Journalisten lieben die klassische David-gegen-Goliath-Story, egal ob Boulevard, regionale Tageszeitung oder klassischer Wirtschaftsredakteur. Auch wenn sich die Ausprägung in der Tonalität unterscheidet, zeigt meist selbst die sachlichste Faktenwiedergabe die heimliche Freude des Verfassers am „Kleinen“, der sich im besten Fall erfolgreich mit dem „Großen“ anlegt.
Am Beispiel des Mobilitätsmarkts waren es zunächst ehemalige Studenten, die aufgrund ihres Gelegenheits-Busverkehrs von der Deutschen Bahn erfolglos auf Unterlassung verklagt wurden. Mit Marktöffnung 2013 gab es mehrere Fernbus-Start-ups, die dem ehemaligen Staatsmonopolisten das Leben schwer machten. Beide Geschichten wurden gerne und großflächig von der Presse aufgegriffen, meist zuungunsten des Schienen-Goliaths.
Einige Jahre später hatte sich eines dieser Fernbus-Start-ups am umkämpften Markt durchgesetzt. Wettbewerber mit großen Namen gaben entweder auf oder wurden vom früheren David übernommen. Plötzlich findet man sich als Unternehmen selbst in der medialen Aufmerksamkeit mit Labels wie „Fernbus-Gigant“, „Grüner Riese“ oder „Monopolist“ konfrontiert.
Kontakte zählen von Anfang an
Nun wird der Ton rauer. Die Hintergründe des Wachstums werden kritisch hinterfragt. Wer ist auf dem Weg zum Erfolg auf der Strecke geblieben? Welcher Partner ist ausgestiegen? Was sind die Nachteile der dominanten Marktposition für den Kunden? Plötzlich ist man selbst der Goliath und häufig macht sich der ein oder andere Redakteur aktiv auf die Suche nach dem passenden Gegenstück, das die David-Rolle übernehmen kann. Sei es ein bitter enttäuschter Kunde, ein ehemaliger Partner, der frustrierte Ex-Mitarbeiter oder ein ehemaliger Konkurrent, der dem Wettbewerber die Schuld an der Geschäftsaufgabe gibt.
Hier zahlen sich die persönlichen Pressekontakte aus den Anfängen aus. Bei Journalisten, die das Start-up haben aufwachsen sehen, fällt es deutlich leichter, komplexe Zusammenhänge zu erklären. Hier können auch kontroverse Inhalte – wie eine starke Marktposition – aktiv thematisiert werden. Im besten Fall hat man sich hier einen gewissen Respekt vor der Leistung erarbeitet.
Aber wie knüpft man diese essenziellen Kontakte in der Anfangszeit, in welcher das Start-up weder die Reputation noch die finanziellen Ressourcen großer Unternehmen besitzt? Wie macht man sich die natürliche Parteiergreifung der Öffentlichkeit für den auf den ersten Blick unterlegenen Newcomer zunutze?
PR-Agentur oder Do-it-yourself?
Viele Start-ups bringen meist fehlende finanzielle Mittel oder Kapazitäten als Gründe für erfolglose Pressearbeit vor. Dabei ist die starke Außenkommunikation ein entscheidender Erfolgsfaktor und unterstützt alle Wachstumsbereiche eines jungen Unternehmens, von klassischen Marketing- und Verkaufszielen über Investorensuche und Partner-Akquise bis hin zur Unterstützung aus dem politischen Umfeld.
Zudem muss es überhaupt nicht das teure PR-Mandat sein. Start-ups kennen ihre Inhalte, Hintergründe und das Marktumfeld viel besser als jede Agentur. Lasst das Gründerteam ihre Unternehmensvision selbst erzählen. Wer die wilden Anfänge live miterlebt, kann der Gründerstory im Pressegespräch wirkliches Leben einhauchen.
Schon das Label „Start-up“ hat News-Wert
Besonders in den Anfängen meiden nicht wenige junge Unternehmen die Selbstbezeichnung „Start-up“. Die Befürchtung, nicht ernst genommen zu werden, führt häufig dazu, dass der PR-Verantwortliche seinen Gründer beim ersten Pressetermin im anonymen Tagungshotel in Anzug und Krawatte steckt. Doch das Bestreben, möglichst klassisch und seriös nach außen auftreten zu wollen, nimmt Start-ups nicht nur die Authentizität, sondern auch ihren News-Wert.
Warum denn nicht die Einladung der Pressevertreter ins chaotische Start-up-Office, wo das Gründerteam umringt von Kartons, Kabelsalat und Bürohund über dem aktuellen Serverproblem brütet? Es müssen ja nicht gleich die Adiletten sein, aber bemühte Auftritte mit Krawatte und der ausgedruckten Pressemappe rund ums Marktpotenzial kennen Journalisten ja schon von der letzten Dax-Konzern-Hauptversammlung.
Mutige Botschaften wagen
Dabei gibt es eigentlich keine Diskrepanz zwischen quirliger Start-up-Mentalität und professioneller Zielorientierung. Zum Gründen gehört viel Mut und Überzeugung. Dass man es ernst meint, kann man viel besser durch starke Botschaften widerspiegeln.
Auch bei der Außenkommunikation sollten sich Start-ups trauen, groß zu denken und konkrete Ziele auch mutig zu formulieren. „Wir testen mal den Markt und schauen, was passiert“ wird wohl eher keine Headline. „Wir bieten ein flächendeckendes Netz bis Ende des Jahres“ vielleicht schon. Der Vorteil an fehlender Reputation ist: Man hat als Newcomer auch nichts zu verlieren.
Basics, Basics, Basics
Pressestellen sind in Start-ups häufig nicht vorhanden und wenn, dann nur dünn besetzt. Wenn sich allerdings spontan Gelegenheiten für die ganz große Bühne ergeben – wie etwa sich bei der Artikelflut zum Bahnstreik als zuverlässige Fernbus-Alternative zu platzieren – sollte man gewappnet sein und den vollen Fokus auf die Pressearbeit setzen.
Basics wie der Frontpage-Link zum Newsroom oder das aktualisierte Factsheet werden dabei von vielen Start-ups vernachlässigt. Der „mediale Durchbruch“ kann dann schon alleine daran scheitern, dass der interessierte Journalist schlichtweg nicht den Pressekontakt, einen verfügbaren O-Ton-Geber oder passendes Bildmaterial finden konnte. Schon ist die große David-Chance ungenutzt verstrichen.
Fazit
Der große Vorteil des Newcomers: Start-ups können ihre Geschichte von Anfang an selbst definieren. Für die effiziente Chancennutzung braucht es starke Botschaften, authentische Botschafter und die professionelle Pressearbeit von Anfang an. Früh erarbeitetes Vertrauen guter Pressekontakte sind später essenziell, um sich in der Goliath-Rolle auch bei kritischen Themen als Meinungsführer positionieren zu können.