Coachen für den großen Auftritt

Reden schreiben, Reden halten

Manche Führungskräfte haben das Glück, dass ihre Pressesprecher sie im Angesicht des kritischen Publikums nicht alleine lassen. Schon die Anwesenheit eines vertrauten Menschen in einer fremden Umgebung kann sehr willkommen sein. Aber um wirklich hilfreich zu sein, sollte man als Begleitung ein paar Dinge beachten.

Am besten nimmt man dem Redner alles ab, was Stress verursacht, wie Parkplatzsuche, Raumsuche, Garderobensuche. Die Hintereingänge von großen Hallen sind nicht immer einfach zu finden. Vor großen Menschenmengen zu sprechen, ist Hochleistungssport. Jetzt keine Gespräche mehr über die Firma, nicht noch schnell einen Anruf, sondern Small Talk über das Wetter und gute Laune. Eine gute Begleiterin schirmt den Chef oder die Chefin jetzt ab.

Als Spiegel fungieren

Ich bin ein sehr großer Freund von Proben. Am besten in dem Raum, in dem später auch die Rede gehalten wird. Aber ich habe auch schon Kommunikationschefs gesehen, die in Ballsälen von Hotels ganze Arenabühnen nachgebaut haben, um ihrem CEO die Möglichkeit zu geben, sich mit der Situation vertraut zu machen. Vor Auftritten im Fernsehen ist das Standard, manchmal sogar mit Schauspielern, die eventuell die übrigen Studiogäste simulieren, damit die eigentliche Sendung für den Politiker der zweite oder dritte Versuch ist.

Die wichtigste Aufgabe des Begleiters ist nicht das kritische Feedback. Dafür ist es kurz vorher ohnehin zu spät. Kritik macht nicht nur eine Firmenchefin schwächer und nicht stärker. Aber eine gute Kommunikationschefin kann einschätzen, wie viel Kritik ihr Chef verträgt. Denn auch billiges Schulterklopfen („Sie schaffen das schon!“) kann kontraproduktiv sein. Feedback sollte hier ehrlich sein, oder man verkneift es sich.

Bedeutend wichtiger ist die Funktion des Spiegels, und das gilt nicht nur für den Schnittlauch zwischen den Zähnen oder das Hirschgeweih im Hintergrund. Nehmen Sie dem Redner das Namenschild der Konferenz vorher ab, und sorgen Sie für ein geschlossenes Jackett, wenn möglich. Machen Sie ihn auf alles aufmerksam, was er selbst nicht sehen kann.

So eine Rede hat auch eine nonverbale Komponente. Das Publikum macht sich ein Bild von der Situation. Wenn der Politiker sich in die Ecke drückt und hinter zwei Blumengestecken des örtlichen Blumenhändlers nicht zu sehen ist, muss jemand von außen einschreiten. Wenn ich einen Redner betreue, steht der in der Mitte der Bühne, und die Bühne ist in der Waage. Steht also links ein Blumengesteck, stelle ich auch etwas auf die andere Seite. In einem guten Film ist das Bild bei jeder Einstellung ausgewogen.

Erst das Lob, Kritik folgt später

Ist die Höhe des Rednerpultes richtig eingestellt, sind die Schuhe geputzt, ist die Wasserflasche geöffnet und sind die Taschentücher griffbereit und ein zuckerfreies Halsbonbon? Ich habe in solchen Fällen eine lange Checkliste dabei, damit nichts schiefgeht.

Wo wird der Redner verkabelt? Wo sitzt er bis zum Auftritt, von welcher Seite tritt er auf und wo ab? Es gibt einiges zu klären – in wichtigen Fällen kann es sehr sinnvoll sein, das einfach mal kurz zu machen. Wo wird das Mikrofon und besonders der Sender befestigt? Das kann bei Frauen im langen Seidenkleid ohne Gürtel zu unüberwindlichen Problemen führen.

Während der Rede sitzt der Begleiter möglicherweise sichtbar in einer der ersten Reihen, aber er darf da nichts anderes machen als zuhören. Schon ein Blick aufs Handy, ein Hustenanfall oder ein Kopfschütteln zum falschen Zeitpunkt kann den Redner da vorne ziemlich durcheinanderbringen. Ich wundere mich immer wieder, wie sensibel gestandene Chefinnen oder erfahrene Politiker in diesen Situationen sind.


Ich liebe Checklisten, weil sie mir das Denken abnehmen. Besonders kurz vor dem Vortrag, wo ich mit meinen Gedanken völlig woanders bin.

    1. Gehen Sie in der letzten Stunde vor dem Vortrag nichts mehr durch. Das verwirrt den Redner nur unnötig.
    2. Sorgen Sie dafür, dass der Redner sich einspricht. Eine Rede morgens um acht Uhr nach einem einsamen Frühstück ist deutlich schwerer als eine Rede nach einem anregenden Kaffeeklatsch mit der Pressesprecherin. Auch ein Sportler macht sich warm.
    3. Haben Sie einen Stift für mögliche Änderungen dabei und weiteres Papier oder Moderationskarten. Die Wahrscheinlichkeit, dass noch eine Idee dazukommt, ist groß.
    4. Zwei Stunden vorher keine schweren Mahlzeiten mehr und in den 30 Minuten vorher nichts Süßes und keine Nüsse! Das führt zu Hustenanfällen, und ein zuckriger Mund geht schwer auf.
    5. Am besten ist ein Monitor mit einer rückwärts laufenden Uhr auf der Bühne, wenn die Rede nicht komplett ausgeschrieben ist. Wenn Sie dem Redner ein Zeichen geben, sieht der das oft nicht.
    6. Es gibt auch Redner, die ein Handy in der Tasche haben, das zu einem bestimmten Zeitpunkt vibriert. Aber es steht natürlich auf Flugmodus, damit die Frequenzen der Mikrofone nicht gestört werden.
    7. Es kann sicher auch nicht schaden, noch ein zweites Exemplar der Rede griffbereit zu haben. Wer sagt Ihnen, dass Ihr Chef wirklich die letzte Fassung dabei hat oder nicht aus Versehen die Kaffeetasse …

Direkt nach dem Auftritt gibt es nur Lob. Am nächsten Tag gibt es unter Umständen eine kritische Analyse, möglicherweise mit Unterstützung durch eine Videoaufnahme. Aber direkt nach einer großen Rede ist man empfindlich und die kleinste Kritik wirkt doppelt. Ich habe die besten Erfahrungen gemacht, den Redner erst mal sich selbst analysieren zu lassen. Die meisten wissen, wo es gehakt hat. Wie lange es dauert, bis der Redner offen ist für ein paar kritische Anmerkungen und ob er sie überhaupt will, lernt man im Laufe der Zeit.