„Mann, Mann, Mann …“ – diese minimalistische Redewendung verbinde ich direkt mit Bjarne Mädel, dem großartigen Schauspieler („Der Tatortreiniger“), der in der früher sehr erfolgreichen Fernsehserie „Mord mit Aussicht“ den intellektuell etwas leicht gebauten Polizeiobermeister Dietmar Schäffer mimte. Schäffer stand dabei nicht nur manchmal ein wenig neben den Dingen, er war auch leicht aus der Ruhe zu bringen, wenn wider Erwarten in der kleinen Polizeistation von Hengasch mehr als einmal am Tag das Telefon läutete („Mann, Mann, Mann, ist das wieder ein Stress heute“).
An dieses „Mann, Mann, Mann“ musste ich unweigerlich denken, als ich jüngst bei einer Schreibübung in einem meiner Seminare den Text einer Teilnehmerin las. Sie selbst sagte schon vorab über ihren Beitrag, er sei so spröde und trocken. Sie wisse nicht genau, warum, aber irgendwie sei er nicht so flott und unterhaltsam und mitreißend geschrieben wie die Texte anderer Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Es ist immer ein erster wichtiger Schritt, wenn die Urheber selbst ein Gespür dafür entwickeln, ob ihr Text zieht oder nicht. Denn das ist ja das Ziel eines Textes beziehungsweise des darin umgesetzten Inhaltes: er soll die Empfänger, die Leserinnen und Leser (bei einer Rede die Zuhörerinnen und Zuhörer) erreichen; am Ende soll eine Botschaft hängenbleiben.
War hier aber nicht so. Warum der Text so spröde und trocken war? – Mann, Mann, Mann … Viele Menschen, vor allem in der öffentlichen Verwaltung, in Ministerien, im Mittelstand und in der Juristerei setzen leider oft mehr auf Substantive als auf Verben, auch das kann einen Text fürchterlich spröde machen. Das war hier aber gar nicht das Problem. Verben kamen vor. Aber zu den verbmäßig beschriebenen Handlungen gab es keine handelnden Personen. Keine Akteure. Es kamen einfach keine Menschen vor. „Man sagt …“, „man macht …“, „man hat gesehen …“, „man schreibt …“, „man liest …“ – alles richtig, aber alles fürchterlich unlebendig. Weil eben keine Lebewesen agieren, sondern nur „man“.
Aktiv schreiben, Akteure benennen
Darum lautet eine Regel im journalistischen Schreiben, dass Texte aktiv formuliert werden sollen (was jetzt übrigens eine Passiv-Formulierung war). Denn wenn ich aktiv statt passiv schreibe, muss ich als Autor in meinem Satz automatisch einen Akteur benennen. Es geht gar nicht anders.
Habe ich keinen konkreten Akteur, den ich benennen kann oder möchte, wird das dann wieder schwierig. Es gibt aber einen – im vorliegenden Fall von der Teilnehmerin beherzigten – Ausweg aus dem Dilemma. Ums „aktiv mit Akteur“-Schreiben kommt man eben ganz besonders gut herum, wenn man den personifizierten Akteur, das lebendige Individuum, einfach durch das Wörtchen „man“ ersetzt. „Man hat gesehen, wie man sich zu helfen weiß, indem man das Problem mit personifizierter Anonymisierung statt sprachlicher Individualisierung löst.“ Passt doch.
Aber mal im Ernst: Wie oft passiert es mir selbst, dass ich unweigerlich von „man“ spreche statt von mir. So als wolle ich eine klare Aussage treffen, mich aber gleich wieder davon distanzieren. Bloß nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Das Wörtchen „man“ ist weit verbreitet. Liegt vielleicht daran, dass viele von uns mit dem Satz „Das macht man nicht“ aufgewachsen sind.
Konkret statt abstrakt schreiben
Besonders im Umgangssprachlichen ist „man“ verbreitet. Es ist also häufig gar keine Absicht, wenn Autoren in ihren Texten derlei unpersönliche Akteure benennen. Es passiert einfach. Das ist auch nicht weiter schlimm, wenn wir nur wissen, wonach wir suchen müssen, wenn uns ein Text unpersönlich, dröge oder langweilig vorkommt.
Der Ausweg aus der Nicht-Personifizierung (also einer Art „Manifizierung“) führt über die Konkretisierung. Wer konkret schreibt, hat oft klare Botschaften, genaue Zahlen oder konkrete Personen im Blick. Konkret geschriebene Texte haben dann auch noch den Vorteil, dass sie seltener zu Missverständnissen führen (siehe meine Kolumne zur juristischen Berichterstattung).
Bjarne Mädel hatte übrigens nach seinem Ausstieg bei „Mord mit Aussicht“ die Bedingungen für die Produktion beim Fernsehen kritisiert, wonach immer weniger Zeit zur Verfügung stehe, in der aber bitte schön gleichbleibende Qualität abgeliefert werden solle. Das geht natürlich nicht so gut. Beim Schreiben von Texten übrigens auch nicht. Wer „man, man, man“ vermeiden möchte, braucht Zeit für eine gründliche Recherche (nach den konkreten Akteuren) und eine saubere Textgestaltung. Viele entdecken in diesem Dilemma künstliche Intelligenz als Hilfsmittel für sich. Das ist legitim, aber nicht der Weisheit letzter Schluss. Mehr dazu gibt es beim nächsten Mal.