Es gehört zum Profifußball, dass Entscheidungen häufig aus finanziellen Motiven getroffen werden, wobei dies nicht zu offensichtlich sein soll. Das gilt für Spieler- und Trainerwechsel, Fernsehverträge und Sponsoren-Deals. Jeder weiß, dass der Sport ein Geschäft ist, aber ein bisschen Fußballromantik soll dann doch erhalten bleiben. Wenn ein Spieler bei einem Verein dreimal mehr als bei seinem bisherigen Arbeitgeber verdient, wird nicht das als Hauptgrund für den Wechsel genannt. Hervorgehoben werden meist Hilfsargumente. Der Spieler sei schon immer Fan der neuen Mannschaft gewesen, er finde den Trainer toll oder wolle sich weiterentwickeln und Erfolge haben.
Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall und Borussia Dortmund (BVB) haben gestern bekannt gegeben, dass sie eine Partnerschaft eingehen. Bereits einen Tag vorher berichtete das „Handelsblatt“ über die auf drei Jahre angelegte Zusammenarbeit, die dem BVB jährlich einen einstelligen Millionenbetrag einbringen soll.
Offiziell wird Rheinmetall ein „Champion Partner“ des Bundesligisten, der am Samstag im Finale der Champions League gegen Real Madrid antritt. Dort soll zum ersten Mal das Rheinmetall-Logo im BVB-Umfeld sichtbar sein. Künftig geht es der Pressemitteilung zufolge um die „Nutzung reichweitenstarker Werbeflächen, Vermarktungsrechte sowie Event- und Hospitality-Angebote im Stadion und auf dem Vereinsgelände“.
Etwa 30.000 Menschen arbeiten für Rheinmetall. Der Umsatz betrug 2023 rund 7,2 Milliarden Euro. Der Aktienkurs kennt seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs fast nur eine Richtung: nach oben. Vorstandschef Armin Papperger betreibt seit Beginn der Diskussionen um Waffenlieferungen an die Ukraine eine überaus offensive Kommunikation.
In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagte er, sein Unternehmen sei kein „Kriegsgewinnler“. In demselben Gespräch verkündete Papperger auch, dass Rheinmetall von dem 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr mit „30 und 40 Milliarden Euro“ profitieren werde. Hinzu kommt, dass die Unsicherheit über die künftige Rolle der USA beim Schutz Europas sowie Nato-Verpflichtungen die Verteidigungsausgaben auch in anderen Ländern steigen lassen werden. Rheinmetall kann mit sicheren Einnahmen kalkulieren.
Bekanntheit steigern
Aus kommunikativer Sicht ist das Sportsponsoring beim BVB für Rheinmetall eine nachvollziehbare Investition.
Die vergangenen zwei Jahre haben die gesellschaftliche Akzeptanz der Rüstungsindustrie erhöht. Die Notwendigkeit von steigenden Verteidigungsausgaben leuchtet vielen Menschen auch aufgrund des schlechten Zustands der Bundeswehr ein. Offenbar will Rheinmetall den Zeitpunkt nutzen, um mit der BVB-Partnerschaft das Signal auszusenden, dass die Rüstungsindustrie ein unverzichtbarer Teil der deutschen Wirtschaft ist. Sie stehe mitten in der Gesellschaft und leiste einen Beitrag zur Sicherheit des Landes. Ohne sie gehe es nicht.
Bei überschaubarem Budgeteinsatz dürfte die Bekanntheit von Rheinmetall als Unternehmen deutlich steigen. Der BVB ist ein sicherer Champions-League-Teilnehmer und medial dauerpräsent. Das Stadion ist fast immer voll. Die Arbeitgebermarke „Rheinmetall“ dürfte an Profil gewinnen. Es wird dann einfacher, Mitarbeiter zu gewinnen – auch für die Divisionen des Technologiekonzerns, die Produkte für den zivilen Bereich herstellen.
