Was PR-Einsteiger wissen sollten

Experten im Gespräch

Welche Fähigkeiten muss ein junger Kommunikator heute mitbringen? Nach welchen Typen fahnden Sie als Headhunterin, Frau Kaminski?

Gabriele Kaminski: Das Berufsbild hat sich enorm gewandelt. Als ich als Headhunterin begann, kamen die meisten Berufseinsteiger aus dem Journalismus. Professionelle Strukturen der Weiterbildung wie ein PR-Volontariat gab es noch nicht. Heute bringen die jungen Kolleginnen und Kollegen teils ein Fachstudium mit, dazu viel praktische Erfahrung. Viele arbeiten als Werkstudenten, was ich persönlich auch empfehle. Digitalaffinität, strategische Kompetenz und Social-Media-Erfahrungen sind heute fast selbstverständlich. An einer Fähigkeit, die ich ganz wichtig finde, hat sich seit jeher nichts geändert: Berufsanfänger in der PR benötigen Textkompetenz. Jeder meiner Klienten fordert das ein.

„Im Studium lernt man nicht, mit der
Unberechenbarkeit des Berufsalltags umzugehen.“

(Maren Letterhaus, Pressesprecherin)

 

Ist also ein Pressesprecher heute im besten Falle sozusagen eine digitalaffine eierlegende Wollmilchsau?

Ulrich Kirsch: Im Kompetenzprofil unseres Berufsstands unterscheiden wir drei Dimensionen. Erstens: Die „Gewerke“ Texten, Pressearbeit, Social Media, Online und Eventorganisation muss man einfach draufhaben. Sie sind das eigentliche Handwerk. Zweitens: Stakeholder-Management, denn unterschiedliche Zielgruppen muss man spezifisch ansprechen. Immer wichtiger wird drittens, als eine Art Berater oder Coach nicht nur für den CEO zu agieren, sondern für die vielen Stimmen, die heute für eine Organisation sprechen dürfen. Wenn wir tatsächlich strategische Kommunikatoren sein wollen, dann sollten wir uns darauf ausrichten, wie wir dem eigenen Unternehmen helfen, in der digitalen Transformation fit zu werden.

Machen Ihnen als Noch-Studentin diese Dimensionen eher Angst, Frau Stöhr, oder Lust auf den Job?

Elisa Stöhr: Ganz und gar keine Angst! Es macht den Beruf doch reizvoll, wenn Vielseitigkeit und Flexibilität gefragt ist. Dadurch wird das Feld sehr abwechslungsreich und spannend. Man hat als Anfänger die Möglichkeit, sich in verschiedenen Bereichen auszuprobieren. Es wird mir sicher nie langweilig werden, wenn ich in verschiedene Rollen schlüpfen muss – sowohl in der internen als auch externen Kommunikation.

Loyalität gehört zum Sprecher-Beruf dazu. Wenn der Chef geht, muss deshalb oft auch der Pressesprecher seinen Hut nehmen. „Zum Job gehört also eine gewisse Bereitschaft, unter Umständen neu aufzubrechen“, erklärt Ulrich Kirsch. (c) Ralf Werner

Frau Letterhaus, wie viel von dem, was Sie an der Uni gelernt haben, können Sie in Ihrem Job als Pressesprecherin eigentlich anwenden?

Maren Letterhaus: Glücklicherweise so einiges, da mein Studium sehr praxisorientiert war. Was man dort hingegen nicht lernt, ist, mit der Unberechenbarkeit des Berufsalltags umzugehen. Wenn ich beispielsweise an einem Tag eigentlich ein Interview führen und die Aufnahme abtippen möchte, aber ein Journalist ruft an und ich muss sofort Antworten liefern, kann ich meinen Tagesplan vergessen. (lacht) Andererseits macht die Unberechenbarkeit auch den Reiz des Berufs aus.

„Zum Job gehört eine gewisse Bereitschaft,
unter Umständen neu aufzubrechen.“

(Ulrich Kirsch, Pressesprecher)

 

Welche Realitäten im Beruf des Kommunikators darf man einem Anfänger nicht verschweigen, wenn man es ehrlich meint?

Kirsch: Als Pressesprecher müssen wir Entscheider und Chefs auf Augenhöhe coachen. Wir müssen so denken, reden, beraten, als wären wir die Chefin oder der Chef. Anschließend müssen wir rechtzeitig die Kurve kriegen, hinter ihr oder ihm unsichtbar zu werden. Das ist nicht immer einfach. Wenn man aber keinen Mut zur Augenhöhe hat, ist man unter Umständen sehr bald nur noch der Mitarbeiter, dem aufgetragen wird: „Liefere mir mal eine Tüte Text! Mach schnell ein Bild von mir!“ (schmunzelt)

Letterhaus: Manchmal muss man sehr spontan Verantwortung übernehmen. Denn sich jedes Mal bis ins Detail abzusichern, ist aus meiner Erfahrung gar nicht möglich. Das ist oft ein Spagat.

