Auf die richtigen Werkzeuge setzen

Konzeption

Meine Frau hat vor kurzem unsere Wohnzimmerstühle neu gepolstert und mit neuem Stoff überzogen. Dafür lag auf unserer Werkbank im Keller ein Brotmesser, was mich zunächst irritierte. Der Grund war recht simpel: Es war das Messer, mit dem sie den Schaumstoff fürs Polster am besten zuschneiden konnte. Kein Ziepen, kein Reißen, keine Krümel. Es war einfach das ideale Werkzeug.

Das richtige Werkzeug zu wählen, ist auch Teil strategischer und kreativer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Es muss ja kein Brotmesser sein. Aber ich sollte schon wissen, ob eine gewählte PR-Maßnahme wirklich die richtige ist, um meine Zielgruppe zu erreichen.

Ein Beispiel: Eine Großstadt möchte einige der sozial schwierigsten Stadtviertel entwickeln. Neue Ideen sollen her, die Bürgerinnen und Bürger des Stadtteils sollen sich aktiv an dem Entwicklungsprozess beteiligen, eigene Vorschläge und Vorstellungen einbringen und Projekte umsetzen. Finanzielle Förderung kommt von Stadt und Land. Das gewählte Werkzeug: Eine Pressemitteilung an die Lokalausgabe der Tageszeitung. Das Problem: In dem Stadtteil liest kaum noch jemand die Tageszeitung. Den einen ist sie zu teuer, die zweiten haben schlichtweg sprachliche Schwierigkeiten, die dritten sind längst auf kurze, knappe Social-Media-Posts umgestiegen oder nehmen außerhalb ihrer persönlichen Netzwerke keine Nachrichten mehr wahr. Die Erkenntnis: das falsche Werkzeug.

Gute Vorbereitung und effiziente Umsetzung

Wie viele PR-Aktionen wohl im Sande verlaufen, weil das gewählte Werkzeug nicht zum Absender, zur Botschaft oder zur Zielgruppe passt? In meinen Seminaren über die Arbeit in Pressestellen beziehungsweise über strategische Pressearbeit stellen meine Teilnehmerinnen und Teilnehmer immer wieder fest: Wenn man sich die Zeit nimmt, über die richtigen Maßnahmen, deren jeweilige Inhalte, Zielgruppen und zeitliche Reihenfolge nachzudenken, kommt am Ende oft ein sehr schlüssiges und überzeugendes Konzept raus, das auch Fallstricke und Krisen berücksichtigt und zu einer gut gemachten und erfolgreichen PR führt. Und das ist dann meist auch mit kleinem Budget machbar. Das Problem ist nur: Die Zeit nimmt sich kaum jemand.

In einem meiner Seminare in 2022 gab eine Teilnehmerin an, für ihre Pressestelle habe die entsprechende Verbandsleitung das Zeitbudget für Recherchearbeiten gestrichen. Man solle dort die Zeit ausschließlich fürs Schreiben und Gestalten nutzen. Aber wenn ich nicht weiß, wer meine Zielgruppen sind, welchen Background die haben, wie sie kommunizieren und wie ich sie entsprechend erreichen kann – dann habe ich keine Chance, vernünftige und effiziente Pressearbeit resp. Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Anders gesagt: Wenn ich mir nicht die Zeit nehme, die Zutaten fürs Kochen zusammenzutragen, kann da kein exquisites Mahl herauskommen. Nicht einmal Mindestmaß.

Zeit nehmen für Recherche

Sich Zeit zu nehmen für eine anständige Recherche – das Thema muss ich bei Gelegenheit mal vertiefen – und die richtige Wahl der Mittel betrifft aber nicht nur klassische PR oder Pressearbeit. Es gilt für alle Formen von Kommunikation, etwa für Mailings an Mitarbeiter oder für Reden. Auch jede Rede muss vorbereitet sein. Und dass hier der Löwenanteil des Zeitaufwands in der Vorbereitung steckt, ist schon lange bekannt. Im Ergebnis kann das aber dazu führen, dass die Rede nachhaltig in Erinnerung bleibt, die Botschaft ankommt und der Redner resp. die Rednerin nicht nur ihre Appelle und Inhalte unters Volk bringen, sondern auch eigene Image-Punkte gutmachen und das Ziel ihrer Kommunikation erreichen konnte.

Genau funktioniert das dann auch bei der oben skizzierten Kommunikationsarbeit zur Stadtentwicklung beziehungsweise Stadtteilentwicklung. Erst recherchieren, die Kommunikationsgewohnheiten der Zielgruppen feststellen und sich dann überlegen, welche Wege und Werkzeuge die besten – in diesem Falle: die geeigneten – sind. Das kann die Tageszeitung sein, muss aber nicht. Vielleicht ist es auch die Papiertüte beim Bäcker um die Ecke, der Aushang an der Bushaltestelle, die Einbindung lokaler Sportvereine, die WhatsApp-Gruppe, das Posting bei TikTok oder das persönliche Gespräch. Diese Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Wie im Falle des Stuhlpolsters kann das Werkzeug auf den ersten Blick ungewöhnlich sein. Wichtig ist, dass es funktioniert. Aussagen wie „das haben wir ja noch nie so gemacht“ dürfen kein Hinderungsgrund sein. Eher ein Ansporn!

Wenn ich mir über die möglichen Wege im Klaren bin, folgt die Umsetzung der Botschaften auf genau diese Werkzeuge (Botschaft und Werkzeug müssen zueinander passen), und dann wird kommuniziert – am besten nach einem vorher ausgearbeiteten Zeitplan. Welche Maßnahmen und Inhalte bauen aufeinander auf, wie schaffe ich Wiedererkennungseffekte, wie und wo identifizieren sich Zielgruppen mit meinen Botschaften und Anliegen?

Ja, richtig: Das alles zu überdenken und zu gestalten braucht Zeit. Mehr Zeit jedenfalls, als einfach mal eine Pressemitteilung an die Lokalausgabe der Tageszeitung zu senden. Es geht aber nicht darum, möglichst schnell zu kommunizieren, sondern möglichst erfolgreich.

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