Das Regierungshandeln erklären

Bundespresseamt

Frau Hoffmann, wir führen dieses Gespräch am Tag, nachdem sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Hamburg getroffen hat. Fotos zeigen die beiden, wie sie ein Fischbrötchen essen. Inwieweit sind Sie im Vorfeld eines solchen Termins involviert?

Bei so einem Großevent wie einer gemeinsamen deutsch-französischen Kabinettsklausur sind wir umfassend und frühzeitig in die Planung der Abläufe zusammen mit dem Protokoll einbezogen. Dann wird sehr genau überlegt, wo und wann Fototermine angesetzt werden, von wo fotografiert wird und welche Bilder dabei entstehen. Das ist ein Gemeinschaftswerk derer, die den Termin organisieren, und von uns.

Wenn man als Bürgerin und Bürger in die Medien und Social Media schaut: An welchen Stellen sieht man die Resultate der Kommunikation des Bundespresseamts?

Das ist ziemlich vielschichtig. Bei dem Termin in Hamburg beispielsweise wurde alles, was presseöffentlich stattgefunden hat, von uns organisiert: das Statement und die Pressekonferenz des Bundeskanzlers mit dem französischen Präsidenten, alle Bildtermine. Dazu werden die Journalisten eingeladen. Wir kündigen eine solche Veranstaltung über die Bundespressekonferenz an. Anschließend stehen wir für Fragen der Journalistinnen und Journalisten in der Regierungspressekonferenz zur Verfügung und erklären im Hintergrund, wie wir das Treffen einordnen.

Endet Ihr Kompetenzbereich beim Bundeskanzler und beim Kanzleramtschef? Die Ministerien haben ja ihre eigenen Sprecher.

Genau, jedes Ministerium hat seine eigene Presseabteilung. Wir als Bundespresseamt sind hauptsächlich für den Bundeskanzler, aber auch für die Bundesregierung als Ganzes zuständig. Dadurch sind wir kontinuierlich in enger Absprache mit den Ressorts. Wir drei Sprecher wurden von den drei unterschiedlichen Ampelpartnern benannt. Es gibt daher eine engere Anbindung an die jeweils von den unterschiedlichen Partnern geführten Ressorts.

Wie viel Prozent Ihrer Arbeitszeit entfallen auf Ihre Rolle als Sprecherin von Olaf Scholz? Wie viel beschäftigen Sie sich mit den Grünen? Und wie viel Zeit verbringen Sie als stellvertretende Behördenleiterin?

Um das klarzustellen: Ich bin nicht Sprecherin der Grünen. Da gibt es die Parteisprecher, Fraktionssprecher und so weiter. Ich bin die stellvertretende Sprecherin des Kanzlers und der Regierung als Ganzes. Aber natürlich bin ich in die Abläufe und strategischen Überlegungen bei den Grünen eingebunden. Den Hauptteil meiner Zeit verbringe ich mit Arbeit für den Kanzler und die Regierung als Ganzes, den Rest mit der Leitung des Bundespresseamts und der Koordination mit den Grünen.

Inwiefern sind Sie in die Kommunikation der Grünen eingebunden?

Ich nehme an Gremien wie den Sitzungen des Bundesvorstands und des Fraktionsvorstands teil. Ich bin im Austausch mit dem Vizekanzler, den Ministerinnen und Ministern, der Fraktion, den Parteivorsitzenden und den jeweiligen Sprechern. Ich bin sowohl mit der politischen als auch mit der Kommunikationsebene in Kontakt.

Warum sitzen Sie eigentlich nicht im Kanzleramt, sondern im Bundespresseamt?

Wir sind eine eigene Behörde, eine oberste Bundesbehörde. Wir gehören zu keinem Ressort, aber unterstehen direkt dem Bundeskanzler.

Wie läuft der Informationsaustausch mit dem Bundeskanzleramt ab? Wer redet mit wem?

Das Bundespresseamt hat vielfältige Kontakte ins Kanzleramt. Terminabsprachen erfolgen auf Leitungsebene in der Regel direkt mit dem Kanzlerbüro. Bei der Vorbereitung für die Regierungspressekonferenzen stimmen sich unsere Fachreferate mit den entsprechenden Abteilungen im Kanzleramt ab. Für die Reisen des Kanzlers organisiert das Bundespresseamt die Begleitung durch die Journalistinnen und Journalisten. Besonders wichtig sind für mich die Abteilungsleiterrunden im Kanzleramt, an denen ich zweimal die Woche teilnehme. Da wird das gesamte Regierungshandeln à jour besprochen, ebenso in den Staatssekretärsrunden. Mittwochs bin ich bei der Kabinettssitzung im Kanzleramt anwesend. Wenn Herr Hebestreit verhindert ist, begleiten ich oder der zweite stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner den Kanzler zu Terminen oder auf Reisen. Dadurch habe ich direkt Kontakt zu ihm. Bevor ich in der Regierungspressekonferenz öffentlich spreche, ist es wichtig für mich, dass ich mich zu bestimmten Fragen noch mal mit Olaf Scholz absprechen kann.

