Gebt PRlern mehr Verantwortung!

Interview

Herr Biebl, mit welchen Veränderungen sehen sich Unternehmen und ihre Kommunikationsabteilungen konfrontiert?

Matthias Biebl: Es gibt eine Reihe wichtiger Veränderungen. Einige haben nicht unmittelbar mit Kommunikation zu tun, beispielsweise die soziale Absicherung: Ganze Staaten drohen Pleite zu gehen, Banken stürzen die Welt in eine Wirtschaftskrise – das war früher undenkbar. Oder: Wenn ein Unternehmen Rekordgewinne meldet, kann der eigene Arbeitsplatz dennoch gefährdet sein. Das schürt Ängste und Verunsicherung. Gleichzeitig gelten durch Internet und Soziale Medien ganz neue Spielregeln für die Kommunikation.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Firmen müssen erkennen, dass sich diese Veränderungen nur auf einer übergeordneten Ebene beantworten lassen. Sie können sich nicht mehr hinter Floskeln verstecken, und haben es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wann ein Dialog öffentlich geführt wird. Es geht nicht alleine um Vorschriften und Gesetze, sondern um Verantwortung und die Legitimation unternehmerischen Handelns.

Welche Anforderungen werden dadurch an die PR gestellt?

Die PR hat nicht nur die Aufgabe, eine neue, ehrliche Sprache zu finden, die das eigene Handeln erklärt. Es geht auch darum, die Veränderungen in die eigene Organisation hineinzutragen und notwendige Prozesse anzustoßen und mitzugestalten; wie beispielsweise bei Lieferketten sicherzustellen, dass die Standards entlang der gesamten Wertschöpfungskette eingehalten werden.

Sie sagten, die PR müsse die Chance wahrnehmen, den Stellenwert einzunehmen, den sie verdient. Welchen Status hat PR momentan?

Da ergibt sich kein einheitliches Bild. Es gibt natürlich Kommunikationsverantwortliche, die innerhalb ihres Unternehmens eine sehr starke Rolle spielen und großen Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen haben. Da muss es auch hingehen aus meiner Sicht! Man sollte sich nicht nur darauf konzentrieren, neue Dialogmöglichkeiten in den Sozialen Medien auszureizen, sondern auch das eigene Gewicht in der Unternehmensführung stärken und Veränderungsprozesse anstoßen.

In seiner Keynote „Stell dir vor, es ist Wandel und keiner geht hin“ auf dem PRSH-Forum plädiert Matthias Biebl dafür, dass Kommunikatoren in unternehmerische Entscheidungen stärker einbezogen werden sollten.

Wie kann man da vorgehen? Eine Studie, die Sie erwähnten, ergab, dass die CEOs sich eher selbst als ihren Kommunikatoren zutrauen, die Themen Vertrauen und Reputation zu verantworten.

Das ist ein bestürzendes Urteil und mir fehlen die Worte, dass man das einfach so zur Kenntnis genommen hat, ohne zu diskutieren. Reputation ist nicht nur Chefsache. Sie zu managen ist Sache eines starken Kommunikators. Hier muss man sich ganz klar einbringen. Das ist natürlich keine leichte Aufgabe. Das geht auch nicht durch Konfrontation, sondern durch interne Vernetzung und enge Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen. Diese müssen die Vorteile aus dieser Zusammenarbeit erleben. Die Kommunikatoren benötigen darüber hinaus relevante Kennzahlen, die ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg dokumentieren.

Bei Danone waren Sie in solch einer Position und verantworteten von 2012 bis Ende 2013 die Bereiche Kommunikation, Nachhaltigkeit, Recht und das Qualitätsmanagement und waren Mitglied der Geschäftsleitung. War diese Stelle so bereits vorhanden, als Sie sie antraten?

Die Stelle wurde bei meinem Einstieg neu definiert. Sie entstand aus einer Diskussion darüber, was eigentlich notwendig sei, um die Themen Vertrauen und Reputation zu stärken. Die große Erkenntnis war, einen gemeinsamen Handlungsrahmen vorzugeben und damit den anderen Bereichen zu helfen, sich daran zu orientieren und sich Ziele zu setzen.

Eine solche Kombination gab es zu dieser Zeit nicht sehr oft, oder?

Ja, das war in der Tat neu. Und: Bei aller Zusammenarbeit von verschiedenen Bereichen ist es am Ende so, dass jeder seine eigenen Ziele verfolgt, verfolgen muss. Da braucht es eine umfassende Klammer, die diese Dinge in Einklang bringt.

Das hat Ihre Stellung als Kommunikator dann in Richtung Unternehmensführung gestärkt?

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, das hat funktioniert. Die entscheidende Frage ist: Wo wollen sich die Kommunikatoren auch persönlich hin entwickeln? Viele wechseln eher die Branchen, aber steigen nicht ins Top-Management auf. Aber es ist gut für die Organisation, wenn die Kommunikatoren mehr Verantwortung bekommen, denn sie bilden eine wesentliche Schnittstelle zur Gesellschaft.

Wenn man immer mehr Verantwortung bekommt, welchen Stellenwert nimmt dann die reine Pressearbeit ein?

Meine Aufgabe war übergeordnet und ich hatte einen Pressesprecher für die Pressearbeit, genauso wie sich eine Direktorin um das Qualitätsmanagement gekümmert hat.

Hat Ihnen dieses Originäre an der Arbeit gefehlt?

Nein, wir waren eng in der Abstimmung und ich habe an allen Themen mitgearbeitet. Wenn wir Anfragen bekamen, haben wir das gemeinsam diskutiert. Das Spannende war, im Gremium als Leiter dieser Bereiche die Dinge in unternehmerischen Kontext  zu betrachten und festzustellen, dass die Mitarbeiter sämtlicher Bereiche den vorgeschlagenen Werte- und Handlungsrahmen dankbar akzeptierten. Ich habe in dieser Position manchmal anders entschieden, als ich es als Pressesprecher getan hätte.

Welche Entscheidung hätten Sie beispielsweise als Pressesprecher nicht getroffen?

Es handelt sich ausschließlich um interne Punkte, die sich leider nicht in wenigen Worten beschreiben lassen.

Content Marketing treibe PRler in die Falle, war eine weitere These Ihres Vortrags. Was meinen Sie damit?

Die Netzwerke, Plattformen und neuen Erzähl- wie Dialogmöglichkeiten bieten hervorragende Chancen für Unternehmen. Wir PR-Leute müssen jedoch unsere Aufgabe dabei erkennen. Die Frage ist, inwieweit mache ich den Rezipienten klar, dass diese Infos von einem Unternehmen stammen, nicht von Journalisten, wie einige Online-Magazine suggerieren. Der Absender darf nicht in den Hintergrund treten und unabhängigen Journalismus vorgaukeln; oder zu irrelevanten Themen kommunizieren und es verpassen, sich offen mit den relevanten gesellschaftlichen Veränderungen auseinanderzusetzen. Es ist die Aufgabe der PR, darüber zu wachen, dass Vertrauen nicht gefährdet, sondern gestärkt wird.

Hier geht es zum Manuskript der Keynote.

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