(c) Ralf Werner

Der Berufsalltag sei unberechenbar, findet Maren Letterhaus: „Wenn ich an einem Tag eigentlich ein Interview führen und die Aufnahme abtippen möchte, aber ein Journalist ruft an und ich muss sofort Antworten liefern, kann ich meinen Tagesplan vergessen.“ (c) Ralf Werner

Kaminski: Mut und Rückgrat sind eine ganz wesentliche Kategorie. Und spätestens wenn man eine gewisse Position und Hierarchieebene erreicht hat, benötigt man ein hohes Maß an Belastbarkeit. Ich denke vor allem an Krisensituationen. Zu den negativen Aspekten des Berufs kann – gerade in Agenturen – eine hohe zeitliche Belastung gehören. Darüber muss man sich im Klaren sein.

Kirsch: … genau wie über notwendig werdende Wechsel des Arbeitgebers. Denn wenn ein CEO wechselt oder gehen muss, ist sein Sprecher oftmals ebenso betroffen. Zum Job gehört also eine gewisse Bereitschaft, unter Umständen neu aufzubrechen. Gefährlich werden kann der Beruf auch dann, wenn man – wie in vielen Verbänden beispielsweise – zwei Chefs hat: einen hauptamtlichen und einen ehrenamtlichen. Harmoniert dieses Gespann nicht, ist man als Sprecher schnell zwischen Baum und Borke. Dann gilt es, seine Loyalitäten auszusteuern.

 

Seite 2: „Am Ende haben auch die ganz oben einmal klein angefangen.“

Was gehört zu den Anforderungen an einen guten Kommunikator?

Letterhaus: Projekte steuern zu können. Und: sich selbst immer wieder etwas beizubringen.

Stöhr: Gerade das finde ich so interessant, dass man sich immer wieder selbst hinterfragen muss: Wo habe ich noch nicht ausreichend Expertise? Welcher Trend kommt gerade auf? Welche Kompetenzen brauche ich dafür? Es wird nie eintönig werden, glaube ich.

Kaminski: … und das macht den Reiz von Kommunikation aus. Diese Profession ist sehr breit aufgestellt. Ich kenne mich im Controlling nicht aus. Aber im Vergleich stelle ich es mir eindimensionaler vor.

Im Zweifelsfall allerdings verdient ein Controller gerade als Berufsanfänger deutlich besser als ein Kommunikator und muss einen kleineren Werkzeugkasten an Fähigkeiten mitbringen. Das sollte nicht verschwiegen werden. Frau Stöhr, wie oft kommt es eigentlich vor, dass jemand zu Ihnen sagt: „Elisa, warum bloß Kommunikation? Lern doch was Vernünftiges!“

(Lachen in der Runde) Stöhr: So häufig kommt das gar nicht vor. Als ich als Teenager Journalistin werden wollte, habe ich solche Sprüche zwar durchaus gehört. Mir als angehender Kommunikatorin gegenüber hat mein Umfeld diese Bedenken jedoch kaum geäußert. Was mich persönlich eher stört, ist der Fakt, dass Frauen in dem Beruf nach wie vor weniger verdienen – je nach Position im Durchschnitt bis zu 20.000 Euro weniger. Mich ärgert das sehr. Nicht zuletzt weil ich weiß, wie gut wir Frauen ausgebildet sind, welche Qualifikationen wir erlangen und wie begeisterungsfähig wir sind.

(c) Ralf Werner

Headhunterin Gabriele Kaminski plädiert für ein realistisches Erwartungsmanagement an den Beruf des Sprechers: „Sonst ist Frust vorprogrammiert.“ (c) Ralf Werner

Kaminski: Es mag nicht sehr solidarisch klingen, Frau Stöhr – aber da ist „frau“ überwiegend selbst schuld. Aus Erfahrung weiß ich etwa, dass der überwiegende Anteil an Frauen im Gegensatz zu den Männern in Gehaltsgesprächen ihren Anspruch nicht deutlich klarmachen. Sie geben sich zu schnell und mit zu wenig zufrieden. Da kann ich nur raten: Mädels, steht auf! Macht euren Anspruch klar! Greift nicht zu niedrig! Dann wird es auch funktionieren.

Letterhaus: Gerade für Berufseinsteiger ist die Frage nach dem angemessenen Gehalt schwierig zu beurteilen. Ich war froh, dass in der Berufsfeldstudie des BdP ziemlich klar ersichtlich ist, wie viel ein Pressesprecher eigentlich so verdient im Durchschnitt.

Kirsch: Unsere Profession ist, wenn man der Studie „Profession Pressesprecher“ glauben darf, inzwischen mehrheitlich in Frauenhand. Ein weiteres Indiz: die Liste der Gewinner des BdP-Nachwuchsförderpreises. In zwölf Jahren haben lediglich zwei Männer gewonnen.

