Social Media – aber richtig

Herr Backhaus, Sie vertreten die These, Social Media als Kommunikationsinstrument seien zu jung, um definitiv sagen zu können: „So geht’s richtig und so nicht.“ Demzufolge kann es auch keine in Stein gemeißelten Weiter- und Ausbildungswege geben. Angenommen, Sie würden einen Mitarbeiter suchen. Was wäre Ihnen bei der fachlichen Beurteilung von Kandidaten besonders wichtig? IT-Verständnis, Studium der Betriebswirtschaftslehre, IT-Talent, Kenntnisse in Medienrecht oder überdurchschnittlich gutes Gefühl für die Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen?

Daniel Backhaus: Das kommt darauf an, für welche Position man jemanden sucht. Aktuell suchen alle nach dem sogenannten Social-Media-Manager, aber auch Community-Manager sind ein wichtiger Bestandteil eines Social-Media-Teams, und die gab es schon lange vor dem sogenannten Social Web.

Wenn ich für die erstgenannte Position suchen würde, würde ich losgelöst von der Ausbildung in erster Linie nach den Softskills gesunder Menschenverstand, Ausdauer und Empathie suchen. Wenn dann noch eine Prise Mut zum Unkonventionellen und analytisches Verständnis on top kommen, hätte man einen guten Kandidaten gefunden. Ob dieser dann seine Ausbildung an der Uni oder bei einem privaten Anbieter gemacht hat, wäre für mich kein Kriterium mehr.

Was sind die gravierendsten Fehler, die ein Unternehmen bei der Implementierung von Social Media machen kann?

Ich finde, den gravierendsten Fehler gibt es nicht. Es ist eher eine Verkettung von vielen kleineren Fehlern. Als ersten würde ich nennen, dass das Thema unterschätzt und einer Abteilung on top gegeben wird. Das sind meist die Marketing- oder Kommunikationsabteilungen. Dort wird es dann, mangels Ressourcen, nebenbei und lieblos betrieben. Als zweiten Fehler würde ich nennen, dass die Komplexität des Themas unterschätzt wird. Benötigt werden gut ausgebildete Menschen, die Teil des digitalen Kosmos sind und sich dort zu bewegen wissen. Die sind schwer zu finden und kosten Geld. Zwei Argumente, es doch dem Kollegen aus dem Marketing zu überlassen.

Sind Sie in Ihrer Rolle als Dozent der Überzeugung, Absolventen oder Lernende sind sich der kommunikativen Durchschlagkraft der Social-Media-Kanäle bewusst? Und hegen Sie ab und zu den Verdacht, „Neulinge“ würfen klassische Unternehmenskommunikation, PR und Social Media gedanklich in einen Topf?

Das ist eine gute Frage. In meiner Rolle als Dozent erlebe ich es immer wieder, dass Lernende die naive Vorstellung haben, Twitter und Facebook zu beherrschen sei schon die halbe Miete für eine Tätigkeit im Bereich der sozialen Medien. Aber auch der umgekehrte Fall kommt vor, dass sich Studenten im digitalen Bereich weiterbilden wollen, aber weder ein Facebook- noch ein Twitter-Konto haben.

Alle sind sich zwar dessen bewusst, dass die sozialen Medien eine enorme Durchschlagskraft haben, unterschätzen aber oder vergessen sogar, dass Social Media nur zu fünf Prozent aus gut gemachten Posts und eloquent beantworteten Tweets besteht. Ein Hauptteil der Arbeit besteht darin, die Unternehmen prozessual, strukturell und kulturell auf die digitale Transformation vorzubereiten.

Viele Unternehmen nutzen noch altbekannte Marketingmethoden. Halten Sie die Wirkung von Storytelling sowie interaktive Dialoge und Content-Strategien für überbewertet?

Nein. Ich halte die Wirkung eher noch für unterschätzt, dabei ist es so offensichtlich. Der Mensch behält gut erzählte Geschichten einfach länger und erzählt diese weiter. „Länger behalten und weitererzählen“ ist eines der Hauptziele von Marketingaktivitäten, und insofern sind Storytelling und Marketing eng verwandt.

Die Herausforderung besteht darin, gute Geschichten zu erzählen. Insofern wird das „altbekannte“ Marketing nicht aussterben, muss aber insbesondere in den digitalen Kanälen um intelligente, narrative Formate ergänzt werden.

Stellen Sie sich vor, Sie erhielten den Anruf eines HR-Recruiters, der für sein Unternehmen Mitarbeiter für Social Media qualifizieren lassen möchte. Welche Summe müsste er pro Kopf veranschlagen?

Meine Gegenfrage wäre: „Was verstehen Sie unter Social Media?“ Das Problem ist: Dieser Begriff ist so weich, dass ein sinnvoller Rat nicht möglich ist. Wenn der HR-Recruiter die zu besetzende Stelle genauer bezeichnen kann, würde ich ihm Rat geben können.

Jemand für eine leitende Funktion wird eine andere Art der Weiterbildung benötigen als ein Mitarbeiter im Kundendialog. Daher ist es schwer zu quantifizieren, wie viel Geld und Zeit man benötigt, um sich in diesem Bereich weiterzubilden. Eines jedoch steht fest: Eine Weiterbildung ist essentiell für den professionellen Umgang mit den digitalen Herausforderungen und Chancen. Und da diese Kanäle unsere Zukunft begleiten werden, ist eine Investition darin gut angelegtes Geld.

Zur Person

Daniel Backhaus (c) Daniel Backhaus

Daniel Backhaus (c) Daniel Backhaus

Daniel Backhaus, ist Social-Media-Coach und Dozent. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Social Service Design in den Ausrichtungen Storytelling, Kundendialog und Enterprise 2.0. Als Privat-Dozent an der FH Köln hält er Vorlesungen im Fachbereich Kommunikation für angehende Social-Media-Manager.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Aus- und Weiterbildung. Das Heft können Sie hier bestellen.

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