Wenn Sie auf Ihren Arbeitstag schauen, was sind da die Schwerpunkte?

Der Morgen beginnt damit, die Nachrichtenlage wahrzunehmen und die Tagespresse zu sichten, soweit ich sie nicht schon am Vorabend gelesen habe. Dann gibt es eine telefonische Abstimmungsrunde der Grünen und eine Morgenlage hier im BPA, die ich in der Regel leite. Dort besprechen wir alle Themen, die kommunikativ anstehen. Und dann gibt es vieles, was im Wochenrhythmus organisiert ist: die Kabinettssitzung, das Kabinettsfrühstück, die Fraktionsvorstandssitzung, die Staatssekretärsrunden und die Abteilungsleiterrunden im Bundeskanzleramt. Dazu kommen die Begleitung des Kanzlers und die Termine hier im BPA – oft auch im Wochenrhythmus. Leitungsrunde, Jour fixe der Sprecher, wo wir uns zu dritt zusammensetzen und über aktuelle Dinge sprechen. Vieles ist sehr durchgetaktet.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Telefonate und Treffen mit Journalisten, auch in Einzelgesprächen oder Hintergrundrunden. Und natürlich die Regierungspressekonferenzen dreimal wöchentlich, die wir untereinander aufteilen. Das alles steht immer unter der Fragestellung: Wie können wir das, was wir als Bundesregierung tun, am besten erklären und vermitteln?

Gibt es feste Runden, in denen die drei Regierungssprecher als Berater mit dem Bundeskanzler zusammenkommen?

Nein. Jeder hat seinen eigenen Draht zum Bundeskanzler. Aber wir drei Regierungssprecher plus Bundeskanzler, das Format gibt es nicht.

Hier sind knapp 500 Menschen beschäftigt, weitere 50 in Bonn. Das sind mehr, als in jeder Kommunikationsabteilung eines deutschen Unternehmens arbeiten. Wofür braucht das BPA so viele Leute?

Wir haben extrem vielfältige Aufgaben. Ein Bereich, in dem viele Mitarbeiter beschäftigt sind, sind zum Beispiel die Besucherreisen. Die Abgeordneten des Bundestages laden jedes Jahr Bürgerinnen und Bürger aus ihren Wahlkreisen nach Berlin ein, um sie über die Arbeit der Regierung und des Bundestags zu informieren. Das BPA organisiert diese Reisen. In diesem Jahr beispielsweise für rund 100.000 Bürgerinnen und Bürger. Unser Haus organisiert auch Großereignisse wie den Auftritt der Bundesregierung beim Tag der Deutschen Einheit, den Tag der Offenen Tür, bei dem das Kanzleramt und die Ministerien jedes Jahr im August ihre Tore für Bürgerinnen und Bürger öffnen, oder verantwortet die presseorganisatorischen Maßnahmen bei G7- und G20-Gipfeln. Dazu kommt die mediale Begleitung der Termine und Reisen des Kanzlers.

Und es gehört auch zu unseren Aufgaben, die Bundesregierung, speziell den Bundeskanzler, und darüber hinaus den Bundespräsidenten über das politische Geschehen zu informieren: Wir stellen jeden Morgen die sogenannte Kanzlermappe zusammen mit einem Pressespiegel. Wir haben in den letzten Jahren unser Newscenter neu entwickelt, wo Nachrichten und Berichterstattung aus Agenturen, den sozialen Medien und so weiter zusammenlaufen. Neben den Veranstaltungen und der Information, die wir nach innen in die Bundesregierung geben, gehört auch die gesamte Information dazu, die nach außen geht: an Journalisten, aber auch an die Bevölkerung. Dazu gehören die Regierungspressekonferenzen, Hintergrundgespräche mit Beamten aus dem Kanzleramt, Informationskampagnen, Broschüren und die Social-Media-Kanäle der Bundesregierung, des Kanzlers und des Regierungssprechers.

Sie beobachten auch Desinformation und legen deren Verbreitungswege offen. Inwiefern ist das BPA dafür zuständig? Arbeiten Sie da auch mit anderen Ministerien zusammen?

