Wer Emotionen zeigt, ist glaubwürdiger

„CEO Digital Video Index“

Etwa die Hälfte der Dax-40-CEOs postet regelmäßig Videos auf einem oder mehreren Social-Media-Kanälen. Die andere Hälfte nutzt diese Art der Kommunikation und Führung nur spärlich, Einzelne gar nicht. Das ist ein Ergebnis einer Untersuchung des Bundesverbands für Medientraining in Deutschland. Mit seinem „CEO Digital Video Index 2023“ hat er zum dritten Mal die meistgeklickten Social-Media-Videos der Dax-40-Vorstandsvorsitzenden analysiert und bewertet.

Basis bildete ein wissenschaftsbasiertes Bewertungsraster, das sich auf Erkenntnisse der Wahrnehmungsforschung und Praxiserfahrung einer neunköpfigen Jury stützt. Die Jury, darunter Medientrainer*innen, Journalist*innen und Kommunikationswissenschaftler*innen, bewertete die drei Ebenen der Kommunikation – visuell, sprachlich, akustisch – anhand von Fragen wie: Wer nutzt überzeugend Körperhaltung, Gestik, Mimik und Blickkontakt vor der Kamera? Wer vermittelt seine Botschaften klar und verständlich? Und wer punktet mit Stimme und Sprechweise?

CEOs von Bayer, Merck und BMW liegen vorn

Mit einer leidenschaftlichen Begrüßungsrede an die Belegschaft gewinnt Bayer-Chef Bill Anderson den CEO-Vergleich. Platz zwei belegt die derzeit einzige weibliche CEO im Dax-40 Belén Garijo von Merck mit einem unterhaltsamen „Elevator Pitch“. Auf dem dritten Rang steht BMW-CEO Oliver Zipse, der im Dialog mit dem sprechenden Auto „Dee“ zeigt, wie BMW sich die digitale Zukunft vorstellt.

Die weiteren Platzierten im Top-10-Ranking sind:

Die zehn überzeugendsten Dax-40-CEOs im Vergleich: Bill Anderson (Bayer) führt in der Gesamtwertung. © Bundesverband für Medientraining in Deutschland (BMTD)

Die zehn überzeugendsten Dax-40-CEOs im Vergleich: Bill Anderson (Bayer) führt in der Gesamtwertung. © Bundesverband für Medientraining in Deutschland (BMTD)

„Die Hälfte der zehn Bestplatzierten zeigt sehr klar ihre Gefühle – dadurch wirken die CEOs glaubwürdig und überzeugend“, benennt Ingo Bosch, Vorstandsvorsitzender des BMTD, eines der Ergebnisse der CEO-Video-Auftritte. Das sei alles andere als selbstverständlich: „Von CEOs wird bei wichtigen Entscheidungen erwartet, rational, besonnen und kontrolliert zu handeln – folglich fällt es bislang vielen schwer, Emotionen wie Freude oder Sorge zu zeigen.“

Botschaften bleiben oft nicht hängen

Auf der sprachlichen Ebene stellte die Jury fest, dass nicht einmal in jedem zweiten Video die gleichen Botschaften hängenblieben. Die Gründe: Einige Statements oder Antworten waren sehr lang, einige unklar und nur ein Viertel der CEOs nutzen Mittel wie Storytelling, sprachliche Bilder oder Wiederholungen. Positivbeispiel ist der Jury zufolge Gesamtsieger Bill Anderson, der dreimal „Science for a better life“ lebhaft untermauert.

Die visuelle Analyse zeigte, dass mehr als die Hälfte der CEOs unter den Top-10 eine klar erkennbare Inszenierung umgesetzt haben. Neben Belén Garijo und Oliver Zipse ist vor allem Ola Källenius ein kurzweiliges Beispiel. Laut Jury steuert der Mercedes-Benz-Chef mit sichtlichem Spaß die vollelektrische Version der G-Klasse durch ein extrem hügeliges Gelände auf einer Teststrecke.

Bei der akustischen Bewertung gab es mit durchschnittlich 58 von 100 möglichen Punkten die niedrigsten Bewertungen im Ranking. Hier wirkt sich für viele CEOs negativ aus, dass sie noch nicht routiniert und professionell genug den Teleprompter nutzen. So wird beim Ablesen die Sprechweise monoton, gleichförmig und emotionslos. Der Rat der Jury: Den Prompter mit Stichworten statt kompletter Sätze mit Schriftdeutsch „füttern“.

Zur Methodik

Das Bewertungsraster basiert laut Bundesverband für Medientraining in Deutschland (BMTD) auf einer Vielzahl von Studienergebnissen aus der Kommunikations- und Wahrnehmungsforschung. Im Frühjahr 2021 ermittelte der Verband in Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität München dazu in einer Meta-Studie nonverbale Erfolgsfaktoren für den Auftritt vor Mikrofon und Kamera. Für die Analyse von Sprache und Verständlichkeit nutzte die Jury verschiedene Studien und eigene Erfahrungen aus der Praxis:

  • Visuelle Ebene: Blick, Mimik, Gestik, Kopf- und Körperhaltung, Erscheinung der Person und Setting
  • Sprachliche Ebene: Ausdruck, Prägnanz der Formulierungen, Struktur, spannende Erzählung
  • Akustische Ebene: Tonhöhenumfang, Sprechtempo, Pausen, Länge der Sätze und Sinneinheiten, hörbarer Punkt am Satzende, besondere Betonungen (in Summe 16 Parameter)

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