Das größte Risiko für das Unternehmen besteht darin, dass Medien, NGOs und Aktivisten künftig genauer hinschauen werden, in welche Länder Rheinmetall Waffen und Technologien liefert und wie sie zum Einsatz kommen. Doch damit dürfte das Unternehmen umzugehen wissen. Kritik an seiner Arbeit und der Branche ist für die Düsseldorfer nicht neu. Für Exporte von Rüstungsgütern gibt es klare gesetzliche Regelungen, auf die sich das Unternehmen berufen und zurückziehen kann.
Reputationsrisiko liegt beim BVB
Das Reputationsrisiko liegt aufseiten von Borussia Dortmund. In der mit Rheinmetall abgestimmten Ankündigung der Partnerschaft versucht der Verein bereits den Eindruck zu entkräften, den Deal hauptsächlich deshalb eingegangen zu sein, weil das Unternehmen ordentlich zahlt.
Die offizielle Begründung lautet folgendermaßen: „Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen. Gerade heute, da wir jeden Tag erleben, wie Freiheit in Europa verteidigt werden muss. Mit dieser neuen Normalität sollten wir uns auseinandersetzen. Wir freuen uns auf die Partnerschaft mit Rheinmetall und öffnen uns als Borussia Dortmund ganz bewusst für einen Diskurs“, sagt BVB-Boss Hans-Joachim Watzke etwas sperrig. Dass die Verteidigungsfähigkeit ein Eckpfeiler der Demokratie ist, fiel der Vereinsführung zufällig erst ein, als ein Rüstungsunternehmen ein paar Millionen auf den Tisch legte. Eine in sich logische Verbindung von Militär und Waffen zum Fußball gibt es nicht.
Außerdem ist nicht klar, inwieweit die Bereitstellung von Werbeflächen bereits ein Beitrag zum Diskurs sein soll. Bei Werbung im Stadion geht es vor allem ums Senden. In welchem Rahmen will sich Rheinmetall inhaltlich der Debatte mit Fußballfans stellen? Und wie will das Unternehmen seine Produktpalette präsentieren, zu der Waffensysteme, Mörsergranaten und Schützenpanzer wie der Marder gehören? Sollen diese künftig rund um das Stadion präsent sein oder auf den Banden erscheinen? Kaum vorstellbar.
Rheinmetall unterstützt mit seinen Waffen eben nicht nur die Ukraine im Krieg gegen Russland. Die Stärkung von Bundeswehr und Nato stellt lediglich einen Teil der geschäftlichen Aktivitäten dar. Hierfür mag es aktuell in der Gesellschaft breite Unterstützung geben. Das muss nicht von Dauer sein. Es könnte sich auch eine Stimmung entwickeln, dass die für die Verteidigung aufgewendeten Gelder an anderer Stelle besser aufgehoben wären.
Das Hauptproblem für den BVB ist aber ein anderes: Die Produkte des Rüstungskonzerns kommen weltweit zum Einsatz. In internationalen Konflikten sind Gut und Böse nicht immer eindeutig zu definieren. Wenn Waffen des Sponsors Rheinmetall beispielsweise von Staaten eingesetzt werden, um Demokratiebewegungen zu unterdrücken, könnte es mit der Unterstützung der Fans schnell vorbei sein. Auch echte Liebe kann erkalten. Einen erheblichen Einfluss auf die Akzeptanz bei den Fans dürfte deshalb die mediale Berichterstattung zu Rheinmetall bekommen und welche Wichtigkeit Verteidigung in den nächsten drei Jahren beigemessen wird.
Fußball findet in einem emotionalen Umfeld statt. Stadien sind kein Ort für differenzierte Debatten. Fans mögen aus Sympathie für ihren Herzensverein so einiges ausblenden und auch mit Sponsoren milde urteilen. Dass es hier allerdings eine Grenze gibt und Fußball schnell politisch werden kann, zeigten nicht zuletzt die WM in Katar, die Debatten um das inzwischen beendete Engagement von Qatar Airways bei Bayern München und das Sponsoring von Gazprom bei Schalke 04, das nach Russlands Angriff auf die Ukraine nicht fortgesetzt wurde.