Hungriger Ideengeber

Künstliche Intelligenz

Um eines vorwegzunehmen: Natürlich habe ich versucht, ChatGPT meine Arbeit machen zu lassen. Dass diese Zeilen von mir stammen, zeigt vor allem, dass beim KI-Text aus meiner Sicht noch Luft nach oben war. Falls Sie unter einem Stein leben: ChatGPT ist ein Sprachmodell, das menschenähnlich antworten kann. Dazu wurde die künstliche Intelligenz mit einer gewaltigen Datenmenge in verschiedenen Sprachen trainiert.

Mittlerweile nutzen den Bot einer Studie der Bank UBS zufolge rund 100 Millionen Menschen im Monat. Von der Existenz der App haben die meisten Leute auf sozialen Netzwerken erfahren. Viele stellten verblüffende Gespräche mit der KI ins Netz. Probieren Sie mal die Eingabe „Beschreibe, wie man Krümel aus dem Toaster bekommt, im Stil der Bibel“.

Der Bot schreibt nicht nur nüchterne Erklärtexte, sondern auch Gedichte, Drehbücher und Programmiercodes – und damit sind die Möglichkeiten noch nicht einmal angeschnitten. Denn – und damit kommen wir zur Kommunikationsbranche – das Sprachmodell kennt sich vor allem mit breit ausgetretenen Pfaden aus, was auf das Datentraining zurückzuführen ist. ChatGPT beherrscht vor allem standardisierte Textgattungen erstaunlich gut. Der Bot schüttelt Pressemitteilungen, Reden und Twitterposts aus dem Ärmel. Im Ergebnis liefert das Modell viel Licht und viel Schatten. Für etwas mehr Licht einige Tipps.

1. Korrigier mich
Eine naheliegende Verwendung für KI ist, Fehler auszubessern. Während übliche Schreibprogramme Fehler nur anstreichen, bessert ChatGPT die Fehler gleich aus – inklusive möglicher Konsequenzen auf andere Satzteile. Wer mit Kommasetzung, „dass/das“ und ähnlichen Klassikern der Orthografie und Grammatik auf Kriegsfuß steht und das unfreiwillig in E-Mails erkennen lässt, kann aufatmen. Und: Das Modell korrigiert Texte nicht nur, sondern übersetzt sie auch zuverlässig.

2. Kontext hilft
Wenn man doch einmal einen Textvorschlag erhalten will, sollte man den Bot mit passenden Informationen versorgen. Texte entsprechen eher den Erwartungen, wenn die Erwartungen übergeben werden. Dazu lassen sich Quellentexte in das Chat-Fenster kopieren: „Schreibe einen Text über unsere Präsidentin. Hier ist Biografie.“ Wichtig ist, das für den Bot eindeutig nachvollziehbar zu machen („Biografie: ### (Hier Text einfügen) ###“). Das erleichtert es dem Modell, die Infos richtig abzuheften.

3. Formularartig denken

Daraus folgt, dass man Dinge immer gleich nennen sollte. Wird ein Text als „Beispiel“ übergeben, sollte er auch „Beispiel“ bleiben, wenn man sich darauf bezieht. Analog sollten Informationen übersichtlich in Listenform angelegt werden. „Thema:, Zielgruppe:, Umfang:, Format:, Stil“ sorgen dafür, dass die Texte der KI nicht in ungewollte Richtungen ausschlagen.

4. Kurz und knapp

Je mehr Daten der Nutzer in eine Session mit ChatGPT einspeist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Sprachmodell Informationen durcheinanderbringt. Beim Versuch, die KI einen Biografiekasten schreiben zu lassen, wurde das Geburtsjahr von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius mit dem seiner Vorgängerin Christine Lambrecht (beide SPD) verwechselt. Warum? Ich hatte eine Kurzbiografie von Lambrecht eingefügt mit der Bitte, der Bot möge den Stil des Artikels imitieren.

