Gendern: Herausforderung in der Kommunikation

Sternchen, Doppelpunkt und Co.

Als ich im vergangenen Monat an dieser Stelle über Wissenschaftskommunikation schrieb, erhielt ich eine Rückmeldung einer Kollegin aus Berlin. Sie wünsche sich den Beitrag mit mehr Gender-Elementen: Also nicht „Wissenschaftler“ oder „Forscher“, sondern „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ sowie „Forscherinnen und Forscher“. Und das Magazin „journalist“ etwa, das Periodikum des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), erschien vergangene Woche in zweierlei Form. „Von den 32.000 Magazinen dieser Ausgabe haben wir auf 16.000 journalistin gedruckt und auf die anderen 16.000 journalist“, schreibt Chefredakteur Matthias Daniel in seinem Vorwort.

Die Frage nach dem richtigen Gender-Maß und überhaupt nach einer diskriminierungsfreien Formulierung stellt sich Kommunikationsschaffenden oft. In meinen Seminaren fragen Teilnehmer (und Teilnehmerinnen) regelmäßig nach meiner Einschätzung und Bewertung von Gendern in Pressemitteilungen oder in der Mitarbeiterkommunikation. Soweit ich das verstehe, tun sie das nicht immer, weil sie selbst es für ungemein wichtig halten. Sondern weil es sie oft nervt, wenn sie verständliche Texte schreiben wollen, in denen ein Chef oder eine Chefin anschließend alle personenbezogenen Substantive, Berufsbezeichnungen und dergleichen in männlicher und weiblicher Form verlangen.

Oft muss man sich entscheiden: verständlich oder korrekt

Da muss man sich dann irgendwann entscheiden: Soll der Text „politically correct“ sein oder verständlich. Wenn ich einen Artikel über den Bedarf an Pflegekräften in Deutschland schreibe, dann kann ich das in einer für alle Leser (m/w/d) verständlichen Sprache tun. Ich kann aber auch über „Anbieterinnen und Anbieter“, über „Familienpflegerinnen und Familienpfleger“ oder über „Pflegedienstfachmitarbeiterinnen und Pflegedienstfachmitarbeiter“ schreiben – oder es dann besser gleich sein lassen. Denn irgendwann werden auch die schönsten Texte unübersichtlich und unverständlich, wenn ich derart dem Zwang einer Männlich-Weiblich-Divers-Gerechtigkeit erliege.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich mache über die Frage der korrekten Benennung und Bezeichnung oder über Geschlechter-Gerechtigkeit keine Witze. Aber was manche oder mancher da gerne im Text sehen möchte, läuft dem Sinn professioneller Kommunikation zuwider: Es macht Texte unlesbar und verhindert damit klare Botschaften. „Schreibe kurz, klar und bildhaft“ heißt es bei Joseph Pulitzer.

Um dem Dilemma zu entkommen, gibt es mehrere Lösungen – die alle einen Haken haben. Da ist zum einen die oben schon skizzierte Möglichkeit, alle Begriffe in männlicher und weiblicher Form zu verwenden. Wobei das heutzutage einem geschlechtergerechten Anspruch auch nicht mehr entspricht, da sich ja zu Männern und Frauen nun auch Diverse gesellen, die auf eine eigene Ansprache pochen könnten.

In der lebendigen Vielfalt liegt die Lösung

Schon länger bekannt sind das Binnen-I (AutorIn), die Schrägstrich-Lösung (Autor/-in), das Sternchen (Autor*in), der Unterstrich (Autor_in) und der Doppelpunkt (Autor:in). Und dann gibt es natürlich auch die generischen Formen, wenn ich nur eine männliche oder weibliche Form nutze (also „Autor“ oder „Autorin“). Was den meisten Lösungen gemein ist: Sie stören den Lesefluss und sehr viel gerechter sind sie auch nicht, weil sie die bei Klotüren und Stellenanzeigen verlangte Geschlechtergerechtigkeit nicht wiedergeben. Oder wo steckt im Begriff „Autor_in“ die diverse Form? Und so genannte neutrale Formulierungen wie „Teilnehmende“ oder „Unterrichtende“ wirken manchmal derart konstruiert, dass Blick und Ohr dann an dieser einen Formulierung hängen bleiben und die eigentliche Botschaft des Textes nicht wahrgenommen wird.

Geschlechterneutralität und Geschlechtergerechtigkeit entwickeln sich – weit über Anforderungen an die Sprache hinaus – zu einer sehr vielfältigen Sache. Mein Lösungsvorschlag für eine wirkliche neutrale oder gerechte Sprache liegt vermutlich in einer solchen Vielfalt. Das heißt: nicht nur eine (!) Lösung propagieren, sondern mehrere. Warum nicht in einem Text über „Schülerinnen und Schüler“ schreiben, im nächsten Absatz über „Jugendliche“, „Schulkinder“ oder „junge Menschen“.

Und ruhig auch mal generische Formen nutzen. Verboten sind die nicht. Ich bin davon überzeugt, dass sich die meisten Menschen auch dann angesprochen fühlen. Zumindest habe ich unter Wissenschaftlerinnen und Forscherinnen noch keine erlebt, die mit einer – im Text einmalig genutzten – generalisierten Formulierung wie der geschlechts-gemischten „Gruppe von Forschern“ ein Problem gehabt hätte. Ihnen ging es meist um die Ergebnisse ihrer Arbeit und den Nutzen, der sich aus der Forschung ergibt. Dieses Ziel – News und Nutzen vermitteln, erklären und bewerten – dürfen wir bei aller Sensibilität für Geschlechtergerechtigkeit nicht aus den Augen verlieren.

 

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