Wie sich Amtfluencer auf Linkedin für ihre Arbeitgeber einsetzen

Behördenkommunikation

Die Behördenkommunikation über Social Media hat einen neuen Star: Linkedin! Warum neu? Linkedin gibt es doch schon länger als Facebook und seit 2009 auch auf Deutsch. Doch Microsoft, seit 2016 Linkedin-Eigentümer, hat die Plattform in den vergangenen Jahren neu ausgerichtet. Aus einem Tool, das nur für das Recruiting interessant war, ist ein vollwertiges soziales Netzwerk für berufliche Themen mit 20 Millionen deutschsprachigen Nutzer*innen geworden. Weltweit sind es Microsoft zufolge etwa 900 Millionen. Linkedin sieht Facebook sehr ähnlich: Man kann dort Beiträge posten, Kommentare beantworten und eine Community aufbauen. Zusätzlich ist die Plattform weiterhin ein Recruiting-Tool.

Auf den ersten Blick ist Linkedin für Behörden ein Ort der Glückseligkeit. Hass und Hetze haben es bislang nur sehr begrenzt auf die Plattform geschafft. Es geht meist um Themen aus der Arbeitswelt – zum Beispiel Digitalisierung, Work-Life-Balance, Arbeitsorganisation oder Führung. Deshalb erinnert der Umgangston an berufliche Netzwerk-Events: Meist geht es freundlich, diplomatisch und hilfsbereit zu.

Ministerien und Behörden auf Linkedin

In den vergangenen 24 Monaten haben sich zahlreiche Ministerien, Bundes- und Landesbehörden sowie Kommunen neu bei Linkedin angemeldet – und sind positiv überrascht, wie schnell sie Follower gewonnen haben. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat bereits rund 111.000 Linkedin-Abonnenten, aber nur knapp über 60.000 Facebook-Fans. Dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) folgen über 50.000 Accounts. Großstädte wie Stuttgart, Leipzig oder Köln konnten schon jeweils ein paar tausend Linkedin-Follower gewinnen.

Doch man muss genauer hinsehen. Das BMWK erhält auf seine Linkedin-Beiträge mal 52, mal 19, mal 42 Likes – und kaum Kommentare, obwohl es aktuell aufgrund der Graichen-Affäre und des Klimaschutzes stark im öffentlichen Fokus steht. Die Interaktion ist wenig, auch im Vergleich zur Resonanz auf Facebook.

Persönliche Profilbeiträge für mehr Reichweite

Beim Finanzministerium sieht es ähnlich mau aus. Dies liegt an einer Eigenart von Linkedin, die sich dem Laien nicht sofort erschließt, aber sehr wichtig ist, wenn man auf der Plattform erfolgreich sein möchte. Seiten von Unternehmen, Organisationen und Behörden – also zum Beispiel die „Stadt Köln“ – führen auf Linkedin von Haus aus ein Schattendasein. Sie haben in etwa die Funktion einer Landingpage, sind aber kein Reichweiten-Treiber. Kostenlose Seiten-Posts machen dem „Annual Algorithm Report“ von 2022 zufolge insgesamt nur etwa drei Prozent des Newsfeeds aus. Der restliche Platz ist reserviert für Beiträge von Personen und für Werbung. Sprich: Wenn eine Behörde lediglich eine Seite bespielt, weil sie es von Facebook so kennt, wird sie es schwer haben, zur Zielgruppe durchzudringen. Erfolgreiche Beiträge kommen in der Regel von Personen, weil der Algorithmus diese Posts bevorzugt ausspielt.

Robert Habeck und Christian Lindner, den beiden Chefs der oben genannten Ministerien, ist das klar. Beide pflegen daher auch ein Linkedin-Personenprofil. Dort ist die Resonanz viel größer: Habeck erhielt kürzlich auf ein Posting 1213 Likes und 136 Kommentare. Auch Lindner überschreitet mit seinen Posts regelmäßig die 1.000-Likes-Grenze. Will man auf Linkedin etwas reißen, muss man auf Personen setzen. Das gilt für Behörden wie für alle anderen Organisationen auch.

Kluge Ämter überlegen sich strategisch, wer auf Linkedin für sie in Erscheinung treten sollte:

  • Zum Beispiel können Chef oder Chefin ins Rennen geschickt werden – siehe Habeck und Lindner. Linkedin ist seit längerem für umfangreiche CEO-Kommunikation bekannt – und so langsam gesellen sich Bürgermeister*innen, Landrät*innen und Minister*innen dazu.
  • Möchte ein Amt offene Stellen besetzen, ergibt es Sinn, dass Personalverantwortliche mit persönlichen Profilen sichtbar und ansprechbar sind. Melanie Michaelis von der Stadt Leipzig nutzt seit längerem ihr persönliches Profil, um städtische Stellenanzeigen zu posten.
  • Möchte ein Amt die Medien erreichen, lohnt sich ein persönliches Profil der Pressesprecherin oder des Pressesprechers. Es kommt zunehmend häufiger vor, dass die Presse direkt aus Linkedin zitiert. Dies könnte sich in der nächsten Zeit noch verstärken, da Twitter in der Krise steckt. Sven Matis, Pressesprecher der Landeshauptstadt Stuttgart, nutzt Linkedin seit längerem für Statements und ist mit der Medien-Resonanz zufrieden.
  • Möchte das Amt sich auf Linkedin als interessanter Arbeitgeber positionieren, ist es ideal, wenn Mitarbeitende aus den vakanten Bereichen auf der Plattform aktiv und ansprechbar sind. Ein Beispiel: Die Sozialarbeiterin, die auf Linkedin reale Einblicke in ihren Job gibt, macht die Behörde am ehesten für weitere Sozialarbeiter interessant.