Federführend beim Thema Umgang mit Desinformation ist in der Bundesregierung das Innenministerium, aber auch das BPA beobachtet die sozialen Medien und tauscht sich mit dem Auswärtigen Amt, dem Kanzleramt und dem BMI eng aus. Ich habe aber vor allem seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine den Eindruck, dass wir uns durchaus noch besser aufstellen sollten. Ich bin überzeugt, dass Desinformation und deren Verbreitung in den sozialen Medien eine große Gefahr für unsere Demokratie sind. Sie zerstören die Basis für politische Meinungsbildung und unterminieren das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik und ihre Institutionen. Desinformation führt dazu, dass sich viele von der Politik abwenden, weil sie das Gefühl haben, überhaupt nichts mehr glauben zu können. Das zu verhindern, ist eine Aufgabe für die Bundesregierung insgesamt.

Was bedeutet das konkret?

Es geht erst mal darum zu erkennen, wo und wie Information manipuliert wird. Im BPA ist das Aufgabe der Medienauswertung, vor allen Dingen des Social-Media-Monitorings. Dann müssen wir, wenn nötig, auf Falschinformationen reagieren. Und schließlich wollen wir das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger dafür stärken, dass es Desinformationen gibt. Wir haben im BPA ein eigenes Referat zum Umgang mit Desinformationen, das den Kontakt zu den anderen Ministerien hält, zu NGOs, die sich mit dem Thema beschäftigen, zu den Plattformen und zur Wissenschaft. Es beschäftigt sich auch mit der Frage, was wir als Bundesregierung tun können, um über Desinformation als Phänomen aufzuklären.

Haben Sie ein Beispiel?

Es gibt immer wieder ziemlich gut gefälschte Webseiten von Medien mit komplett fiktiven Inhalten, auch die Website des Bundesinnenministeriums wurde schon gefälscht und mit Desinformation befüllt. Vor kurzem kursierte zum Beispiel ein Video, das offensichtlich aus russischen Quellen kam, in dem vermeintliche Bundeswehrsoldaten in einen deutschen Haushalt einmarschierten, die Möbel konfiszierten und sagten: „Das ist alles für die Ukraine.“ Da schauen wir: Wie stark verbreitet sich das? Müssen wir darauf reagieren? Darüber sind wir dann regierungsintern im Austausch. Einen wichtigen Beitrag leisten hier Journalistinnen und Journalisten oder andere Social-Media-Nutzer, die so etwas als Desinformation entlarven.

Wie läuft Ihre Zusammenarbeit mit Journalistinnen und Journalisten außerhalb der Bundespressekonferenz ab?

Erster Ansprechpartner im BPA ist das Büro Chef vom Dienst (CvD). Das ist ein Team von sieben Personen, bei dem die schriftlichen und organisatorischen Anfragen einlaufen. Das CvD-Team erstellt Antwortentwürfe und stimmt diese dann mit dem Kanzleramt und mit einem der Sprecher ab.

Und zusätzlich ist immer eine Person Chef vom Dienst?

Ja, der CvD ist rund um die Uhr erreichbar, natürlich auch am Wochenende. Wir Regierungssprecher teilen uns die Bereitschaftsdienste an Wochenenden untereinander auf. Genauso wie die CvDs.

Kommen Journalisten auch direkt zu Ihnen durch?

Viele Hauptstadtjournalisten haben meine Handynummer. Es ist Teil unserer Arbeit als Sprecherinnen und Sprecher, dass wir für Nachfragen, Erklärungen und Hintergrundgespräche zur Verfügung stehen. Viele Fragen kann man auch schnell per SMS beantworten.

Was ist Ihre Aufgabe bei Print- und TV-Interviews?

Das übernimmt zum größten Teil der Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Ich begleite den Kanzler nur, wenn Herr Hebestreit im Urlaub ist, dieses Jahr zum Beispiel im August zu einem Sommerinterview.

Warum werden nur Sie drei als Regierungssprecher*innen namentlich zitiert?

Weil nur wir in der Öffentlichkeit für die Bundesregierung sprechen.

Und wer schreibt die Tweets für Olaf Scholz?

