Influencer sind nicht mehr wegzudenken

Editorial

Vor einigen Monaten veröffentlichte das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ einen als Satire titulierten Artikel. Es ging um das „Influencer-Traumpaar Bibi und Julian Claßen“, das sich getrennt hat. Von dem Ende der Beziehung und den neuen Partnern erfährt man nicht nur in den sozialen Netzwerken mehr als genug, sondern auch in Leitmedien. Ein Satz in dem von Autor Imre Grimm geschriebenen Artikel lautet: „Beide sind gewiss nicht die hellsten Kerzen auf der Torte, haben aber zwei gemeinsame Kinder namens Lio (3) und Emily (2) zustande gebracht, für deren Wohlergehen wir alle beten sollten.“ Heißt übersetzt: Grimm hält das Influencer-Paar für dumm. Warum man für das Wohlergehen der Kinder beten soll, erschließt sich nicht.

Aus dem öffentlichen Auftreten von Prominenten auf deren Intelligenz zu schließen, sollte sich in einem professionellen Kontext verbieten. Bibi und Julian haben mit ihren Postings vermutlich Millionen verdient. Wie andere Influencerinnen und Influencer auch. Sie spielen eine Rolle und verstehen es perfekt, die Bedürfnisse ihrer Zielgruppen zu bedienen. Das Privatleben weitgehend aufzugeben, ist ein Preis, den sie zahlen müssen. Soziale Medien funktionieren ähnlich wie Boulevardjournalismus. Der Wunsch, mit anderen zu leiden oder sich zu freuen, lässt sich kaum unterdrücken – Voyeurismus.

Der Großteil der auf Instagram und Tiktok von Influencerinnen und Influencern verbreiteten Posts kommt zugegebenermaßen sehr einfach daher. Hier hat Grimm einen Punkt. Es wird über Produkte oder Dienstleistungen geredet. Sie werden im Stile von Productplacement ins Bild gerückt. Es wird behauptet, dass etwas einfach super ist. Reflexion findet kaum statt. Glaubwürdig und überprüfbar ist vieles nicht. Es ist Werbung, nur eben mit vorrangig bei jüngeren Menschen bekannten Gesichtern. Das ist die eine Seite.

Die andere: Influencer und Creator sind aus dem Kommunikationsmix nicht mehr wegzudenken, egal ob sie als Corporate Influencer, Mikro-Influencer, Sinnfluencer oder Petfluencer auftreten. Hier schließt sich der Kreis. Die Übergänge von Marketing, Werbung und PR sind längst fließend. Vor allem auf Linkedin und Twitter sind viele unbezahlte Postings inzwischen dermaßen werbend, dass man sie ebenfalls als „Anzeige“ kennzeichnen müsste.

Der Inhalt sind oft ausgedachte Anekdoten, Meinungen, bei denen gar nicht klar ist, ob sie wirklich die eigene Meinung sind, schlichte Weisheiten oder moralisch aufgeladene Selbstpositionierungen zu Trendthemen wie Nachhaltigkeit, Diversität und Klimaschutz. Vieles dient der Eigenwerbung und dem Herausstellen der eigenen Reflektiertheit und Großartigkeit. Das zu bewerbende Produkt sind dann die Absenderin oder der Absender selbst. Auf Influencer herabschauen verbietet sich also.

Viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe!

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Influencer. Das Heft können Sie hier bestellen.

Weitere Artikel