Vorbild Landeshauptstadt München

Mancher Behördenchefin oder manchem Behördenchef fällt es allerdings sehr schwer, sich „normale“ Angestellte als Gesichter nach außen auch nur vorzustellen. Wenn ich Ämtern vorschlage, auf Linkedin gezielt Fachpersonal in die erste Reihe zu stellen, kommt meist reflexhaft abwehrend: „So weit sind wir noch nicht!“

Die Landeshauptstadt München ist so weit. Sie hat jüngst 17 Mitarbeitende intern gecastet, um einer breiten Linkedin-Leserschaft den Arbeitgeber München vorzustellen. Wie das konkret aussieht? Sozialarbeiterin Anja Köhnlein berichtet in einem Beitrag, dass sie soeben drei Stunden Dienst an der Hotline zur Vermittlung von Kindertagespflegediensten geschoben hat. „Es sind gerade nicht so viele Plätze frei, wie wir bräuchten. Manch einer wird da auch mal ungehalten“, schreibt sie.

Stadtplanerin Sonja Gruber thematisiert, dass sich in angesagten Münchner Vierteln die einen mehr Kneipen, die anderen mehr Ruhe wünschen. „Für Haidhausen gibt es einen Bebauungsplan aus den 90er Jahren, der die Ansiedlung von neuen Kneipen komplett ausschließen sollte. Diesen ändere ich gerade“, postet sie. Im Profil von Brandinspektor Christian Rohrbacher steht stolz „Content Creator“. Er veröffentlicht besonders gerne selbst gedrehte Videos, wie zum Beispiel dieses: „Ich nehme euch mit zu einem weiteren Übungstag und erkläre euch zwei Einsatzlagen.“ Alle 17 „Corporate Influencer“ der Landeshauptstadt München berichten auch häufig über die Benefits, die ihnen ihr Arbeitgeber gewährt: Leihräder, Betriebsyoga und Gleitzeit.

Amtfluencer – die Zukunft der Behördenkommunikation

Der gezielte Einsatz von Amtfluencern, wie ich sie nenne, ist die Zukunft der Behördenkommunikation. Nicht einer postet für die Behörde, sondern viele. Auf Linkedin ist genau dieses Konzept fest in der Plattform-DNA ver­ankert.

Was viele Ämter nicht wissen: Auch ohne ihr aktives Zutun sind ihre Mitarbeiter*innen reichweitenstark auf Linkedin unterwegs! Zum Beispiel Pascal Ziehm. Er war lange Kommunikationschef der Polizei Sachsen und ist nun in gleicher Funktion für das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung tätig. Auf Linkedin berichtete er kürzlich ausführlich und spannend von den ersten 40 Tagen in seinem neuen Job. Dabei erwähnte er auch seinen Minister Thomas Schmidt. Das Ministerium erreicht nun eine Zielgruppe, die es vorher nicht hatte – nämlich die 1750 Follower von Pascal Ziehm.

Dorit Bosch, stellvertretende Referatsleiterin im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), bezeichnet sich in ihrem Linkedin-Profil selbst als „Verwaltungsinfluencerin“. Sie hat 3500 Linkedin-Follower und einen eigenen Podcast, der sich um ihre Herzensthemen dreht: agiles Arbeiten im öffentlichen Dienst und Verwaltungsdigitalisierung. Ihre persönlichen Follower*innen bekommen nebenbei BMI-Themen mit. Sindre Wimberger hat etwa 1500 Linkedin-Follower*innen. Er arbeitet bei der Wiener Stadtverwaltung und betreut den Bürgerservice-Chatbot der österreichischen Hauptstadt. Dank Wimbergers Linkedin-Aktivität bekommt man nun auch in Deutschland mit, dass es den „WienBot“ gibt.

Angestellte wie Pascal Ziehm, Dorit Bosch und Sindre Wimberger, die aus eigener Initiative Reichweite für sich selbst, aber auch für ihr Amt aufbauen, sind ein Glücksfall für jede Behörde. Ein erster sinnvoller Schritt kann sein, solche Amtfluencer im eigenen Haus zu unterstützen. Zum Beispiel, indem sie in ihrer Arbeitszeit posten und die Geräte des Arbeitgebers verwenden dürfen. Als zweiten Schritt sollten Ämter gezielt (weitere) Gesichter aus der eigenen Belegschaft auf Linkedin einsetzen.

Und was, wenn sie es nicht tun? Dann gibt es bald Sachbearbeiter*innen aus dem Bauamt, die eigeninitiativ über ihren Job und über Work-Life-Balance schreiben – und sich mit ihrer Personenmarke mehr Reichweite aufbauen, als sie die Behörden-Seite hat.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Medien. Das Heft können Sie hier bestellen.

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