Kompetenz, Prominenz, Glaubwürdigkeit. Wer fühlte sich nicht betört von diesem Dreiklang? Gerade auf einer bedeutenden Unternehmens- oder Verbandsveranstaltung wie einem Kongress treten Pressesprecher gern in die zweite Reihe und überlassen die Moderation einem Journalisten, der dem Publikum im besten Falle aus Funk und Fernsehen bekannt ist.
Das verspricht nicht nur den Vorteil, dass man jemandem, der Talkshowformate oder Livesendungen moderiert, unterstellen darf, er verstehe das (nicht zu unterschätzende) Handwerk guter Gesprächsführung. Es wertet im besten Falle eine Veranstaltung auf und bietet zusätzliches PR-Potenzial („Auch Moderator XY zeigte sich begeistert“).
Pikant wird die Sache allerdings dann, wenn im Anschluss die Berichterstattung über das Event in den Schatten der Debatten über journalistische Unabhängigkeit gerät. So wie im Fall Dunja Hayali. Für Irritation sorgte die als kritisch-authentische Fragerin bekannte ZDF-Moderatorin („Morgenmagazin“, „Dunja Hayali“) und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, weil sie 2017 und 2018 den Jahreskongress des Verbands der Deutschen Automatenwirtschaft moderierte. Einer Branche, „die ihr Geld auch mit der Spielsucht verdient“, wie es in einem „Zapp“-Beitrag heißt.
Auf Anfrage des NDR-Medienmagazins verteidigte sich Hayali, es handele sich um einen „legalen Wirtschaftszweig“. Sie sagte: „Solange ich da das tue, was ich sonst auch immer tue auf der Bühne bei jedem Fachkongress, nämlich kritischen Journalismus, unabhängig, fair und respektvoll, den Finger in die Wunde legend, so lange sehe ich kein Problem.“
Die damit zusammenhängenden Fragen sind gleichwohl delikat. Wie weit her ist es mit der Unabhängigkeit im Kontext von PR-Events? Dürfen sich Journalisten, moralisch betrachtet, die Freiheit nehmen, für interessengeleitete Organisationen zu arbeiten, und sich dort dennoch „Journalist“ nennen? Wie lässt sich – gedanklich und in der Außenwirkung – wechseln zwischen den Rollen des (der Wahrheit verpflichteten, kritischen) Journalisten und des (vom Auftraggeber bezahlten) Moderators?
Kritisch und nicht käuflich?
Hayali ließ sich laut „Zapp“ binnen zwölf Monaten für Veranstaltungen des Pharmaunternehmens Novartis, des Automobilkonzerns BMW, einer Kreissparkasse, des Deutschen Beamtenbunds, der Deutschen Stahlindustrie sowie der Amazon Academy buchen. Ob sie dabei das ZDF bezahle oder jemand anders, ändere an ihrer Arbeit als „kritische Journalistin“ nichts, behauptet Hayali. Denn: „Ich bin nicht käuflich.“
Gleiches werden wohl auch ARD-Fernsehprominente wie Jörg Thadeusz, Judith Rakers und Tom Buhrow von sich behaupten. Der frühere „Tagesthemen“-Moderator Buhrow etwa soll einem Bericht zufolge für einen Talk mit dem damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck auf einer Unternehmensveranstaltung einmal mehr als 10.000 Euro Honorar kassiert haben.
Zur Wahrheit gehört indes auch: Jene Journalisten, die ihre Prominenz und Eloquenz als Moderatoren von Unternehmens- und Verbandsevents sozusagen „mieten“ lassen, gehören in der Regel eher nicht zu denen, die durch kritischen Journalismus auffallen.
Vorzüge fachlicher Expertise
„Promis werden wegen ihres Promifaktors eingekauft, nicht unbedingt weil sie die besten Moderatoren sind“, sagt Maria Grunwald. „Man will sich mit ihnen schmücken.“ Grunwald ist Korrespondentin im Hauptstadtbüro der Deutschen Welle und selbst eine erfahrene Moderatorin. Sie weiß: „Veranstalter sagen oft bewusst: Wir wollen jemanden ‚von draußen‘ für eine Moderation, einen Journalisten. Weil die in der Regel frecher fragen und weil sie nicht in Ehrfurcht erstarren, wenn zum Beispiel ein hochrangiger Politiker neben ihnen sitzt.“
Auf einer von der Kommunikationsagentur Meko Factory und der BdP-Landesgruppe Berlin-Brandenburg organisierten Podiumsdiskussion kürzlich in Berlin rühmte Markus Oliver Göbel die Vorzüge versierter Journalisten. Göbel ist Pressesprecher des Telefónica Basecamp, wo jährlich auf rund 200 Events vor und mit Publikum debattiert wird. Er sagte: „Gute Moderatoren erfassen Schwachpunkte und sorgen für eine offene Diskussion. Wir brauchen keine weichgespülten Stichwortgeber. Es muss einfach journalistisch sein.“
Günter Bartsch, Geschäftsführer des Vereins Netzwerk Recherche, betont, Glaubwürdigkeit sei das höchste Gut für einen Journalisten. Er meint „Wenn auch nur der Schein entsteht, dass ein Journalist sich hat kaufen lassen, ist der Schaden schon da. Wir als Journalisten müssen aufpassen, dass wir uns nicht gemein machen mit Unternehmen.“
Ökonomischer Druck
Fakt ist jedoch auch: Gerade hauptberuflich als Freelancer arbeitende, nicht von einem Promibonus profitierende Journalisten sind im Alltag in der Regel auf mehrere Einnahmequellen angewiesen. Mit Blick darauf, dass etwa das Zeilenhonorar bei Tageszeitungen selten mehr als 70 Cent betrage, stellte die Fernsehjournalistin und Medientrainerin Claudia Bender an jenem Abend die rhetorische Frage in den Raum: „Wenn Sie dann die Chance haben, etwas für die Konrad-Adenauer-Stiftung zu moderieren – würden Sie das ablehnen?“ Zum Vergleich: Die laut ARD 259,89 Euro Honorar für einen nicht festangestellten Sprecher pro „Tagesschau“-Hauptausgabe sind auch nicht übermäßig üppig.
Interessenkonflikte bei nicht festangestellten Journalisten sieht Bender – sechs Jahre lang war sie Chefin vom Dienst der Talkshow „Sabine Christiansen“ – als keineswegs neues Phänomen: „Sonntag kurz Bankenskandal, montags Bankenfeier – das war schon vor 20 Jahren Alltag.“ Bender rät Journalisten, die moderieren möchten, zu Transparenz und dazu, Interessenkonflikte zu vermeiden. Es gelte, über ein Engagement „mit gesundem Menschenverstand und Abwägung zu den eigenen Themen“ zu entscheiden. Dann spricht ihrer Meinung nach auch nichts dagegen, „für viel Geld eine Sponsorenveranstaltung zu moderieren, wenn ich sonst nie etwas damit zu tun habe“.
„Die schlauen Veranstalter“, sagt Bender, „wollen Neutralität. Die noch schlaueren wollen eine echte Diskussion.“ Und eine solche zu entfachen, dazu sind eben ausgebildete, erfahrene Journalisten, die qua Beruf ständig Fragen stellen, am ehesten in der Lage. Dafür müssen sie nicht einmal prominent sein. Sondern einfach nur gut.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe PROTEST. Das Heft können Sie hier bestellen.