Wenn CEOs ihre Wachstumsstrategie vor Investoren und Stakeholdern vorstellen, sprechen sie gerne von Megatrends. Nachhaltigkeit, Urbanisierung, Digitalisierung – solche Trends helfen bei der Argumentation der Unternehmensstrategie. Doch was ist, wenn Megatrends gegenläufig zu den Unternehmenszielen verlaufen? Wenn das Unternehmen nicht nur in der Kritik steht, sondern wenn Stakeholder oder die Gesellschaft das Geschäftsmodell an sich – also die „Licence to Operate“ – in Frage stellen?
Zwei Unternehmen, die seit Jahren mit massiver Kritik leben müssen, sind der Energieriese RWE und der Immobilienkonzern Vonovia. Beide haben erkannt, dass sie nur durch eine aktive Stakeholder-Kommunikation ihr Geschäftsmodell und damit auch den künftigen Erfolg sichern können. Im Mittelpunkt dieser Kommunikation steht der CEO, der als Gesicht und wichtigste Stimme des Unternehmens in den Dialog mit den Kritikern geht.
Der CEO im Stakeholder-Dialog
Rolf Buch, seit 2013 an der Spitze des heute größten deutschen Immobilienunternehmens, war lange Zeit ein Manager, der sich in der Öffentlichkeit mit Meinungsbeiträgen zurückhielt. Seine Karriere begann er bei Bertelsmann, leitete dort das internationale Dienstleistungsgeschäft von Arvato und stieg in den Bertelsmann-Vorstand auf. Nach seinem Wechsel zur Deutschen Annington, wie Vonovia damals noch hieß, blieb es lange Zeit vergleichsweise ruhig um Buch. Zwar führte er das Unternehmen an die Börse und vergrößerte durch Zukäufe den Wohnungsbestand. Gegenüber Medien und der Öffentlichkeit blieb er jedoch zurückhaltend.
Seit jedoch bezahlbarer Wohnraum und die Rolle großer Immobilienunternehmen zu einem breiten gesellschaftlichen Thema geworden sind, hat Buch seine Strategie geändert. In Interviews und bei Auftritten präsentiert sich der 56-Jährige heute als sozialer und gesellschaftlich verantwortlicher Manager. Den Berliner Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienfirmen bezeichnete er als „Weckruf“ für seine Branche und bot eine Begrenzung der Mieten in Berlin an. Beim Klimaschutz setzte er in dem Konzern ehrgeizige Vorgaben durch und knüpft sein Gehalt an deren Erreichen. Selbst Kritiker wie der Mitinitiator der Berliner Enteignungskampagne von Immobilienkonzernen, Michael Prütz, gestehen Buch zu, dass er „ein tiefes Verständnis für gesellschaftliche Probleme“ habe.
Transformation als Herkulesaufgabe
Nicht weniger anspruchsvoll ist die Aufgabe von Markus Krebber, der seit Mai dieses Jahres an der Spitze von RWE steht. Eine „Herkulesaufgabe“, wie das „Handelsblatt“ schreibt. Denn der 48-Jährige soll aus einem der größten Eminenten von Treibhausgasen einen grünen Stromerzeuger formieren. Mehr als ein Jahrhundert stand RWE für dreckige Kohle. Noch vor wenigen Jahren stand das Unternehmen im Hambacher Forst in direkter Konfrontation mit Klimaschützern. Als „Lieblingsfeind von Fridays for Future“ bezeichnete die „Wirtschaftswoche“ den Energiekonzern.
Doch im Gegensatz zu seinen Vorgängern an der Spitze von RWE versucht Krebber erst gar nicht, die Risiken des Klimawandels herunterzuspielen. Stattdessen setzt er sich an die Spitze der Transformation. Mit der Strategie „Growing Green“ trimmt er den Essener Energieriesen auf neue, nachhaltige Geschäftsfelder. 50 Milliarden Euro will Krebber bis 2030 in erneuerbare Energien und Gaskraftwerke investieren. Vom Klimasünder zum Klimaretter – größer kann eine Transformation kaum sein. „Spagat zwischen Kohle und Wind“ überschreibt die „Süddeutsche Zeitung“ ihr Porträt über Krebber.
