Ohne Sinn bleibt nur Unsinn

Unternehmenswerte

Am Wochenende war ich auf einer Hochzeit, einer kirchlichen Trauung, bei der ich über Sinn, über Werte und Zusammenhalt nachdenken musste. Dazu kam es, weil die Braut gleichzeitig auch die Pastorin des kleinen Ortes im Süden unseres Landes ist. Und obwohl der Kreis der geladenen Gäste nur aus engen Freunden bestand, war das ganze Dorf auf den Beinen: Die Kirche wurde heimlich geschmückt und gewienert, der Musikverein spielte in Tracht auf, die schönsten Kleider wurden angezogen und das Brautpaar beim Auszug aus der Kirche feierlich und mit kleinen Geschenken empfangen. Bis die Gäste endlich gratulieren konnten, war eine Stunde vergangen.

Warum erzähle ich das? Weil dieser Zusammenhalt, für den die „Gemeinde-Chefin“ mit ihrer täglichen Arbeit sorgt, die weit über eine 40 Stundenwoche hinausgeht und keine geregelten Arbeitszeiten kennt, so viel Sinn macht. Sie hält mit ihrer Persönlichkeit und mit ihrer Haltung ein ganzes Dorf zusammen, sie schlichtet, tröstet, gibt Orientierung und auch so etwas wie „Purpose“, indem sie jeden Sonntag versucht, ihrem Team die Frage nach dem „Warum?“ zu beantworten. Und das alles durch Kommunikation. Interne Kommunikation. Führungskräftekommunikation.

Dies ist keine Ode an die Kirche, und dieser Artikel hat auch nichts mit Religion zu tun. Das Beispiel ist für mich aber auf die Unternehmen übertragbar, in denen die meisten von uns arbeiten. Ist unser Chef oder unsere Chefin ein Mensch ohne Rückgrat, ohne Empathie und ohne Haltung, dann identifizieren wir uns weniger mit dem, was wir tun. Ist er oder sie nicht in der Lage, uns wertschätzend im Alltag zu begegnen und die Frage nach dem „Warum?“ zu beantworten, suchen wir woanders nach Antworten – und wechseln vielleicht den Job.

Überlegen, wofür das Unternehmen steht

Auch wenn in vielen Foren das Thema „Purpose“ bereits als Kommunikations-Buzzword begraben wird, sind wir sicher, dass es eher noch an Bedeutung gewinnen wird. Die jungen Menschen, die seit einigen Monaten auf die Straße gehen, um andere wachzurütteln, sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von morgen. Sie sind kritisch, gut ausgebildet, engagiert. Sie werden Fragen stellen: Wie nachhaltig ist das, was wir hier tun – und zwar in Bezug auf alle drei Bereiche: Ökologie, Wirtschaft und Soziales. Was ist der Beitrag des Unternehmens und was bedeutet das für mich?

Erfolgreiche Unternehmen, die die Zukunft mitgestalten wollen, müssen über diese Themen nachdenken und ihre Unternehmenskultur so gestalten und ausfüllen, dass sie eine Gemeinschaft aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern formt, die die gleichen Werte teilen. Der positive Impact auf das Klima – im Unternehmen – wird groß sein und die Wertschöpfung signifikant steigern.

Was aber tun, wenn sich der „Purpose“ im Unternehmen nicht sofort aufdrängt? Vielleicht beginnen Sie damit, sich und einer heterogenen Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Fragen zu stellen – zum Beispiel diese hier:

  • Was treibt uns an?
  • Was ist unser Beitrag in dieser Welt?
  • Welche Werte schätzen und vertreten wir?
  • Was soll bleiben, auch wenn wir nicht mehr hier sind?
  • Wovon sind wir überzeugt?
  • Was ist die Maxime unseres gemeinsamen Handelns?

Und dann beginnen Sie, daraus ein „großes Ganzes“ zu formen. Geben Sie den Antworten ein Gesicht, erschaffen Sie ein Bild von Ihrem Unternehmen – wie es ist oder künftig sein soll. Vision, Leitbild und daraus abgeleitete Ziele sind dann die nächsten Schritte.

Oft ist im Unternehmen schon ganz viel vorhanden, muss nur noch aufgelesen und formuliert werden. Genauso oft muss natürlich auch bei Null angefangen, muss tief gebohrt werden, um den Kern des Auftrags und des Miteinanders zu finden. Aber die Mühe lohnt, denn ohne Sinn bleibt nur Unsinn.