„Ich finde das schade, wenn einem Steine in den Weg gelegt werden,
weil Chefs meinen, man wäre noch nicht bereit.“ 

(Elisa Stöhr, Studentin)

 

Ist beim Start in den Beruf das Nach-den-Sternen-Greifen ratsam? Das Nacheifern etwa von Kommunikationschefs in Dax-Unternehmen? Oder ist es ratsamer, seinen Karriereweg Schritt für Schritt behutsam anzulegen?

Letterhaus: Am Ende haben auch die ganz oben einmal klein angefangen. Gerade als Berufsanfänger gilt es zu schauen, welche Verantwortung und welche Position zu einem persönlich passt. Im entscheidenden Moment als Frau dann auch mal „hier!“ zu rufen, ist ganz wichtig.

Kirsch: Wer hoch hinaus will, sollte seine persönliche Karriereplanung – nachdem er die genannten „Gewerke“ beherrscht – frühzeitig auf Führung anlegen. Wer das nicht möchte, bleibt vielleicht ein glücklicher Mensch und in einem Teilbereich der Kommunikation Experte. Aber Gesamtverantwortung erhält er dann nicht.

Kaminski: Das ist eine persönlichkeitsimmanente Frage. Es gibt eben solche, die gern Experten sind und es auch bleiben möchten. Managen ist nicht jedermanns Sache.

Stöhr: Ich selbst hatte während meines Traineeships in einer Agentur verschiedene Schlüsselerlebnisse. Ich bin mit Vollgas hineingestartet, wollte gleich Verantwortung übernehmen, bei einem Pitch dabei sein. Meine Chefin jedoch hat mir oft gesagt: „Geh es langsam an! Du hast doch noch so viel Zeit vor dir.“ Ich finde das schade, wenn einem Steine in den Weg gelegt werden, weil Chefs meinen, man wäre noch nicht bereit. Das gehört in meinen Augen zu einer noch nicht sehr weit entwickelten Fehlerkultur in Deutschland. Man sollte jungen Leuten hier viel mehr Raum geben, sich auszuprobieren – und, ja, auch Fehler zu machen.

(c) Ralf Werner

Master-Studentin Elisa Stöhr wünscht sich eine größere Akzeptanz von Fehlern: „Man sollte jungen Leuten viel mehr Raum geben, sich auszuprobieren – und ja, auch Fehler zu machen.“ (c) Ralf Werner

Kann das auch daran liegen, dass in Kommunikationsabteilungen hervorragend ausgebildete Digital Natives auf Chefs stoßen, die „Digital“ für eine Fernsehzeitschrift halten?

Stöhr: Nein. Als Werkstudentin habe ich den Eindruck gewonnen, dass Chefs auf Gebieten, auf denen sie selbst keine Experten sind, uns mehr Freiraum geben.

Kirsch: Gute Chefs zeichnet aus, dass sie sich mit – jungen – Menschen umgeben, die Dinge können, die sie selbst nicht draufhaben. Und dass sie Unbekanntes verstehen wollen und den Wert neuer Kanäle und Tools verstehen. Sie müssen vertrauen. Im Zweifelsfall geht das auch mal schief.

Kaminski: Ein wichtiger Punkt: vertrauen können! Denn die Führungskultur verändert sich, weg von Kontrolle, hin zu agilem Arbeiten. Wir erleben heute eine Generation Berufseinsteiger, die zu Recht ganz andere Forderungen stellt und andere Vorstellungen von ihrem Arbeitsleben hat. Dadurch prallen mitunter unterschiedliche Kulturen aufeinander. Inzwischen habe ich jedoch schon den Eindruck, dass in Unternehmen hierarchieübergreifend hingehört wird. Ein Junior mit einer guten Idee findet heute vermehrt Gehör.

„Man muss sich als Anfänger in der PR darüber im Klaren sein,
dass man zu Beginn unter Umständen viel arbeitet
– für ein überschaubares Gehalt.“

(Gabriele Kaminski, Headhunterin)

 

Welchen Fehler sollte vermeiden, wer in der PR startet?

Letterhaus: Ich glaube, dass Ungeduld am Anfang ein Fehler ist. Man muss sich selbst die Zeit geben, an seinen Aufgaben zu wachsen. Dazu gehört auch, realistisch zu bleiben in den eigenen Erwartungen.

Kaminski: Gerade zu Beginn braucht man ein realistisches Erwartungsmanagement. Sonst ist Frust programmiert. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man anfangs unter Umständen viel arbeitet – für ein überschaubares Gehalt.

Stöhr: Und noch etwas finde ich sinnvoll: sich ein Vorbild oder eine Art Mentor zu suchen.

 

Moderiert von Jens Hungermann

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe ALLES AUF ANFANG. Das Heft können Sie hier bestellen.

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