Continental-Chef Nikolai Setzer hält verständlichste Rede

Rhetorik

Dem Verständlichkeitsindex der Universität Hohenheim zufolge hielt Nikolai Setzer, CEO von Continental, mit 20,0 Punkten die formal verständlichste Rede auf den Hauptversammlungen der DAX-30- beziehungsweise DAX-40-Unternehmen im Jahr 2022. Auf Platz zwei folgt der Vorstandsvorsitzende der Telekom, Timotheus Höttges, mit 19,8 Punkten. Auf dem dritten Platz des Rankings landet Dr. Theodor Weimer: Mit 18,8 Punkten lieferte der CEO der Deutschen Börse ebenfalls eine sehr verständliche Rede.

Das Ranking basiert auf einer Auswertung eines Teams von Kommunikationswissenschaftlern rund um Professor Frank Brettschneider, das mithilfe der Analysesoftware TextLab die Reden beispielsweise anhand von überlangen Sätzen, Fachbegriffen, Fremdwörtern und zusammengesetzten Wörtern bewertet. So entsteht der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“. Er reicht von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich).

Im Schnitt erreichen die Reden einen Verständlichkeitswert von 14,3 Punkten. Das sind 0,6 Punkte weniger als im vergangenen Jahr (14,9), aber 4,5 Punkte mehr als noch vor 10 Jahren (9,8). Fünf Reden haben mehr als 18 Punkte erreicht. Nur drei Reden liegen unter zehn Punkten. Den letzten Platz teilen sich mit jeweils 7,1 Punkten Dominik S. Richter von HelloFresh und Hans Dieter Pötsch von Porsche SE. Insgesamt sind die Reden der neu in das Ranking aufgenommenen Vorstandsvorsitzenden mit 11,3 Punkten deutlich unverständlicher als die Reden der Routiniers, die auf 15,6 Punkte kommen.

Automobil-Branche mit Verständlichkeitsplus

Im Vergleich zu 2021 setzt sich ein Trend fort: „Im letzten Jahr hatten wir bei den drei Automobil-Herstellern VW, Daimler und BMW wesentlich verständlichere Reden als in den Jahren zuvor. Früher wurden ungünstige Botschaften – etwa rund um den Diesel-Skandal – in unverständliche Schachtelsätze gepackt. 2021 versuchten die CEOs, mit positiven Botschaften rund um die Elektromobilität wieder in die Offensive zu kommen. Und diese Botschaften formulierten sie deutlich verständlicher. Dieser Trend hat sich – außer bei BMW – auch 2022 fortgesetzt“, sagt Prof. Brettschneider.

Nachdem Dr. Herbert Diess (VW) im letzten Jahr den größten Anstieg bei allen Rednern hatte, legt er auch in diesem Jahr nochmals zu. Die Verständlichkeit seiner Rede stieg um 2,2 Punkte auf 15,3 Punkte. Auch Ola Källenius (Mercedes-Benz Group) hatte im letzten Jahr zugelegt und steigert in diesem Jahr die Verständlichkeit seiner Rede nochmals um 1,4 Punkte. Mit 18,4 Punkten liegt er nun auf Platz 4. Lediglich bei Oliver Zipse (BMW) gibt es nach dem Anstieg im letzten Jahr einen Rückgang der Verständlichkeit in diesem Jahr um einen Punkt auf 17,7 Punkte.

„Die Vorstandsvorsitzenden nutzen die Hauptversammlung für Reden, die auch für eine breitere Öffentlichkeit verständlich sind. Viele Vortragenden bemühen sich, Fachsprache so zu übersetzen, dass auch Laien den Inhalt der Rede verstehen. Für den Auf- und Ausbau von Reputation ist dies sinnvoll“, so Brettschneider.

Bandwurmsätze, Fachbegriffe, Wortungetüme werden seltener

„Am meisten schmälern Bandwurmsätze, abstrakte Begriffe, zusammengesetzte Wörter und nicht erklärte Fachbegriffe die Verständlichkeit einiger Reden“, erklärt Dr. Claudia Thoms, Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft. Aber: Überlange Sätze werden seltener, immer weniger Reden enthalten zusammengesetzte Wortungetüme.

Die Vorstandsvorsitzenden greifen immer seltener auf komplizierte Fachausdrücke zurück, die höchstens die Fachleute verstehen. Vor allem Anglizismen und Ausdrücke wie „Digital Car Tech Stack“ (Zipse, BMW), „Remote Software Updates ‚over-the-air‘“ (Zipse, BMW), „ready-to-eat-Angebot“ (Richter, HelloFresh) und „cross-domain-HPC” (Setzer, Continental) kommen inzwischen vergleichsweise selten vor. Positiv: Die Fachbegriffe werden häufiger erklärt.

So erläutert Daimler Truck-Chef Martin Daum beispielsweise den Begriff „autonomous-ready“: „Die Lkw sind damit bereit für den Einbau der Hard- und Softwaresysteme für das autonome Fahren. Wir nennen das ‚autonomous-ready‘.“ Und die Vorstandsvorsitzende von Merck, Belén Garijo, erklärt, was unter „Single-Use Assemblies“ zu verstehen ist. Dr. Claudia Thoms sagt dazu: „Zu erläutern, was ‚ESG-Ziele‘ sind oder was die ‚Cash Conversion Rate‘ ist, mag nicht für alle im Publikum notwendig sein. Dadurch steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass auch Personen mit weniger Vorkenntnissen das verstehen, was der Redner oder die Rednerin meint“.

Weitere Beispiele für komplizierte und/oder zusammengesetzte Wörter:

  • Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (Porsche, Pötsch)
  • Lithium-Ionen-Batteriematerialien (BASF, Brudermüller)
  • Hightech-Maschinenbau-Unternehmen (Daimler Truck, Daum)
  • Spezial-Erstversicherungsgeschäft (Hannover Rück, Henchoz)
  • Nachhaltigkeits-Performance-Index (Vonovia, Buch)
  • Hochspannungs-Gleichstromprojekt (Siemens Energy, Bruch)
  • Photon-Counting-Technologie (Siemens Healthineers, Montag)
  • Biomassenbilanz-Verfahren (BASF, Brudermüller)
  • 360-Grad-Feedback-Programm (Henkel, Knobel)
  • Carve-out-Effekte (Contintental, Setzer)
  • Dividendenausschüttungsquote (Symrise, Bertram)
  • Kapitalanlageexposure (Münchener Rück, Wenning)

 

 

Weitere Artikel