Der eine steht an der Spitze des größten deutschen Immobilienkonzerns – und will nicht als Miethai gesehen werden. Der andere leitet einen der größten Emittenten von CO₂ und will sich zum Klimaretter wandeln. Welcher der beiden CEOs ist im Wettstreit um Reputation und Glaubwürdigkeit besser positioniert?
Wie ist ihr Bild in der Öffentlichkeit?
Rolf Buch arbeitet hart daran, als verantwortungsvoller CEO und Manager wahrgenommen zu werden. Dafür stellt er sich der Kritik – auch wenn es ungemütlich wird –, von der Lokalzeitung bis zur großen Bühne bei „Spiegel Online“. Da Buch stets selbstreflektiert auftritt („Wir machen auch Fehler“ – „Welt am Sonntag“) und Verständnis für die gesellschaftlichen Folgen seines Wirtschaftens äußert („Mieter brauchen keine Angst zu haben“ – „Die Zeit“), hat er trotz der scharfen Kritik an seinem Unternehmen ein positives Image. Die linkskritische Wochenzeitung „Der Freitag“ porträtiert ihn unter der Überschrift „Mann mit großen Plänen“ – er sei eben „kein Miethai, (…) kein Immobilienlobbyist“, schreibt das Blatt. Im Image-Ranking von Unicepta schaffte es Buch mehrmals unter die Top 10 der Dax-Chefs.
Markus Krebber muss sich seine Reputation erst noch aufbauen. In den ersten Interviews mit Leitmedien präsentiert er sich als zugänglicher und zupackender Manager – ohne Krawatte und Anzug. „Er besitzt die ideale Figur für Badminton, landet nach dem Spielen mit seinen Kindern gerne im Krankenhaus, kauft Werke irischer Künstler online und wird gerade von einem aktivistischen Investor belagert“, stellt die „Wirtschaftswoche“ Krebber ihren Lesern vor. Dabei achtet der RWE-Chef darauf, bei jedem Interview eine positive News im Gepäck zu haben. „Wir wollen 2040 klimaneutral sein“, titelt dann die „Welt“. „RWE will schneller grün werden“, schreibt die „FAZ“. All das zahlt positiv auf das Image ein.
Wer hat die bessere Medienpräsenz?
In unserem „CEO Communication Monitor“ für das Jahr 2020, der die Positionierung aller Dax- und M-Dax-Chefs analysiert, stand Rolf Buch in der Medienpräsenz auf Platz 16 – eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr. Allerdings kämpft er weiter mit einer eher negativen Tonalität in der Berichterstattung. Stark engagiert ist Buch bei Twitter, wo er einer der aktivsten deutschen CEOs ist (305 Tweets im Jahr 2020). Nur wenige Manager verstehen es, auf Twitter so viel Engagement zu erzeugen. Auf anderen sozialen Medien ist Buch bewusst nicht präsent.
Markus Krebber konzentriert sich bei seinen Social-Media-Aktivitäten auf Linkedin. Von der neuen RWE-Unternehmensstrategie bis zu Ereignissen in Politik und Gesellschaft – Krebber äußert sich zu einer breiten Palette an Themen. Mehr als 6.500 Follower zählt der RWE-Chef. Gleichzeitig ist er mit Interviews in den Medien präsent – Interview im „Spiegel“ über Podcast-Auftritte bei Gabor Steingart oder „Wirtschaftswoche“-Chef Beat Balzli. Krebbers Vorgänger Rolf Martin Schmitz war einer der Manager mit der größten Medienpräsenz (Rang 20 im „CEO Communication Monitor 2020“). Der neue RWE-Chef dürfte künftig ähnliche Werte erreichen.
