben. Mit welchen Botschaften und welcher Ansprache kommuniziere ich mein übergeordnetes Narrativ konsistent über die relevanten Kanäle? Das mag sich erstmal einleuchtend anhören, doch ein echter Perspektivwechsel fällt oft schwer. Zentral ist hier das wirkliche Umschalten von der Inside-out- zu der Outside-in-Betrachtung. Ein Beispiel: Mit unserem Kunden Bosch Hausgeräte haben wir uns genau dieses Instruments bedient. Wir haben uns gefragt, wie Bosch Hausgeräte mit dem Thema Nachhaltigkeit eine nachweisbare Wirkung bei den relevanten Stakeholdern – in dem Fall den Konsumenten – erzielen kann. Studien zeigen, dass die negativen Umweltauswirkungen im Bereich der Hausgeräte vor allem in der Küche stattfinden – und zwar in Form von Küchenabfällen. Basierend auf dieser Erkenntnis entwickelte unser Team eine Social-Content-Serie mit innovativen Rezepten und Tipps, um Küchenreste so gut wie möglich zu verwerten und Abfall zu reduzieren.

Prozess- statt Erfolgskommunikation

Sich als Unternehmen eigene Erfolge ins Schaufenster zu hängen, kann sicher motivierend sein. Doch im Falle der Nachhaltigkeitskommunikation sollten Unternehmen auch transparent über Herausforderungen und Fehler sprechen. Kommunikationsmaßnahmen sollten nicht nur auf Beifall abzielen, sondern Transparenz fordern und fördern. Ein Beispiel hierfür ist der Brillenhersteller Ace & Tate mit seiner Kommunikation rund um die Zertifizierung als Certified B Corporation im Jahr 2021. Mit den sogenannten „Bad Moves“ reflektiert das Unternehmen seine Nachhaltigkeitstransformation kritisch, damit anderen Unternehmen aus den Fehlern lernen können.

Flip the narrative

Wir brauchen 2023 neue Formate und Geschichten. In Zeiten, in denen Weltuntergangsnarrative und Greenwashing-Meldungen die Medien dominieren, wird es wichtiger denn je, neue, motivierende und nachvollziehbare Erzählungen zu finden. Das können beispielweise lokale Initiativen und Aktionen sein, die übergeordnete Nachhaltigkeitsüberlegungen konkret machen. Oder anschauliche Vergleiche, die 30.000 Tonnen gesparte CO2 oder 7.000 gesparte Liter Wasser in ein greifbares Verhältnis setzen. Wenn Unternehmen diese Geschichten in den richtigen Formaten in den für die Stakeholder relevanten Kanälen ausspielen, kann dies ein zentraler Erfolgstreiber für wirkungsvolle Nachhaltigkeitskommunikation sein.

Um es in den Worten von Kommunikationsexpertin Solitaire Townsend zu sagen: „Stories might matter more than settling goals. Or at very least, for the goals to have a chance of succeeding, they’ve got to have better stories around them.”

Vorleben, was man selbst fordert

Nachhaltigkeit ist nicht nur als Thema in Kommunikationsbotschaften und -strategien wichtig, sondern sollte auch in der Umsetzung von Anfang an mitgedacht werden – von der Planungsphase, dem Briefing über die Erstellung von Inhalten bis hin zum Roll-out der Aktivitäten. Bei der Publicis Groupe haben wir dazu eine „Sustainable Production Guideline“ entwickelt, die auch im Fall des oben genannten Beispiels bei Bosch Hausgeräte umgesetzt wurde. Hier ging es darum, die nachhaltigen Inhalte selbst möglichst umweltschonend zu produzieren. Das bedeutete, dass zum Beispiel kein Haarspray an den Lebensmitteln verwendet wurde, so dass die Lebensmittel im Anschluss vom Catering für den Verzehr aufbereitet werden konnten. Es wurde geliehene statt gekaufter Bekleidung verwendet und es gab nur wiederverwendbare Trinkflaschen. Das Fotostudio selbst war so zeitlos gestaltet, dass es noch heute für Shootings und Drehs genutzt wird.

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