Wenn ein neuer CEO das Ruder im Konzern übernimmt, ist das für die Unternehmenskommunikation oft eine knifflige Angelegenheit: Auf der einen Seite gilt es, den neuen Vorstandschef gleich zu Beginn als Richtungsgeber und Leader zu präsentieren, hinter dem sich die Mannschaft versammeln kann. Auf der anderen Seite darf der Neue nicht zu hemdsärmelig auftreten und vorschnell Kritik üben, wenn er die Leistungsträger im Unternehmen nicht vor den Kopf stoßen will. Ein gutes Timing und die richtigen Botschaften sind in dieser Phase entscheidend.
Früher hatten es die neuen CEOs einfach: Ähnlich wie in der Politik wurden den Konzernchefs eine 100-Tage-Schonfrist zugestanden, ehe die Medien ihr Urteil fällten. Aufgrund der gestiegenen Dynamik und des Drucks der Kapitalmärkte gibt es solche strikten Grenzen nicht mehr. Trotzdem bleiben die ersten 100 Tage für die CEO-Positionierung sehr wichtig. Denn in dieser Zeit entscheidet sich der Eindruck, den sich Mitarbeiter und Öffentlichkeit vom neuen Mann an der Spitze machen. Die Fehler, die in den ersten Wochen und Monaten gemacht werden, lassen sich später kaum noch korrigieren.
Zwei Beispiele, wie sich neue Chefs intern und extern positionieren, sind die Dax-CEOs Kasper Rorsted und Hans Van Bylen. Der eine, Rorsted, war bei Henkel viele Jahre sehr erfolgreich und steht seit Oktober an der Spitze von Adidas. Er muss beweisen, dass er in der Marketing-getriebenen Sportbranche ebensolche Wunder wirken kann wie zuvor in Düsseldorf. Sein Nachfolger bei Henkel ist seit Mai Van Bylen: Er ist das typische Beispiel für den Aufstieg von innen. Obwohl er schon mehr als 30 Jahre bei Henkel ist, muss der Belgier zeigen, dass er für frischen Wind sorgen kann.
Wie ist ihr Bild in der Öffentlichkeit?
Nur wenige Spitzenmanager steuern und planen ihr Bild in der Öffentlichkeit so akribisch wie Rorsted. Egal ob er sich bei Auslandsreisen von Wirtschaftsjournalisten begleiten lässt oder einen Redakteur der Lokalzeitung empfängt – jedes Detail ist durchgeplant. Beispiel Bildsprache: Bei Henkel – konservativ, familiengeführt – ließ sich Rorsted stets nur mit Krawatte und Anzug fotografieren. Seit der 54-Jährige bei Adidas das Sagen hat, sieht man ihn plötzlich mit lässig offenen Kragen, Drei-Tage-Bart und im T-Shirt. Das Ergebnis dieser langjährigen Reputationspflege ist ein bestechend gutes Image. Er sei der „Superstar“ unter den Managern, jubelte die sonst eher zurückhaltende FAZ. „Ein Mann wie eine Maschine“ titelte die Zeit noch zu seinen Henkel-Zeiten. Allerdings birgt es auch ein Risiko für Unternehmen, wenn das Ansehen des CEO das der Firma überstrahlt. Henkel bekam das zu spüren: Kaum hatte Rorsted seinen Abschied verkündet, sackte der Aktienkurs des Waschmittelkonzerns erst einmal ab.
Ganz anders das Bild von Van Bylen, der von den Medien eher als zurückhaltender und zögerlicher Manager beschrieben wird. „Der Treue“, titelte das Handelsblatt und bezweifelt, ob Van Bylen „Impulse setzen kann“. Der Belgier gelte in Branchenkreisen „nicht gerade als großer Visionär“, schreibt das Fachblatt Horizont. Zwar verkündete Van Bylen eine neue Strategie und Digital-Offensive, in den USA stemmte er eine Milliardeninvestition. Trotzdem gelingt es dem 55-Jährige bisher nicht, ein dynamisches Bild zu vermitteln.
Wer hat die bessere Medienpräsenz?
Auch wenn Kasper Rorsted nie so prominent in den Medien vertreten war wie etwa die Chefs der Banken und Automobilkonzerne, hatte er in den vergangenen Jahren eine stabile Medienpräsenz auf hohem Niveau. Im „CEO Communication Monitor“ des vergangenen Jahres stand er auf Platz 18 der rund 80 Dax- und MDax-Chefs. Trotzdem gewann er mehrere Image-Awards und liegt im Reputationsranking des Manager Magazins weit oben. Rorsted hat sich also mit einer dosierten Medienpräsenz eine hohe Reputation aufgebaut. Daran hält er auch bei Adidas fest: Bislang verzichtet er auf Interviews und – bis auf Pflichttermine wie Quartalszahlen – auf öffentliche Auftritte. Stattdessen nutzt er die Anfangsphase, um zunächst die Kommunikation nach innen und eine Vertrauensbasis bei Mitarbeitern und Führungskräften aufzubauen.