Wo treten sie auf?
Ob beim Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“ in Berlin oder beim renommierten Ständehaus-Treff in Düsseldorf – Rolf Buch ist auf den großen Bühnen für Manager unterwegs und stellt sich der gesellschaftlichen Debatte zum Thema Wohnraum. Buch diskutiert beim Wirtschaftsrat der CDU genauso wie beim Businessclub des „Harvard Business Managers“ und beim Münchner Management-Kolloquium. Markus Krebber ist nicht weniger aktiv: Den neuen RWE-Chef sieht man als Keynote-Speaker auf Industrieveranstaltungen wie der VIK-Jahrestagung oder dem BDEW-Kongress genauso wie bei diversen hochkarätigen Konferenzen zu Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz wie der Agora-Energiewende. Dabei wirbt Krebber unermüdlich für seine „Growing Green“-Strategie.
Wer berät sie?
Kommunikationschef Klaus Markus begleitet Rolf Buch schon seit Bertelsmann-Zeiten. 2013 holte ihn der Vonovia-CEO zum Wohnungskonzern. Markus steuert nicht nur die Unternehmenskommunikation und die PR des Dax-Konzerns. Er ist auch Vorsitzender der unternehmenseigenen Vonovia-Stiftung. Sein Hauptjob ist, seinem Chef kommunikativ den Rücken freizuhalten. Dabei bleibt der Kommunikationschef selbst auffällig im Hintergrund: Markus postet weder auf Linkedin noch auf Twitter und gibt fast nie Interviews in den einschlägigen Branchenmagazinen. Allein der CEO soll als Gesicht des Unternehmens sichtbar sein. RWE-Kommunikationschefin Stephanie Schunck war schon für das CEO-Image von Vorgänger Rolf Martin Schmitz verantwortlich und steuert nun auch das öffentliche Bild von Markus Krebber.
Hoch- und Tiefpunkte
Richtige Tiefpunkte sucht man bei Rolf Buch vergeblich. Drei Mal musste der Vonovia-Chef zwar anlaufen, bis die Übernahme des Konkurrenten Deutsche Wohnen endlich im Herbst klappte. Am Ende wurde es für den Vonovia-Chef aber sein größter Erfolg, denn mit dem Zusammenschluss schafft er einen europäischen Immobilienriesen mit mehr als 550.000 Wohnungen. Dass das Bundeskartellamt den Zusammenschluss rasch genehmigt hat und die öffentliche Diskussion sich im Rahmen hielt, ist sicher auch ein Erfolg der CEO-Positionierung. Dem Konzern ist es gelungen, mit Hilfe von Rolf Buch als verantwortungsbewusstem und dialogbereitem Manager eine Reputation aufzubauen, die sich bei der Übernahme am Ende ausgezahlt hat.
Für Markus Krebber ist es noch zu früh, ein Urteil über seine Positionierung abzugeben. Bislang hat der RWE-Chef den Strategiewechsel des Energieriesen zu einer nachhaltigen Zukunft überzeugend und glaubwürdig kommuniziert. Der Aktienkurs ist stabil. Für die Positionierung des neuen CEOs ist das bereits ein Erfolg.
Sieger im CEO-Zweikampf
… ist Rolf Buch. Der Vonovia-Chef ist ein Musterbeispiel dafür, wie Unternehmen auch in einem schwierigen, oftmals sogar feindseligen gesellschaftlichen Umfeld durch transparente Kommunikation und Dialogbereitschaft Reputation aufbauen können. RWE-Chef Markus Krebber verfolgt bislang die gleiche Strategie und nutzt seinen Bonus als neuer CEO, um eine der größten Transformationen in der Industriegeschichte anzustoßen. Die Kritik an den Unternehmen ist deshalb nicht weg. Doch beide CEOs zeigen, wie langfristiger Reputationsaufbau zum unternehmerischen Erfolg beitragen kann.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #HiddenChampions. Das Heft können Sie hier bestellen.