Das Grundrezept gegen jede Krise

Kolumne

In einem Seminar hatte mich vor einiger Zeit eine Teilnehmerin gefragt, wie erfolgreiche Krisenkommunikation aussehe. Was müssen sie tun, um ihr Unternehmen oder ihre Einrichtung (in diesem Fall war es ein Verband) im Fall des Falles ohne Imageschaden aus der Klemme zu kommunizieren?

Interessante Frage. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass sich der Erfolg von Krisenkommunikation oft nicht aus dem ergibt, was ich im Krisenfall sage oder mache. Meist entscheidet sich Erfolg oder Misserfolg nämlich schon lange davor. Und zwar in mehrfacher Hinsicht.

Das Verhalten macht die Krise

Allem voran steht natürlich die Kunst, eine Krisensituation – noch besser: die Ursachen für eine Krise – zu vermeiden. Wer für seine Doktorarbeit beherzt und ohne Nachdenken aus bereits Veröffentlichtem abschreibt oder gleich das ganze Werk von Dritten verfassen lässt, begibt sich erfahrungsgemäß auf nicht nur wissenschaftliches Glatteis. Auch Bilder von Nackedeis auf Rechnern in Parlamenten oder Abgeordnetenbüros widersprechen ganz sicher der öffentlichen Vorbildfunktion von Politikern.

Selbst der kaum noch zu überblickende Einbau von Schummel-Abgas-Software in Autos blieb nicht unbemerkt und lässt – da wir noch immer nicht alle tatsächlichen Details kennen – die ungeheuren Ausmaße anmaßender und strategischer Kundenveräppelung erahnen. Und prominente Steuerhinterzieher wie Klaus Zumwinkel oder Uli Hoeneß mussten mit ansehen, wie ihr privates finanzielles Treiben zur besten Sendezeit zum öffentlichen Aufmacher der „Tagesschau“ wurde. Derlei Beispiele gibt es viele. Wer da mit dem Finger auf andere zeigen wollte, braucht viele Finger (was das für Kommunikatoren bedeutet, habe ich hier aufgeschrieben).

Leichen im Keller sind grundsätzlich ein Risiko

Da hilft nur: Anständig bleiben. Denn – so der Düsseldorfer Rechtsanwalt Stefan Röhrborn im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Brand eins: „Am Ende kommt alles raus.“ Anders gesagt: Leichen im Keller sind grundsätzlich ein Risiko, denn auch der tiefste Keller wird irgendwann erkundet, und auch in die dunkelste Ecke scheint mal das Licht.

Aber auch eine professionelle Pressearbeit kann das Risiko, im Krisenfall kommunikativ baden zu gehen, mindern. Wer einen guten und vertrauensvollen Kontakt zu Medien pflegt, Einblicke gewährt, Informationen liefert und Sachverhalte einschätzen und bewerten hilft, den wird im Krisenfall nicht sofort eine tollwütige Medienmeute an den publizistischen Pranger stellen.

Der frühere Augsburger Bischof Walter Mixa hielt sich nicht an diesen Rat, sondern pflegte einen sehr eigenen, kritischen Stil im Umgang mit der Gesellschaft und den Medien. Entsprechend war man in den Redaktionen – sagen wir mal – einigermaßen schnell dabei, den unangenehmen Oberhirten kaltzustellen, als die ersten Aussagen möglicher finanzieller Unregelmäßigkeiten oder gar eines Prügel-Vorwurfs im Raum standen. Auf Deutsch: Da warteten einige Journalisten nur darauf, den unliebsamen Nörgler mundtot zu machen.

Der nun offensichtlichen Möglichkeit, es dem kontinuierlichen und anstrengenden Kritiker heimzahlen zu können, sind Medientugenden wie Objektivität und Fairness zum Opfer gefallen, wie die Welt später in einem Beitrag einräumte: „Der konservative Theologe, der immer gern ausgeteilt hatte, musste plötzlich einstecken. Dabei blieb das Gebot von (Hanns Joachim) Friedrichs, sich mit keiner Sache gemeinzumachen, in der Berichterstattung schon mal auf der Strecke.“ Auch die Unschuldsvermutung habe nicht immer gegolten, ein Verdacht wurde schnell als Tatsache dargestellt.

Oberste Pflicht: Presse und Öffentlichkeit informieren

Dabei erhöht sich der mediale Druck in mindestens dem gleichen Maße, wie man versucht, ohnehin Bekanntes vor der Presse geheim zu halten. Der Vattenfall-Konzern statuierte an seinem Kernkraftwerk Krümmel sozusagen ein Exempel, als er nach einem – zunächst einmal ja nicht lebensbedrohenden – Transformatorenbrand „selbst die einfachsten Grundregeln der Krisenkommunikation missachtete“ (Die Zeit). Journalisten und Anwohner konnten nur Rauchwolke und Feuerwehr sehen, Informationen wurden ihnen aber verwehrt. Das setzt eine gefährliche Spirale von Vermutungen in Gang, die dem öffentlichen Image nicht zuträglich sind. In diesem Fall kostete das auch ein paar Jobs. Der Chef der deutschen Kernkraftsparte von Vattenfall musste ebenso gehen wie der Leiter der deutschen Konzernkommunikation.

Darum bleibt neben dem „einfach anständig bleiben“ und einem kontinuierlichen guten, offenen (nicht anbiedernden) Medienkontakt eine dritte Zutat für das Erfolgsrezept der Krisenkommunikation: Information. Und im Idealfall auf solcherlei Störfälle vorbereitet sein. Sie müssen ja nicht eintreten. Aber es wäre gut, zumindest die wichtigsten Hintergrundinformationen parat zu haben. Vorbereitung ist immer wieder eine der wichtigsten Aufgaben in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Wer sagt, „dazu lässt mir mein Tagesgeschäft keine Zeit“, kann im Krisenfall keine erfolgreiche Krisenkommunikation betreiben.

 

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