Kommunikationsfachleute haben wenig Interesse an digitalen Tools

European Communication Monitor 2022

Der European Communication Monitor 2022 hat 1.672 Kommunikationsverantwortliche aus 43 europäischen Ländern zu aktuellen Entwicklungen in Unternehmenskommunikation und Public Relations befragt. Ein Ergebnis: Das Interesse an öffentlichen Debatten rund um Diversität, Gleichstellung und Inklusion ist wenig ausgeprägt. Lediglich etwa die Hälfte aller Kommunikatorinnen und Kommunikatoren verfolgt die globalen Diskussionen zu diesen Themen.

Auch dominiert das Desinteresse an CommTech. Nur rund ein Drittel (35,5 Prozent) der Kommunikationsfachleute aus ganz Europa interessiert sich für die aktuell laufende Diskussion über die Nutzung von Software und Diensten zur Digitalisierung ihrer Profession. Das geringe Interesse ist deshalb überraschend, weil im Gegenzug immerhin 55 Prozent glauben, dass diese Technologien den Kommunikationsberuf, Kommunikationsabteilungen und -agenturen sowie die Art des Arbeitens in der PR verändern werden.

Bei der Intensität der Diskussionen zu Diversität, Gleichstellung und Inklusion liegen Deutschland und die Schweiz im Vorderfeld. Jede zweite Organisation berücksichtigt bei der Planung und Durchführung von Kommunikationsinitiativen das Alter, die ethnische Zugehörigkeit und das Geschlecht der Zielgruppen, während der soziokulturelle Status, Behinderungen, Weltanschauungen und politische oder spirituelle Überzeugungen weniger häufig beachtet werden. Nur ein Drittel der Studienteilnehmer glaubt allerdings in naher Zukunft an eine veränderte Zusammensetzung der eigenen Kommunikationsteams.

Die Studie hat außerdem untersucht, wie sich eine empathische Führung auf die psychische Gesundheit, das Engagement und das Wohlbefinden im Kommunikationsbereich auswirkt. Die Ergebnisse zeigen, dass drei von vier Befragten (73,3 Prozent) ein empathisches Agieren von Führungskräften in der Kommunikation erleben, wobei knapp 57 Prozent angaben, dass dies im vergangenen Jahr zugenommen hat. Die Ergebnisse belegen auch, dass sich die Kommunikatoren auf allen Ebenen stark für ihre Organisationen engagieren. Ebenso sind die Befragten im Allgemeinen sehr motiviert bei ihrer Arbeit. Nur ein Prozent der Befragten fühlt sich akut von einem Burnout bedroht. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis ist, dass Fachleute, die für eine empathische Führungskraft in einer Kommunikationsabteilung oder -agentur arbeiten, deutlich engagierter und motivierter sind, eine bessere psychische Gesundheit aufweisen und weniger häufig den Job wechseln wollen.

Externe Beratung in der Kommunikation

Die Mehrheit der Kommunikationsfachleute in Europa ist der Ansicht, dass der Bedarf an externer Beratung zur Stakeholder-Kommunikation sowie zu Strukturen und Prozessen in der Kommunikation in Organisationen zunimmt. Gleichzeitig nehmen jedoch 63,9 Prozent der Befragten wahr, dass die Beratungsbranche immer vielfältiger und komplexer wird. 60,1 Prozent sagen, dass es immer schwieriger werde, die Qualität von externer Beratung sicherzustellen. Als wichtigste Dimension zur Sicherung der Qualität von Beratungsprozessen nannten die Befragten das eingesetzte Personal und das Know-how von Kunden und Beratern gefolgt von der Projektkoordination zwischen beiden Seiten.

Eine deutliche Mehrheit der Kommunikationsprofis in Europa unterstützt die Idee von Qualitätsstandards für die Kommunikationsberatung: 67,8 Prozent stimmen der Aussage zu, dass der Berufsstand übergreifende Standards für Berater braucht, um die Qualität der Kommunikationsberatung zu bewerten und zu sichern. 60,7 Prozent sind der Meinung, dass ebensolche Standards für Kunden benötigt werden.

CommTech und digitale Transformation

Bei der Bewertung der Risiken von CommTech ist ein Drittel aller Befragten der Meinung, dass dadurch Nachteile für die Kommunikation mit Stakeholdern, die Beratung des Top-Managements und anderer interner Klienten oder für die eigenen Arbeitsabläufe entstehen. Die Zurückhaltung auf der individuellen Ebene korrespondiert mit einem moderaten Digitalisierungsgrad auf der Mesoebene von Kommunikationsabteilungen und -agenturen. Nur sehr wenige (6,2 Prozent) dieser Einheiten haben alle ihre Kernaktivitäten digitalisiert und berichten über eine sehr fortgeschrittene Nutzung von CommTech.

Abgesehen von den wenigen Vorreitern hinken viele in der Praxis hinterher und werden von den Befragten als Außenseiter, Nachzügler oder Spätzünder eingestuft. Die größten Herausforderungen bei der Einführung von CommTech sind nicht technologische Fragen wie die Leistungsfähigkeit der Software oder menschliche Aspekte wie die fehlenden digitalen Kompetenzen der Kommunikatoren, sondern Faktoren, die auf Defizite innerhalb der jeweiligen Organisationen hinweisen. Oft sind die Kommunikationsaufgaben und -prozesse nicht auf die Digitalisierung vorbereitet (38,5 Prozent). Als häufigste Hindernisse werden unflexible Strukturen und Kulturen, mangelnde Unterstützung durch IT-Abteilungen und ähnliche strukturelle Barrieren genannt.

Zur Studie: Der European Communication Monitor (ECM) wird jährlich von der EUPRERA, dem europaweiten Verband der Kommunikations- und PR-Wissenschaftler (European Public Relations Education and Research Association) sowie dem EACD als internationalem Verband der Kommunikationsdirektoren (European Association of Communication Directors) durchgeführt. Unterstützt wird das akademische Forscherteam von Cision sowie der Kommunikationsagentur Fink & Fuchs. Leiter der Studie ist Professor Ansgar Zerfaß, Inhaber des Lehrstuhls für Strategische Kommunikation an der Universität Leipzig. Weitere Informationen hier

 

 

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