5. Wer bin ich?

Fruchtbarer als Texte sind oft die Ideen, die man sich von der KI holen kann. Oft genügt es, ChatGPT dazu in eine Rolle schlüpfen zu lassen: „Stell dir vor, du bist eine Redakteurin einer Zeitung. Nenne fünf Geschichten, die ein Autohersteller dir anbieten könnte, damit du interessiert wärst!“ Auch in Zielgruppen kann der Bot sich hineinversetzen: „Das Bundesgesundheitsministerium möchte eine Kampagne auflegen, die die Menschen motivieren soll, sich gegen Corona impfen zu lassen. Welche drei Argumente könnten ältere Menschen in Ostdeutschland, die Politik und Medien misstrauen, davon überzeugen?”

6. Nach Plan

Auch Arbeitsabläufe können mit Hilfe von ChatGPT erstellt werden. Die App entwirft Tagesordnungspunkte, Zeitstrahlen, Zusammenfassungen oder Postingpläne: „Erstelle einen Social-Media-Postingplan für den März für ein Krankenhaus. Platziere die Postings gezielt an Gesundheitstagen.“ Aber Vorsicht: ChatGPT schreibt bisweilen handfesten Unsinn. Das liegt daran, dass das Modell mit Wortvorhersagen arbeitet und sich keinen Begriff von wahr und falsch macht. In diesem Beispiel wurde der Weltkrebstag einfach vom 4. Februar auf den 4. März gelegt. Überprüfen Sie deshalb immer, was der Bot Ihnen liefert!

7. Chatbots chatten, Schreibbots schreiben

Viele bemängeln, dass ChatGPT hölzerne Artikel schreibt. Profis müssen noch viel daran feilen. Es ist aber ohnehin ein Denkfehler, den Bot als Universalgenie zu begreifen. Gemessen an diesem Anspruch muss die KI in den Einzeldisziplinen versagen – jedenfalls heute noch. Eine Abkürzung ist, spezialisierte KI-Apps einzuspannen. Statt einen Chatbot mühsam auszubilden, um den richtigen Ton für eigene Schreibaufgaben zu treffen, kann man Schreib-Apps wie „Articoolo“ oder „Jasper“ ausprobieren. Um Melodien zu komponieren und Bilder zu malen, muss man ohnehin auf andere, spezialisierte KI-Apps wie „Dall-E“ oder „Beathoven“ zurückgreifen.

8. Feine Antennen

Kommunikative Krisenlagen entstehen bei sozialen Medien schnell. Je länger ein Akteur braucht, um darauf zu reagieren, desto mehr überlässt er seinen Kritikern die Deutungshoheit. Entsprechend wichtig ist es, die Plattformen zu monitoren. Niemand kann das umfassender, schneller und unermüdlicher als eine künstliche Intelligenz. Sie behält Hashtags, Stichwörter und Erwähnungen im Blick und kann dabei auch ausloten, ob die Stimmung positiv ist („Geiler Werbespot!“) oder negativ („Hey @Unternehmen, euer Ernst??!“). Tools wie „Hootsuite Insights“ und „Brand24“ benachrichtigen, wenn sich etwas zusammenbraut.

9. KI kann Krise

Um schon passende Reaktionen für Krisenszenarien in der Schublade zu haben, kann ChatGPT helfen. Profis müssen die möglichen Krisenszenarien antizipieren, um von der KI passende Pressemitteilungen und Social-Media-Posts generieren zu lassen. „Ein Medienunternehmen steht in der Kritik, weil die Führungskräfte Beitragsgelder dafür ausgeben, teure Anschaffungen zu tätigen oder teuer essen zu gehen. Schreibe einen Social-Media-Post für das Medienunternehmen, in dem es Besserung gelobt.“ Um unerwartete Situationen abzudecken, kann die KI sich auch ins Publikum eindenken: „Ich arbeite in der Presseabteilung eines Pharmaherstellers und bereite Reaktionen vor, um Shitstorms zu beenden. Schreibe als Test fünf kritische Tweets, auf die ich reagieren muss.“ Zu diesen fiktiven kritischen Posts kann ChatGPT dann wiederum mögliche Reaktionstweets entwerfen, an denen man weiterfeilen kann.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Live und Events. Das Heft können Sie hier bestellen.