„Die letzten Worte im Amt von mächtigen Menschen sind zugleich die ersten Worte der Geschichtsschreibung in eigener Sache. Bei starken Persönlichkeiten geben sie oft erstaunlich viel preis, während dagegen die charakterlosen Figuren ein letztes Mal offenbaren, wie sie wirklich sind: ignorant, verlogen, nachtragend – die ganze Spannweite von kleingeistig bis größenwahnsinnig tritt in solchen Abschiedsworten zutage. Manche werden durch ihre eigenen letzten Worte bis zur Kenntlichkeit entstellt.
Dies verhindern wollen Pressesprecher, Redenschreiber, Berater und Juristen, indem sie intensiv an solchen Worten feilen – und so klingt es dann auch oft. Doch der Moment des Abschieds ist für viele hochrangige Akteure zu einschneidend. Deshalb wollen viele ihre Gedanken, Gefühle und Motive auch selbst ausdrücken. Gerade beim Abschied gilt für viele Mächtige: Ich habe das letzte Wort, und es ist sogar von mir.
„Persönliche Erklärung“
Diese Überschrift kann man wörtlich nehmen. Oder für bare Münze, was dem Fall angemessener wäre. Was folgt, klingt wie Hoeneß pur. Hier sagt einer, was ihn bewegt.
„Nach Gesprächen mit meiner Familie…“
Eine der wenigen Floskeln, die den Schein wahren soll. Denn Uli Hoeneß kommt uns nicht vor wie ein Mensch, der eine Entscheidung abwägend mit anderen bespricht. Sondern er fällt sie, erklärt sie und steht dazu. Beim Zocken hat er wohl auch nicht vorher mit seiner Familie geredet. Nein, hier spricht ein Mensch, der braucht weniger einen Rat, was er tun soll. Sondern vor allem Beistand und Gefolgschaft bei dem, was er entschieden hat zu tun.
„…habe ich mich entschlossen, das Urteil anzunehmen.“
Auch hier zeigt der Manager Hoeneß keine Duldungsstarre, sondern Tatkraft. Mögen andere über ihn richten – es ist an ihm, das Urteil anzunehmen. Und es ist noch dramatischer, es nicht schweigend im Gerichtssaal anzunehmen, sondern dann, wenn man es will.
„Steuerangelegenheit“
Ja, ja, da war noch diese Angelegenheit. Hoeneß spricht über Millionenbeträge so locker wie Franz Beckenbauer über seine unehelichen Kinder. Angelegenheit? Es war ein Steuerstrafprozess, der Staat gegen Ulrich Hoeneß. Es fällt ihm doch immer noch schwer zu sagen, dass es darum ging.
„Ich habe meine Anwälte beauftragt…“
Wer andere dazu bringen kann, das zu tun, was er will, hat in der Abstufung die Wahl zwischen den Worten wie angewiesen – beauftragt – gebeten. Beauftragt ist die klare, aktive Sprache der Führungskraft, aber ohne die Hierarchie, die in ‚angewiesen’ steckt. Und doch nicht ganz eindeutig, denn beauftragt kann auch heißen: Die wollten in Revision gehen, aber ich nicht.
„Das entspricht meinem Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung.“
Man ist versucht zu ergänzen: Und die Taten entsprachen meinem Verständnis der Steuergesetze. Eine schwierige Passage, die indirekte Formulierung lässt die Substantive hohl klingen. Um so vieles stärker wäre hier der Tatmensch, der klare Worte spricht, etwa: „Ich sah mich immer als anständigen Menschen, und deshalb stehe ich auch ein für das, was ich getan habe.“ Denn das ist doch seine Botschaft: Auch wenn einige meiner Taten schlecht waren, so bin ich doch kein schlechter Mensch.
„Steuerhinterziehung war der Fehler meines Lebens. Den Konsequenzen dieses Fehlers stelle ich mich.“
Ein ungewöhnlicher Satzbau für einen aktiven Tatmenschen wie Hoeneß – und dennoch verständlich. Die harten Substantive Steuerhinterziehung und Konsequenzen stehen vorn, erst ganz hinten am Satzende kommt er selbst („meines Lebens“, „stelle ich mich“).
„Ich möchte damit Schaden von meinem Verein abwenden.“
Die zweite Floskel, denn der Schaden ist doch seit 2013 bereits da.
„Der FC Bayern München ist mein Lebenswerk und er wird es immer bleiben.“
Der FCB ist sein Leben – ja. Sein Lebenswerk – ja, auch. Aber seines ganz allein? „Der FC Bayern war mein Leben“- das wäre bei Hoeneß unrichtig, denn er hatte immer eine eigene Zukunft jenseits des Fußballs. Aufrichtig wären Worte wie „Der FC Bayern war die Liebe meines Lebens“, doch sei würden falsch verstanden. Viel mehr zeigen die Worte „ist mein Lebenswerk“ einen klaren Anspruch. Hoeneß spricht hier als Platzanweiser der Fußballgeschichte, er vergibt die Rückennummern für die letzten 20 Jahre für sich und allen anderen im FCB. Meine Prognose: Diese Formulierung aus Hoeneß’ Abschiedsworten dürfte in die Verlängerung gehen.
„Ich werde diesem großartigen Verein und seinen Menschen auf andere Weise verbunden bleiben solange ich lebe.“
Das ist die Coda seiner Schicksalssinfonie. Hier müsste Schluss sein. Es erzwingt eine Reaktion, ob Applaus oder Irritation. Der dann noch folgende Dank kommt sicher von Herzen, aber er wirkt wie um ein Haar vergessen und deshalb noch eben drangehängt.
Was bleibt?
In seinen Worten ist Uli Hoeneß wie eine Figur in den Romanen von Tom Wolfe. Er ist wahrlich „A Man in full“ – groß beim Einsatz, mannhaft beim Verlieren. Sein Botschaft ist: Es waren nicht andere, die mich besiegt haben. Ich war es selbst, es war mein Fehler, der mich stürzen ließ. Ich gehe jetzt diesen Weg