Prominente Ausrutscher und ihre Lehren

Auftreten im Medienkontakt

Als Late-Night-Legende Harald Schmidt seinen langjährigen Auftraggeber, den Fernsehsender Sat.1, kurzerhand als „Unterschichtenfernsehen“ verspottete, da lachten viele, denn von „Dirty Harry“ war man so etwas gewohnt.

Doch als Thomas Ebeling im Dezember 2017 die Zuschauer des Privatfernsehens „übergewichtig“ und „arm“ nannte, da lachte niemand mehr. Denn von Ebeling war man so etwas nicht gewohnt. Schließlich war er kein Comedian, sondern der Vorstandsvorsitzende der Prosieben Sat.1 Media SE, damals ein Dax-Konzern. Und in dieser Funktion sagte er frei von der Leber weg, wie er seine Kunden sieht.

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Eigentlich wollte Ebeling nach schlechten Quartalszahlen die Journalisten und Aktienanalysten in zwei Telefonkonferenzen beruhigen. Doch als ein Teilnehmer fragte, ob Netflix und Co. mit ihrer großen Auswahl ihm nicht die Zuschauer wegnehmen, antwortete Thomas Ebeling: „They are human beings who are slightly obese, slightly poor, who still like to sit on the couch and lean back and really like to get entertained. This is a key audience which is not changing.“

Eher übergewichtig, eher arm – diese Worte wurden zum großen Aufreger der eigentlich friedlichen Vorweihnachtszeit. Mit dieser Formulierung brachte Ebeling sogar gleich einen doppelten Auffahrunfall zustande. Denn zum einen klang es für viele überheblich, so über Menschen zu reden, von denen man lebt. Zum anderen tauchte sofort die Frage auf, ob eine solche Kundschaft wirklich die Wachstumsstory eines börsennotierten Medienkonzerns einlösen kann.

Lahme Beschwichtigungsversuche

Die Pressestelle machte Beschwichtigung as usual, die Äußerung sei aus dem Zusammenhang gerissen. Ebeling selbst versuchte sich mehr schlecht als recht zu entschuldigen. Doch für seinen rhetorischen Doppelfehler gab es keine plausible, erlösende Erklärung. Wie auch? Vier Tage später gab ProSiebenSat.1 das Ausscheiden des CEO bekannt.

Ob es auch so gekommen wäre, wenn Ebeling stattdessen gesagt hätte, was er wirklich sagen wollte? Es wäre nämlich sogar recht einfach gewesen – zum Beispiel so: „Unsere Kunden sind doch ganz normale Menschen. Die wünschen sich doch auch in Zukunft ein Fernsehprogramm, bei dem man sich auf dem Sofa zurücklehnen kann, weil man gut unterhalten wird. Und genau das bekommen sie bei uns.“

Man sieht: Der gleiche Sachverhalt wird dadurch ebenso zutreffend beschrieben – nur deutlich beziehungsschonender und die Strategie unterstützend, statt diese fragwürdig zu machen.

„Ganz normale Menschen“ – dass sogar diese einfache Formulierung auch ganz schnell problematisch werden kann, zeigt der Fall von Gerhard Schindler.

Der vormalige Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) wurde 2013 von Bild am Sonntag interviewt, und die Eingangsfrage lautete: „Herr Schindler, Sie haben jüngst erklärt, wie ein BND-Agent aussehen sollte: mit Sakko, aber ohne Krawatte, flotter Haarschnitt, hellwache Augen mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. Klingt wie eine perfekte Beschreibung von Sean Connery oder Daniel Craig als James Bond.“

Reden, ohne nachzudenken

Gerhard Schindler antwortete: „Das haben Sie jetzt falsch verstanden. Ich wollte mit dieser kleinen Skizze nur sagen, dass hier bei uns im Bundesnachrichtendienst ganz normale Menschen arbeiten, die Freude an ihrer Tätigkeit haben.“

Finden Sie diese Antwort gut? Ich finde sie unterirdisch schlecht. Es ist eine Antwort, die doch gewisse Zweifel aufkommen lässt an der rhetorischen Zurechnungsfähigkeit von Schindler, aber auch von seinem Pressesprecher (der das entweder gar nicht bemerkt oder nicht wieder eingefangen hat).

Denn zum einen sagt Schindler, mal im Klartext übersetzt, zu dem Journalisten, dass dieser leider etwas zu doof ist, um ihn richtig zu verstehen. Zum anderen vermittelt er ein Bild von seinen Mitarbeitern, das doch sehr fragwürdig ist: „Ganz normale Menschen“ – arbeiten die für den BND?

Als ich es las, wollte ich am liebsten schreien: Hoffentlich nicht! Hoffentlich arbeiten beim BND nur die Besten! Umfassend qualifiziert, ständig trainiert, hoch motiviert. Solche und keine anderen Menschen sollten für den BND arbeiten – denn er ist der deutsche Auslandsgeheimdienst, der uns vor Gefahren durch Terroristen, Islamisten und anderen Gefahren aus aller Welt schützen soll. Ganz normale Menschen? Die arbeiten beim Staat doch eher bei der unteren Wasser- und Schifffahrtsbehörde.

Und wo wir schon dabei sind: Was meinte der inzwischen ehemalige Geheimdienstchef Schindler eigentlich genau damit, als er sagte, dass BND-Geheimagenten „Freude an ihrer Tätigkeit haben“? Meinte er Schläge beim Verhör? Gezielte Schüsse in den Kopf?

Bitte kein Phrasen-Recycling!

Reden, ohne nachzudenken, ist schlimm. Aber fatal wird es, wenn, ohne nachzudenken, geschrieben wird, was andere sprechen sollen. Einer der häufigsten Fehler der Auftragskommunikation ist das Rede-Recycling, die rhetorische Leichenfledderei. Sie wird von Pressesprechern jeden Tag betrieben – entweder mangelt es an Zeit oder an Ideen, oft auch an beidem.

Das geht lange gut, aber irgendwann fällt es auf. Dann wird es peinlich. So gratulierte Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst dem Abiturjahrgang 2018 mit den Worten: „Dieses exzellente Abitur ist Ausdruck von großer Anstrengung, enormem Fleiß und einer konsequenten Lerneinstellung der Schülerinnen und Schüler. Die Abiturienten haben gut geackert. Jetzt sollen sie die Ferien genießen.“

Das klingt eigentlich ganz gut – aber nicht vier Jahre nacheinander. Denn schon 2017, 2016 und 2015 dankte bereits der vorherige Bildungsminister Günter Baaske den Abiturienten jedes Mal mit den genau gleichen Worten. Dass in der Schule abgeschrieben wird, ist bekannt. Wenn es auch die Pressestelle eines Bildungsministeriums tut, wird daraus eine Mediennachricht. Sprecher Ralph Kotsch, zuvor selbst erfahrener Journalist der Berliner Zeitung, tat das einzig Richtige. Er trug den Spott mit Fassung und erklärte: „Im nächsten Jahr machen wir mal was anderes.“

Trotzdem stellt mich diese Antwort nicht zufrieden. Denn im direkten Medienkontakt wäre es mir lieber, Pressesprecher würden es nicht nur anders, sondern besser machen.

Lesen Sie mehr Berichte und Interviews vom Kommunikationskongress 2018 in unserem Dossier (hier klicken).

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe MUT. Das Heft können Sie hier bestellen.

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