Nicht um den heißen Brei herumschreiben

Pressearbeit

Einer meiner Kunden hatte vor kurzem eine Veranstaltung absagen müssen: verkalkuliert, zu wenige Aussteller, zu wenige Anmeldungen, wirtschaftlich in der bestehenden Form nicht mehr haltbar. So etwas ist nie schön, und wie man das kommuniziert, muss wohlüberlegt sein. Gar nicht zu kommunizieren ist jedenfalls keine Lösung. Das wusste schon Paul Watzlawick: Man kann nicht nicht kommunizieren. Je mehr Schweigen oder Rumgeeiere (meine Güte, was für ein Wort) in einem solchen Krisenfall, desto größer der Schaden am Ende. Das Erzbistum Köln zeigt uns regelmäßig, wie man es nicht machen sollte.

Tacheles reden ist das eine, die richtige Reihenfolge einhalten etwas anderes. Also erst interne Kommunikation, dann externe Kommunikation. Die Mitarbeiter wurden als erste informiert, dann die Aussteller und Referenten, die bereits angemeldeten Teilnehmer, schließlich Presse und Soziale Medien.

Auf den Punkt kommen

Für alle Adressaten und Kommunikationskanäle einschließlich der Pressemitteilung haben wir uns für eine knappe, offene, ehrliche Kommunikation entschieden. Wie oben geschrieben: zu wenig Interesse und Anmeldungen bei Ausstellern und Teilnehmern, wirtschaftlich nicht tragbar, folglich der – zugegeben etwas abgedroschene – Satz mit dem „Reißleine ziehen“.

Die Resonanz war – Achtung! – sehr positiv. Ein Chefredakteur schrieb uns zurück: „Endlich mal eine Pressemitteilung, in der nicht um den heißen Brei geschrieben wird.“ Ein anderer bot an, zusammen mit seinem Verlag als Kooperationspartner die virtuell geplante Veranstaltung doch noch durchzuführen. Aussteller reagierten mit Verständnis und guten Wünschen.

Das hat uns angenehm überrascht, ist aber auch keine Zauberei, sondern schlicht Offenheit und Klarheit in der Kommunikation. Oder – wie es der Sprecher der Bundesregierung Steffen Hebestreit in einem Interview mit dem Fachmagazin journalist ausdrückte: “Mein Job ist es, in Gesprächen, Interviews und Pressekonferenzen die Politik und die Komplexität zu erläutern. Transparenz herzustellen.”

Journalisten immer ehrlich, PR immer Lügen?

Gemeinhin gehen viele, die sich Journalisten nennen, zumindest in ihrem Wording noch immer davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen, die sich Pressesprecher nennen, geschönt kommunizieren oder gar lügen. Den Vorwurf muss ich mir als in der PR journalistisch arbeitender Berater und Autor regelmäßig von einem Kollegen anhören (der – das ist das besondere Schmankerl – früher selbst Pressesprecher war und heute als freier Journalist arbeitet). Das liest sich auch wieder in dem genannten Interview mit Steffen Hebestreit so, in dem der Autor den Regierungssprechern unterstellt, dass sie “nicht dafür da sind, Wahrheiten zu kommunizieren, sondern Regierungshandeln.” Eine gar nicht mal so latente Unterstellung, die Hebestreit mit dem Satz kontert: “Für jeden Regierungssprecher, jede Regierungssprecherin gilt: Du darfst nicht lügen.”

In punkte Ehrlichkeit und Akzeptanz scheint die Kommunikation zwischen Journalisten und Pressesprechern manchmal noch immer schwierig zu sein – oder vielleicht auch schwieriger denn je in einer Zeit, in der komplexe Zusammenhänge in vereinfachte Botschaften gepresst und unkontrolliert über den Äther gejagt werden, noch bevor die Erklärung des Komplexen abgeschlossen wurde. Das führt immer wieder zu Ärger, weil zu Falschmeldungen oder Einseitigkeiten, bei denen der Journalismus die wichtige Gründlichkeit zugunsten einer unwichtigeren Schnelligkeit verliert und ab und an die objektive Berichterstattung der subjektiven Meinung und Mitteilungswut einzelner Journalisten zum Opfer fallen. Hierzu verweise ich auf meinen früheren Kolumnen Wie machen wir den Journalismus besser? und Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Journalisten und Pressesprecher dürfen sich loben und kritisieren

Das sind Einzelfälle, keine Frage. Aber sie belasten immer wieder eine gute, transparente und informative Kommunikationsarbeit. Schön wäre, wenn eben genau das nicht der Fall ist, was Hebestreit in dem Interview auch sagt: “Wenn ich von journalistischer Seite Lob bekäme, würde ich vermutlich einiges falsch machen.” Wieso? Das muss nicht sein. Beide Seiten des kommunikativen Schreibtisches können ihres dazu leisten, dass Kommunikation funktioniert und Botschaften unverfälscht ankommen und wirken. Da darf man sich auch mal gegenseitig loben.

Man darf sich auch gegenseitig kritisieren, Fehler anmerken, auf die Trennung von Objektivem und Subjektivem pochen. Mehr Ehrlichkeit, mehr Vertrauen, mehr Transparenz. Wenn sich dann auch noch etwas ändert – in der PR wie im Journalismus – dann sind wir einen großen Schritt weiter in unserer manchmal sehr hektischen und unüberlegten Massenkommunikation.

 

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