Ganz anders Van Bylen: Schon kurz nachdem er die Geschicke bei Henkel übernommen hatte, präsentierte er sich in großen Interviews etwa im Manager Magazin und der Rheinischen Post der Öffentlichkeit. Im Herbst legte er mit einer zweiten Interview-Reihe zur neuen Unternehmensstrategie nach. Der Grund, warum Van Bylen und sein Kommunikationsteam sich nicht an die 100-Tage-Frist gehalten haben, scheint offenkundig: Durch den Weggang von Rorsted erschien Henkel wie ein Konzern im Machtvakuum. Van Bylen als Nachfolger war der breiten Öffentlichkeit praktisch nicht bekannt. Gegen beides wollte man kommunikativ gegensteuern.
Wo treten sie auf?
Ob als Keynote Speaker beim Burda-Zukunftskongress DLD, bei Reden an der angesehenen WHU Business School oder in Harvard: Rorsted sah man auch zu Henkel-Zeiten man fast nur bei hochkarätigen Veranstaltungen. Auftritte wie von Siemens-Chef Joe Kaeser, der sich auch für eine Rede in einem mittelbayerischen Dorf-Gymnasium nicht zu schade ist, könnte man sich bei dem Dänen nicht vorstellen. Dabei würde gerade diese Art von sympathischer Bodenhaftung dem Image des Adidas-Chefs gut tun.
Genau das Gegenteil muss Van Bylen erreichen: Dem neue Henkel-Chef haftet noch immer das Image eines grauen Managers an. Er muss auf die großen Bühnen und darf durchaus visionärer auftreten. Immerhin: Beim „Henkel Preis der Diana“ auf der Galopprennbahn Düsseldorf zeigte er sich bereits neben Henkel-Erbin und Aufsichtsratschefin Simone Bagel-Trah.
Wer berät sie?
Adidas-Pressesprecher Jan Runau, Urgestein unter den Dax-Kommunikationschefs, steuerte mehr als zehn Jahre das Image von Herbert Hainer. Man darf davon ausgehen, dass er Rorsted ähnlich erfolgreich positionieren wird. Ansonsten holt sich Rorsted Rat bei den Similaunern, einem verschwiegenem Netzwerk von Topmanagern. Auch Herbert Hainer ist hier Mitglied und soll Rorsted beim Wandern zum Wechsel zu Adidas überredet haben.
Bei Henkel ist Kommunikationschef Carsten Tilger, der zuvor sieben Jahre sehr erfolgreich das Image von Kasper Rorsted steuerte, für die Positionierung von Hans Van Bylen verantwortlich.
Bisherige Hoch- und Tiefpunkte?
Sowohl Rorsted als auch Van Bylen haben ihre Erfolge bei Henkel gefeiert. Rorsted, der zuvor in der IT-Branche tätig war, hat den Familienkonzern innerhalb weniger Jahre auf Rendite getrimmt und an das Niveau der globalen Konkurrenten geführt. Van Bylen hat nicht minder weniger erfolgreich das Kosmetiksegment der Düsseldorfer geführt. Eine richtige Niederlage musste dagegen bislang nur Rorsted einstecken: Als ehemaliger Europa-Chef beim IT-Hersteller HP wurde der Däne einst gefeuert. Was damals für Rorsted ein Schock war, sieht er heute als Stärke. In Einstellungsgesprächen fragt er Bewerber stets, ob sie auch schon mal gescheitert seien.
Sieger im CEO-Zweikampf…
… ist Kasper Rorsted. Auch wenn seine öffentlichen Auftritte und Positionierung manchmal zu perfekt sind und eine menschliche Komponente vermissen lassen, macht er viel richtig. Nur wenige Top-Manager achten so sorgsam auf ihr Bild in der Öffentlichkeit. Rorsted hat früh erkannt, dass er damit nicht nur seinem Unternehmen sondern auch seiner Karriere hilft. Allerdings muss er aufpassen, dass er nicht übersteuert. Schon jetzt werden von dem Dänen geradezu Wunderdinge bei Adidas erwartet – was sich auch im Aktienkurs niederschlägt. Diesen überzogenen Erwartungen muss man in der Positionierung gegensteuern.
Van Bylen sollte sich dagegen mehr von seinem Unternehmen emanzipieren und mutiger auftreten. Erste gute Ansätze sind vorhanden, etwa in der neuen Digitalisierungsstrategie. Insgesamt ist sein Profil jedoch noch zu unscharf, und er vermittelt keine klare Vision, was er mit Henkel erreichen will. Ohne diese läuft er Gefahr, nur als Verwalter des Konzerns wahrgenommen zu werden.