Der Account wird vom Bundespresseamt betrieben. In der Regel entwickelt unser Social-Media-Team die Vorschläge. Die werden dann abgestimmt und von Herrn Hebestreit oder uns als seinen Stellvertretern freigegeben. Parallel achten mehrere Kollegen darauf, dass nichts übersehen wird, ob zum Beispiel ein Foto oder eine Formulierung wirklich gelungen ist. Einige der Social-Media-Kanäle sind erst mit der Ampel-Regierung entstanden. Sie sind ein wichtiges Kommunikationsinstrument, mit dem wir Zielgruppen erreichen, die andere Medien nicht nutzen. Wir haben genau im Blick, wie sich Kanäle entwickeln, und sehen etwa die Entwicklung auf X zunehmend kritisch. Da wägen wir immer wieder ab, ob wir als Bundesregierung dortbleiben wollen. Wir gucken uns natürlich auch die Alternativen an, die entstehen, wie Mastodon oder zuletzt Bluesky.

Bei Mastodon haben Sie schon einen Account.

Richtig. Ich habe mich auch bei Bluesky angemeldet, bin da aber bisher nicht aktiv. Der Kanzler, die Regierung und der Regierungssprecher sind ja nicht nur auf X unterwegs, sondern auch auf Facebook und Instagram. Mir persönlich gefällt der Instagram-Kanal @Bundesregierung besonders gut, den wir dieses Jahr eingeführt haben. Er hebt sich von den personalisierten Accounts der Ministerinnen und Minister und auch denen des Bundeskanzlers ab. Die sind sehr auf die Person zugeschnitten. Dagegen informiert @Bundesregierung auf Instagram über Regierungshandeln – anschaulich, ansprechend, manchmal originell, in jedem Fall auf eine dem Format adäquate Weise. Das Format richtet sich eher an eine jüngere Zielgruppe. Für uns ist immer die Frage: Wie erreichen wir die Leute? Wie können wir Regierungshandeln erklären? Da eignet sich der Kanal sehr gut.

Sie haben viele Kanäle, die Sie nutzen können. Wie sehen Sie das als frühere Journalistin: Wie viel sollten offizielle Stellen und Behörden selbst kommunizieren? Umgehen Sie damit nicht die Medien?

Zunächst einmal haben wir als BPA den verfassungsrechtlichen Auftrag, die Bürgerinnen und Bürger direkt zu informieren. Das ist eine unserer zentralen Aufgaben. Zugleich sind die Kommunikation und der Austausch mit Journalistinnen und Journalisten ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Ich glaube nicht, dass sie den Eindruck bekommen können, wir würden sie umgehen. Darüber hinaus stellt sich der Bundeskanzler selbst auch häufig den kritischen Fragen der Medien. Wir sind auf den Qualitätsjournalismus angewiesen, gerade in dieser Zeit, die derart kompliziert ist und in der es so wichtig ist, dass komplizierte Sachverhalte verständlich und seriös erklärt werden. Ich erinnere nur an das Heizungsgesetz. Ich bin sehr weit davon entfernt, die Bedeutung von Journalismus für die Regierung, das Land und die Demokratie zu unterschätzen.

Wenn Sie die vergangenen zwei Jahre zusammenfassen müssten: Wie sind die aus Ihrer Sicht gelaufen?

Wir hatten mit dem Krieg gegen die Ukraine und allen seinen Folgen sehr früh einen historischen Ausnahmezustand für eine Regierung, die gerade erst dabei war, ins Regieren zu kommen. Das haben wir gut bewältigt und die Gefahren, die darin für Deutschland lagen, abwenden können. Gleichzeitig gibt es einen großen Ehrgeiz, die Projekte, die wir uns eigentlich vorgenommen hatten, trotzdem umzusetzen: die Energiewende, die gesamte Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft, Digitalisierung, Planungsbeschleunigung, Mindestlohn, Bürgergeld, Kindergrundsicherung, Staatsbürgerschaftsrecht und so weiter. Damit sind enorme Herausforderungen für alle Beteiligten verbunden, was auch gelegentlich zu Friktionen innerhalb der Koalition geführt hat, die leider zu oft nach außen getragen wurden. Das hat auch dazu beigetragen, dass das Vertrauen in die Regierung gesunken ist. Das wollen wir natürlich zurückgewinnen.

Und was ist Ihr persönliches Fazit bisher? Was haben Sie über Medien gelernt, über Ihren alten Beruf, über den Job der Sprecherin?

Es ist ein sehr anspruchsvoller und sehr erfüllender Job. Tatsächlich war für mich das Überraschendste, dass ich noch mal mehr verstanden habe, wie wichtig Journalismus ist, wie groß sein Einfluss, seine Verantwortung und seine Aufgaben sind. Obwohl ich so lange Journalistin war und auch für mächtige Medien gearbeitet habe, war mir das nicht in Gänze bewusst.